Lange Zeit waren Gehstöcke als Zeichen gehobener Position dem Adel und der Obrigkeit vorbehalten. Ändern sollte sich dies maßgeblich durch die Französische Revolution, in der der Gehstock um seine herrschaftliche Symbolik gebracht und für den dritten Stand freigegeben wurde.
Genutzt wurde er fortan aber nicht nur als Accessoire eines erstarkenden Bürgertums, sondern des Öfteren auch, um dem politischen Gegner zuzusetzen. Dies wog umso schwerer, als dass zu dieser Zeit schon die ein oder anderen Degen und Messer in den Stöcken verbaut wurden und gleichsam „aus dem Nichts heraus“ und nicht selten todbringend, zum Einsatz kamen. Napoleon sah sich 1804 deshalb veranlasst, die Stockfreiheit wieder aufzuheben - ein Vorgehen, das sich schlussendlich als ein erfolgloses Stemmen gegen den Zeitgeist erwies.
Das 19. Jahrhundert sollte die Epoche des Gehstocks werden, in Frankreich, Italien und England schon sehr früh, in Deutschland dann spätestens ab 1848, dem Jahr, in dem König Friedrich Wilhelm IV von Preußen - unter revolutionärem Druck - unter anderem das allgemeine Stockverbot aufhob.
Unzählige Stock-Manufakturen schossen in der Folgezeit aus dem Boden. Es heißt, dass alleine in Berlin am Stichtag im August 1848 eine Million Spazierstöcke gekauft wurden, das schlanke Requisit also umgehend zur Massenerscheinung und einem Symbol neugewonnener Freiheit avancierte. Dies wiederum entfachte alsbald das Begehren nach Exklusivität. Sogenannte Systemstöcke machten schnell auf sich aufmerksam.
Grundsätzlich sollte der Gehstock den natürlichen Gang fließend ergänzen, den Träger gesellschaftlich exponieren oder diesem einen willkommene Stütze sein. Die Systemstöcke hatten darüber hinaus die Aufgabe, diese Grundfunktionen um spektakuläre oder auch nur nützliche Anwendungen und Applikationen zu erweitern, dem oft eleganten aber „toten“ Stock „Seele zu geben“, wie man damals sagte.
So kam es, dass medizinisches Besteck, Pulverdosen und Parfumflakons für die Damen, Regenschirme, Uhren, kleine Spiele (etwa Mühle oder Schach), Stifte, Tabakpfeifen oder auch die Flasche für den schnellen Schluck ihren Weg ins Stock-Design fanden. Der Fantasie waren keine Grenzen gesetzt. Innerhalb der Kategorie der Systemstöcke eroberten sich die Schießstöcke ein eigenes Terrain. Diese verbargen in Griff und Schuss - dem langen, stabartigen Bestandteil des Stocks - eine voll funktionsfähige Schusswaffe, Pistolen, wie auch Gewehre, die die gesamte Länge als Lauf nutzten.
Die Fertigung von Stöcken mit verborgenen Schusswaffen nahm Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland Fahrt auf. Dazu trugen die rasche Entwicklung der Feinmechanik, die auf engem Raum immer raffiniertere Produkte erlaubte, der Militarismus der deutschen Kaiserzeit sowie die rasante Einwohnerexplosion in den Städten bei. Der Schießstock bot die Möglichkeit, unauffällig armiert zu wandeln, ohne auf den äußeren Chic und seine Grundfunktionalität zu verzichten. Aus diesem Grund war er ein willkommener Schutz auf Reisen innerhalb der Wandervogelbewegung des frühen 20. Jahrhunderts, wenngleich die Mechanik der Waffe in äußerlich robusteren Stöcken verbaut wurde.
Auch an Zella-Mehlis ging diese Entwicklung nicht vorbei. Vor allem renommierte Waffenfabrikanten wie Bernhard Paatz, Ernst Friedrich Büchel, Karl Weissbach, Ludwig Catterfeld, Oskar Will oder Gotthilf von Nordheim führten den Schießstock, (regelmäßig auch als Schießflinte tituliert) etwa um 1910 ganz selbstverständlich neben herkömmlichen Kurz- und Langwaffen in ihren Katalogen auf. Dies zerstreute letzte Zweifel, ob es sich denn nun eher um einen Stock mit einer Zusatzfunktion oder um eine Waffe handelte. Letzteres war der Grund, warum Schießstöcke in Regierungskreisen nie als allgemein zugängliches Gut angesehen wurden.
Vor allem in den frühen Jahren der Weimarer Republik, die durch eine politisch instabile Lage und erbitterte politische Machtkämpfe gekennzeichnet waren, trug der Schießstock kaum zur öffentlichen Sicherheit und Ordnung bei. Ganz im Gegenteil: die Unsichtbarkeit der Waffe prädestinierte diese für Angriffe ohne Gegenwehr, das List-und-Tücke-Moment gewann Oberhand und brandmarkte das Requisit als potenziellen Förderer von Attentaten, Putschversuchen und Straßenschlachten. Da halfen auch verharmlosende Katalog-Bezeichnungen wie „Schießstock-Selbstschutz“ nichts.
Mit dem „Gesetz über Schusswaffen und Munition“ vom 12. April 1928 wurden Bau, Erwerb und Besitz von Schusswaffen erstmalig einheitlich geregelt, Schießstöcke hingegen explizit verboten. Was in den Katalogen noch als Qualitätsmerkmal etwa mit „…äußerlich von einem gewöhnlichen Stahlrohr-Spazierstock nicht zu unterscheiden…“ herausgestrichen wurde, wurde nun der Grund der Unvereinbarkeit mit dem deutschen Waffenrecht. Eine Waffe muss als solche erkennbar sein.
Die zwanglose Zulassung von in Alltagsgegenständen getarnten Schusswaffen birgt die Gefahr des Missbrauchs, des Einschmuggelns und würde auch gesamtgesellschaftlich zu Verunsicherungs- und Misstrauensdynamiken führen, die einem gedeihlichen Miteinander entgegenstünden. Deshalb bleibt die Anwendung dieses Objekts auch in Filmproduktionen exklusiv lichtscheuen Bösewichten vorbehalten. Eine kleine Sammlung früher Schießstöcke kann im Stadtmuseum „Beschußanstalt“ Zella-Mehlis bewundert werden.