Trampelis Unterschrift unter den Orgelbauvertrag
Auszug aus der vorgeschlagenen Disposition der Orgel
Blick in das Innenleben der Trampeli-Orgel
Die Flötistinnen Michelle Krieg und Sophie Heinl im Renaissance-Kostüm mit dem Organisten Jürgen Schumann
mit dem folgenden Beitrag bleiben wir noch einmal beim kulturellen Schaffen in unserem Städtchen. Und hier verdient ein ganz besonderes Schmuckstück unsere Aufmerksamkeit, nämlich die Orgel in unserer Kirche. Doch wer kann darüber besser berichten als unser Organist Jürgen Schumann, der dem Instrument zu Gottesdiensten und Konzerten die schönsten Klänge entlockt.
Zur Geschichte der Trampeli-Orgel in der Nikolaus-Kirche zu Wurzbach
„Der durch Wind erzeugte Ton hat auf die Menschheit von alters her eine besondere Faszination ausgeübt. Er ließ sich durch Material und Technik manipulieren. So entstand über die jahrhundertelange Entwicklung die Orgel, die in sich den Klang einer Vielfalt von Instrumenten vereinigt...
Diese Einzigartigkeit ließ sie zur „Königin der Instrumente“ werden.
Von einer zur anderen Generation behielt die Orgel ihren hohen Stellenwert, sie wurde auch in schweren Zeiten nach den jeweiligen Gegebenheiten erhalten, dem Zeitgeschmack angepasst oder durch eine neue ersetzt.“ (orgelbau - roesel.de)
Eine der schönsten und klangvollsten Orgeln unserer Region befindet sich in Wurzbach. Sie wurde nach dem letzten und verheerendsten Brand des Ortes (1757) in den Jahren 1777 - 1782 von Johann Gottlob Trampeli, dem begabtesten Orgelbauer seiner Familie, errichtet. Er orientierte sich in seiner Kunst an Silbermann und baute Instrumente von hervorragender Qualität. Die Orgel in Wurzbach steht auf der Westempore der Nikolaus-Kirche, mit einem spätbarocken Prospekt und gilt wohl als die älteste erhaltene Orgel aus seiner Hand.
Die Gründung der Orgelbaufirma in Adorf geht auf Johann Paul Trampel (1708 -1764) zurück, der sich ab 1759 Trampeli nannte.
Nach seinem Tod übernahmen seine beiden Söhne, Johann Gottlob (1742 -1812) und Christian Wilhelm (1748 - 1803), die väterliche Firma, Christian Wilhelms Sohn, Friedrich Wilhelm (1790 - 1832), führte sie bis zu seinem Tod, damit endete auch die Existenz dieser Firma.
In ihrer Ursprünglichkeit erhaltene Trampeli-Orgeln existieren noch (ca 13 Stück), u.a. in Gräfenwarth, Triptis, Gefell, Döhlen, Forstwolfersdorf, Oberlosa, Auma, Zitzschen, Schönheide, Straßberg, Sornzig.
Das größte Instrument, welches die Orgelbauerfamilie im Umkreis ihrer Wirkungsstätte baute, war die Orgel in der Nikolai-Kirche zu Leipzig, über die Johann Adam Hiller (1728 - 1804), Thomaskantor und erster Kapellmeister des Gewandhauses, zu berichten wusste, „nach Silbermannscher Art vortrefflich angelegt und ausgeführt“. Sie hatte 48 Register, 3 Manuale und ein Pedal.
Dem Zeitgeschmack der Jahrhunderte geschuldet, wurde die Orgel umgebaut. Leider sind nur einige wenige Register Trampelis erhalten geblieben und in die neue Orgel übernommen worden.
Für uns heute ist es verwunderlich und interessant, dass die Wurzbacher Kirchgemeinde bereits nach dem letzten und verheerendsten aller Brände (1757), dem das gesamte obere Dorf einschließlich Pfarrhaus (Kirchenarchiv) und Kirche zum Opfer fielen und den daraus entstehenden immensen Kosten für den Wiederaufbau des Ortes und der Kirche (1757 - 1763), den Wunsch nach einer neuen Orgel äußerte und geeignete Orgelbauer suchte. Was sicherlich damit zu erklären ist, dass in diesen schweren Zeiten die Orgel als Instrument der seelischen Erbauung unverzichtbar erschien, weil sie das auszudrücken vermochte, was sprachlich unmöglich war.
Nach Verhandlungen der Kirchgemeinde mit Johann Gottlob Trampeli und der Einholung einer Baugenehmigung beim Landesherren, Graf Heinrich des XXIV zu Plauen, Greiz, Gera und Lobenstein, einigte man sich auf einen Preis für „das zu verfertigende Orgelwerk“ von „Ein Tausend und Ein Hundert Reichstalern“, diese Summe wurde später durch den Verzicht auf ein Register im Manual (die Vox Humana) und ein Register im Pedal (Bassetto 4 Fuß) auf 900 Reichstaler verringert.
Nach Schätzungen entsprechen 900 Reichstaler der heutigen Summe von ca. 60 000 Euro.
