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Wurzbacher Stadtkurier Amts- und Mitteilungsblatt der Stadt Wurzbach
Ausgabe 11/2025
Nichtamtliche Bekanntmachungen
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Nichtamtliche Bekanntmachungen

Ein besonderes Jahr - das Jahr 2025

So langsam neigt es sich dem Ende zu. Aber was gab es nicht alles zu feiern in diesem Jahr? Die besonderen Jubiläen in allen Gegenden hörten bisher kaum auf. In unserer Umgebung löste ein Ort den anderen ab, um sein Bestehen gebührend zu feiern. Auch wir Wurzbacher hatten mit 775 Jahren nach Ersterwähnung - Anno 1250 - Grund für ein schönes Fest.

Für mich selbst hat die Zahl 80 in diesem Jahr eine besondere Bedeutung. Denn vor 80 Jahren kam ich am 15. November 1945 in die Schule. Mit 6 Jahren wurden wir als 1. Klasse nach dem 2. Weltkrieg in die Schule eingeführt. Wie wir die Wirren der schlimmen Nachkriegszeit erlebten, verfasste ich in einem Gedicht, welches ich 30 Jahre nach unserer Schulentlassung, also 1983 anlässlich unseres 1. Klassentreffens niederschrieb.

Ja, ja, die liebe Zeit

30 Jahre sind es her,

seitdem uns drückte der Ranzen schwer.

Seitdem wir eine Lehre anfingen

und unsere eignen Wege gingen.

Doch zu unserem Treffen heut`

wollen wir einmal zurückdrehen die Zeit.

Wisst ihr noch, dass wir im Jahr 1945 die ersten waren nach dem Krieg,

mit denen man das erste Mal über die Schultreppe stieg?

Und gleichzeitig in eine neue Zeit!

Geprägt war das Land von Elend und Leid.

Da war die Zuckertüte - wenn`s überhaupt eine gab -

nicht so schwer wie heut`.

Oh - es war eine schlimme Zeit!

Streng getrennt nach Buben und Mädel,

ging dahin der Peter, und dorthin die Gretel.

Mancher Neulehrer musste sich mit uns herumärgern,

denn bis zu 45 Schülern betrugen die Klassenstärken.

Schulmöbel waren knapp und alt - teils entzweit.

Ach ja - das war schon eine Zeit!

Auf Schiefertafeln schrieben wir die Buchstaben und Zahlen,

in schlechte Hefte durften wir später nur mit Bleistift malen!

Fibeln und Bücher waren knapp.

Nur im Austausch hatte sie der eine gestern -

der andere bekam sie heut`.

Trotzdem lernten wir etwas.

Aber es war schon eine harte Zeit.

Viele kamen als Flüchtlinge her.

Sie hatten es ganz besonders schwer.

Jahrelang oft keine Schule gesehn -

Überaltert mussten sie in unsere Klasse gehen.

Nichts zu essen, keine Wohnung, oft nur an Kleidung,

was sie trugen am Leib.

Nein, - nie wieder eine solche Zeit!

Im Sommer ging`s barfuß zur Schule hin.

Aber im Winter wurde es schlimm!

Holzschuhe, Pantoffeln, auch Lumpen an den Füßen waren zu sehen.

In manchen Familien konnten die Kinder nur abwechselnd zur Schule gehen.

Schuhe aus Igelit waren da schon eine Freud`.

Damit rutschte es sich prima zur Winterzeit.

Wie schön war es, als wir später ein schwarzes Brötchen bekamen

und dazu Tee oder Kaffee oder sogar eine Tasse Milch einnahmen.

Dann gab es ein Ereignis - ich weiß es genau:

Es gab eine weiße Semmel - überhaupt nicht grau.

Sie war locker, weich und knusprig - ich schmeck sie noch heut`.

Es bleibt für mich die Beste für alle Zeit!

Schulspeisung gab es aus dem großen Kessel.

Und jeder wollte der Erste sein beim Essen.

Im Laufschritt ging es in den Keller.

Jeder bekam seinen Schlag in den Essentopf - nicht etwa auf den Teller!

Kartoffelsuppe und Bockwurst waren da eine riesige Freud`.

