Zeichnung „Beim Bronzeschmied“, aus Schlette, Friedrich: „Auf den Spuren unserer Vorfahren“, Berlin 1982, S. 43.
Es wird gesagt, die Menschheit zeichnet die Verwendung und Herstellung von Werkzeug aus. So soll als Objekt des Monats diesmal das zweitälteste Werkzeug der Ausstellung im Stadtmuseum näher beleuchtet werden. Es handelt sich um ein bei Schachtarbeiten in einem Garten in Oberzella gefundenes Beil der mittleren Bronzezeit, ein sogenanntes Absatzbeil.
Zeitlich ist es der sogenannten Hügelgräberkultur der mittleren Bronzezeit (1600-1300 v. Chr.) zuzuordnen. Die Beilformen haben sich in dieser Zeit vom Flachbeil über das Randleistenbeil zum Absatzbeil entwickelt. Das bronzene Metallstück wird in einen abgewinkelten Ast eingeschäftet und mit Lederstreifen, Sehnen oder Ähnlichem und vermutlich mit Birkenteer fixiert. Die seitlichen Leisten verhindern das Verrutschen des Beils, der namensgebende „Absatz“ stützt das Schaftende. So wird bei der Arbeit das Metall nicht weiter ins Holz getrieben. Bronzebeile waren wertvoll. Hort- und Depotfunde lassen darauf schließen, dass sie auch als Handelsware mit Geldcharakter dienten.
Das Bronzebeil des Stadtmuseums ist im Vergleich zu ähnlichen Fundstücken in Mitteleuropa ein eher großes Exemplar. Es ist 18,8 Zentimeter lang, die Schneide ist vier Zentimeter breit, das Gewicht beträgt 440 Gramm. Seitlich zeichnet sich deutlich die Gussnaht ab, es wurde also in eine zweiteilige Dauerform als Schalenguss gegossen. Mittels Passstiften fügten die Metallhandwerker die Sandstein-, Ton- oder Schieferformen genau aufeinander.
Das durch eine dicke Patina grün gefärbte und heute mit einem schwarzen Überzug konservierte Beil muss man sich ursprünglich goldfarben vorstellen. Die Bronzefarbe variierte je nach den Zuschlägen zum Kupfer. Eine frühe Arsenbronze schimmerte silbrig, Zinnbronze erscheint goldfarben. Die genaue Legierung unseres Museumsbeils ist nicht bekannt. Die Verwendung einer Legierung gegenüber reinem Kupfer war ein deutlicher Innovationsschub. Der Schmelzpunkt ist niedriger, außerdem gewinnt das Material an Härte und Zähigkeit. Je nach Bearbeitung und mehrfachem Glühen, können die Bronzewerkzeuge verfestigt werden und dann vergleichbare Eigenschaften wie weicher Stahl aufweisen. Die experimentelle Archäologie beschäftigt sich mit dem Nachstellen von Legierungen. Alle Ergebnisse deuten auf ein enormes Wissen und Können der Menschen zur damaligen Zeit hin. Mit einfachen Mitteln wurde viel geleistet.
Und nicht nur das. Über die gesamte Bronzezeit muss es für die Rohstoffbeschaffung bereits weitreichende Handelsnetzwerke gegeben haben. Nachweislich wurde Kupfer im Alpenraum abgebaut, das Zinn kam, wie auch das Gold der Himmelsscheibe von Nebra, aus dem Südwesten Englands. Regional sind Abbaugebiete beider Rohstoffe im Erzgebirge denkbar, aber archäologisch wegen späterer Nachnutzung der Lagerstätten schwer nachzuweisen.
Dass die Menschen in der frühen Bronzezeit schon sehr mobil waren und ausgedehnte Netzwerke pflegten, bestätigen neuere Untersuchungen. So kamen Frauen aus dem heutigen Tschechien und dem Raum Halle/Saale über viele hundert Kilometer ins Lechtal (Raum Augsburg) um die dort fest ansässigen Männer zu heiraten. Grabbeigaben wie sie im Raum Schwarza gefunden wurden, wurden ebenfalls bei Ausgrabungen westlich von Magdeburg entdeckt. Auch hier muss es einen engen Austausch gegeben haben. Sicherlich wurden über diese Netzwerke auch Wissen und Technologien transportiert, wie die der Bronzeverarbeitung.
Es muss damals organisierte (Fern-) Routen und Handelswege gegeben haben, die auch über Jahrhunderte Bestand hatten. Einer dieser Wege könnte durch den Zella-Mehliser Raum über den Thüringer Wald hinweg geführt haben. Siedlungen finden sich eher am Fuße des Mittelgebirges und Gebirge gelten als natürliche Grenze von Siedlungsräumen.
Wie kommt dann das Beil auf die Zella-Mehliser Höhe? Die schartige Schneide des Beils spricht nicht für eine Verwendung als Kultgegenstand, sondern deutet auf eine intensive Nutzung hin. Wofür? Waffe oder Werkzeug? Wurde es unterwegs beim Übergang über das Gebirge verloren, rutschte es einem Händler vom Wagen? Hat sich beim Baumfällen die Bindung gelöst, das Bronzebeil flog ins Gebüsch und ward vom Holzfäller aus Schwarza nicht mehr gefunden? Da es sich um einen Einzelfund handelt, der nicht mit Siedlungsstrukturen, einem Grab oder einem Hort in Verbindung gebracht werden kann, muss dieses Rätsel ungelöst bleiben. (ms)