Die 2001 abgeschlossenen Restaurierungsarbeiten an der Orgel beliefen sich auf ca.160 000 DM.
Würde man heute eine Orgel in der Größe der Wurzbacher bauen lassen, wären Kosten von weit über 1 000 000 Euro denkbar.
Manch einer unserer Bürger weiß nicht, welchen Schatz die Kleinstadt Wurzbach birgt.
Ein Zeitraum von 241 Jahren hinterlässt jedoch auch an unserer Orgel seine Spuren.
Holzwurmbefall, Schäden am Balg, Zinnfraß, Abnutzungserscheinungen an der Traktur und zum Teil unkontrollierte mechanische Veränderungen beeinträchtigten die ursprüngliche Klangqualität.
Den schlimmsten Eingriff musste sie während des I. Weltkrieges erleiden, als ihre Prospektpfeifen (aus Zinn) eingeschmolzen und später durch Zink-Pfeifen ersetzt wurden.
Zwischen 1924 und 1981 erfolgten erhebliche Veränderungen des Innenlebens dieses historischen Instruments. Es wird vermutet, dass bei diesen Arbeiten die Traktur um einen Halbton umgehängt wurde.
Ohne näher auf die zu DDR-Zeiten vorgenommenen Arbeiten an der Orgel einzugehen, kann man annehmen:
wichtig war der Erhalt für den Gebrauch im Gottesdienst und eine gewisse Schadensbegrenzung an der historischen Substanz.
Damals war der „kommunistische“ Staat nicht an der Erhaltung von Kirchen und gleich gar der darin befindlichen Orgeln interessiert und ließ sie sogar als Machtdemonstration seiner eigenen erbärmlichen Existenz sprengen (Universitätskirche in Leipzig 30. Mai 1968).
„Wenn ich aus der Oper komme, möchte ich keine Kirche sehen.“ So äußerte sich der damalige Staatsratsvorsitzende Walther Ulbricht, der „Vertreter der Arbeiterklasse der DDR“.
Seinem Wunsch wurde entsprochen.
Erst im Jahre 2001 konnte, dank der unermüdlichen Anstrengungen des Pfarrers Gerhard Zell und der Gemeinde, eine vollständige Restaurierung der Wurzbacher Orgel abgeschlossen werden. An der Finanzierung beteiligten sich viele Bürger der Kirchgemeinde und auch viele, die nicht der evangelischen Kirche angehörten; ein sichtbares Zeichen für die gewachsene Verantwortung gegenüber regionaler Kultur und Kunst.
Ein Sprichwort, das es bereits während der kommunistischen Diktatur in der DDR gab, besagt: Schau dir die Kirche an und du weißt, welche Bürger im Ort wohnen.
Große Anstrengungen unternahmen die Kirchenältesten und die damals tätigen Pastoren zum Erhalt der Kirche, der Orgel und des Pfarrhauses mit Gemeindesaal in diesen politisch schweren Zeiten.
Es seien hier angemerkt: Pfarrer Werner Leich, späterer Superintendent und Landesbischof und Pfarrer Ganzer,
Willi Fiedler, ein durch das kommunistische System drangsalierter Landwirt, half mit seinen handwerklichen Fähigkeiten und einer seinem Glauben zutiefst verwurzelten Menschlichkeit,
Kurt Hornfek brachte sich als Bauingenieur ein und gab der Gemeinde wichtige Ratschläge im Umgang mit den „Staatlichen Ämtern“,
Roland Schübel engagierte sich als Organist, Leiter des Kirchenchores, und war später maßgeblich an der Organisation von Fördermitteln für die Wurzbacher Orgel beteiligt.
Die gesamte Zahl aller Helfer und der Umfang ihrer Hilfe bleibt hier unbenannt.
Im Jahre 2001 beendete die Orgelbaufirma Rösel & Härcher die Restaurierungsarbeiten unserer Orgel mit viel Geduld gegenüber einer gewissen „Besserwisserei“ hinsichtlich der Stimmtonhöhe und es gelang ihr durch eine sehr gewissenhafte, qualitätsvolle, einfühlsame und verantwortungsvolle Arbeit, sich dem historischen Originalzustand der Trampeli-Orgel weitestgehend zu nähern.
Heute erklingt sie wieder in der Fülle ihrer 24 Register (= ca.1 400 Pfeifen), verteilt auf zwei Manuale und Pedal, im barocken Glanz; majestätisch erhaben oder zart singend und vermag durch die Vielfalt ihrer Klangfarben die Herzen von Organisten und Zuhörern gleichermaßen zu ergreifen.
Namhafte Organisten wie Dr. W. Börner (Dozent an der Friedrich-Schiller-Universität Jena), Michael Schönheit (Gewandhausorganist, Dozent für künstlerisches Orgelspiel an der Musikhochschule Nürnberg …), Matthias Eisenberg (ehem. Gewandhausorganist,
Professor h.c. für Kirchenmusik und Orgelspiel, Komponist...), Matthias Grünert (erster Kantor der Dresdener Frauenkirche, Organist, Cembalist, Dirigent, Komponist …) konzertierten in den letzten Jahren auf diesem kostbaren Instrument und waren begeistert von seiner Klangqualität.