Und wir merkten, es ging aufwärts mit der Zeit.

Wir in der Mädchenklasse waren scheinbar recht lieb und bescheiden,

und viele Lehrer mochten uns leiden.

Und wenn die Neulehrer Prüfung machten,

dann wurden wir für diese Stunden ausgewählt

und mussten sogar zusätzlich schmachten.

Da tat es uns schon manchmal leid,

wenn wieder fehlten ein paar Stunden Zeit.

Denn wir sollten ja aufs Feld oder in den Wald,

um beizusteuern zum Familienunterhalt.

Ährenlesen, Beeren und Pilze holen, Kartoffeln stoppeln,

mit dem Handwagen in den Wald und voll Holz wieder heimhoppeln.

Wenn wir dann was brachten - das war eine Freud`,

die nur der ermessen kann, der erlebt hat die Zeit.

Als wir dann nach ein paar Jahren

schon älter und etwas größer waren,

rollte so eine Welle heran,

die ich auch heute noch nicht begreifen kann.

Da erfuhren wir, dass so mancher der Klasse sitzen bleibt.

Das war nicht schön und eine ganz verrückte Zeit.

Denn alle - das kann man nach 30 Jahren sagen,

haben verstanden, im Leben etwas zu wagen.

Sie haben mit Fleiß gelernt und geschafft.

Manch einer ist Leiter oder hat seinen Meister gemacht.

Zum Glück ist sowas Vergangenheit.

Wir leben in einer anderen Zeit!

Als wir dann kamen in die Acht,

wurde aus zwei Klassen eine gemacht.

Und ich weiß noch, wie so mancher Lehrer rief:

„Ihr werdet nie ein Kollektiv!“

Da lief mit den Jungen und Mädchen nicht alles zur Zufriedenheit.

Aber wir waren ja in der Pubertät.

Und das ist schon eine komische Zeit.

Die Jungen zeigten uns, was Lausbuben so alles machen.

Für uns Mädchen gab es so manches zum Lachen.

Besonders in Russisch zeigte das starke Geschlecht, was in ihnen steckt.

Und mancher Streich wurde ausgeheckt!

Doch stellt euch vor und glaubt meinen Worten,

aus einigen der Schlimmsten sind sogar Lehrer geworden!

Chor und Orchester waren damals schon groß im Gang.

Fast alle nahmen teil an Spiel und Gesang.

Wir haben Programme und Ausscheide bestritten

und schon damals immer gut abgeschnitten.

Zum Singen und Spielen waren wir stets bereit

und das war und ist ja auch schön zu jeder Zeit.

Durch den Chor lernten wir damals Gera, Jena Erfurt, Weimar

und unseren Kreis besser kennen;

und es ist schon ein Glück zu nennen,

dass wir auf diese Weise kamen mal in die Welt.

Wohl keiner hätte dafür gehabt das Geld.

Mit den Eltern gab es auch keine Gelegenheit.

Wir sind deshalb sehr dankbar für unsere Chorzeit.

1953 aus der Schule dann entlassen,

ging jeder bald auf seiner Straßen.

Schule, Lehre und Beruf

dann eine Trennung in uns schuf.

Deshalb ist es eine große Freud´,

dass so viele teilnehmen am Treffen heut`.

Wir kamen her aus vielen Orten,

Man kann sagen: Aus jedem ist etwas geworden.

Vom Handwerker, Lehrer und Brigadier,

von der Verkäuferin bis zum Künstler ist alles hier!

Wir sind nicht nur größer und älter geworden - meist auch breit!

Aber das macht wohl auch die Zeit!

Unser Fleiß hat uns alle reich gemacht.

Mancher hat es zum Haus oder Auto gebracht.

Fast jeder hat eine Familie und Kinder.

Wir fahren in den Urlaub, ob Sommer, ob Winter.

Und mit Stolz können wir sagen heut`:

„Wir gehören zu den Erbauern unserer Zeit!“

Das ist der Grund, unser Glas zu heben,

wir wollen trinken auf diesen Tag - er soll leben!

Wir wollen trinken auf eine gesunde und friedliche Zeit,

und dass wir uns in ein paar Jahren

wieder treffen wie heut`!

Zum Wohl!

Barbara Winckler