Die Erhaltung und Pflege der Trampeli-Orgel ist für die Wurzbacher Kirchgemeinde zur ehrenvollen Pflicht geworden; finanziell gesehen, wurden und werden allen Bemühungen jedoch unter „gegebenen“ Bedingungen in immer stärkerem Maße Grenzen gesetzt.
Jährliche Wartungsmaßnahmen und eine Überarbeitung der Stimmung (ca. 500 Euro) sowie eine komplette Stimmung aller 2 - 3 Jahre (ca. 1000 Euro) sind unbedingt notwendig, um die Spiel- und Klangqualität des Instrumentes zu erhalten.
Aus diesem Grunde fanden und finden seit 2001 Orgelkonzerte und im Rahmen der „Stunde der Orgelmusik (2005), des Denkmaltages und am 2. Advent Konzerte statt, bis zum heutigen Tag (seit 2001) waren es mehr als 200 an der Zahl, deren Erlös die notwendigen Wartungsarbeiten decken konnten, dank der großzügigen Spenden der immer zahlreicher werdenden Konzertbesucher.
Unter dem Motto „Heiter & besinnlich durch 5 Jahrhunderte“ wurden die einzelnen Programme mit Werken der klassischen und populären Musik gestaltet. Auch Filmmusiken, Evergreens, Tangos. Rock- und Popmusik u.v.m. belegten die Klangvielfalt der Orgel, ihre Einsetzbarkeit als Soloinstrument oder großes Orchester; die Konzertbesucher bewunderten das Vermögen der Organisten, mit Händen und Füßen dieses gewaltige Instrument zum Klingen zu bringen. Viele nutzten die angebotenen Orgelführungen, sich über Aufbau und Wirkungsweise einer Orgel zu informieren. Selbst der Wurzbacher Kindergarten besuchte mehrmals unsere Trampeli-Orgel und die Kinder waren begeistert, dass man auf der Orgelbank sitzen darf und ihr bereits als Knirps Töne entlocken kann, die auch noch gut klingen.
Künstlerische Unterstützung fanden die Konzerte durch einen festen Stamm von Musikschülern, die sich einmal in der Woche unter der Leitung ihres Lehrers zum Erlernen des Solo- und des Ensemblespiels mit Orgel-, Cembalo- oder Klavierbegleitung trafen. Erstaunlich war die Begeisterung, mit der sie sich trotz ihrer schulischen Verpflichtungen in diese Aufgabe einbrachten.
Zu nennen seien hier die Flötistinnen Maria und Theresa Fischer, Celline Goldhardt, Michelle Krieg, Sophie Heinl, der Trompeter Tobias Keim, die Geigerinnen Rahel Stein und Astrid Hornuff; an der Orgel spielten Oliver Krieg, Andreas Keim. Der Oboist Dr. Albrecht Reimann, Herzchirurg aus Erlangen, reiste jedes Jahr nach Wurzbach, um sich an den Konzerten zu beteiligen.
Der Remptendorfer Männerchor, der Friesauer Männerchor, der Lobensteiner Kirchenchor, die Koselsingers, der Lehestener Kirchenchor, der Heberndorfer Singkreis, der Chor des Gymnasiums unter Leitung von Elke Grimm, das Klarinettentrio unter Leitung von Dr. Bohn, das Gitarrenensemble der Musikschule Bad Lobenstein unter Leitung von Frau Rozgony - Zink und die Sängerin Loreen Apel (Leiterin der Grundschule Wurzbach) bereicherten in vielfältiger Weise die Konzertprogramme. Heiko Rössel (Tischler, Rockmusiker und Komponist) und seine Tochter Maja engagierten sich beim Vortrag moderner Rhythmen und neuer (Kirchen-)Lieder, Heikos Programmvorschläge inspirierten in besonderer Weise den begleitenden Organisten. Viele Zuhörer waren erstaunt darüber, dass Rockmusik auf einer Orgel interpretiert werden kann und äußerten ihre speziellen musikalischen Wünsche für die folgenden Konzerte.
Auf Grund der plötzlich auftretenden Corona-Pandemie und der damit verbundenen Hygieneverordnungen mussten die Konzerte leider für 2 Jahre aussetzen.
In diesem Jahr soll versucht werden, die Konzertreihe weiterzuführen, „heiter & besinnlich“.
Geplant sind vorerst 4 Konzerte im Juni, jeweils am Freitag 20.00 - 21.00 Uhr.
1. Konzert am 02.06.23
2. Konzert am 09.06.23
3. Konzert am 16.06.23
4. Konzert am 23.06.23
Der Eintritt ist für alle Besucher frei.
Jürgen Schumann
PS: Anfragen zu Orgelführungen, Orgelkonzerten außer der Reihe können an Jürgen Schumann, Wurzbach, Heinrich-Heine-Str. 27 (Tel. 036652 23016) oder schumann.juergen@gmx.de gerichtet werden.