Frau mit Halskrause, Gemälde von François Clouet: Elisabeth von Österreich, Königin von Frankreich, ca. 1571.
Ein seltsames Objekt gehört seit langer Zeit zum Inventar des Stadtmuseums Zella-Mehlis. Es ist in der Schauvitrine mit „Bierwärmer“ bezeichnet - seine Bauform lässt diesen Schluss durchaus zu. Vielleicht hatte das Stück aber auch eine ganz andere Funktion. Grund genug, es als Objekt des Monats zu beleuchten.
Bierwärmer waren bis weit ins 20. Jahrhundert fester Bestandteil der Wirtshauskultur Mittel- und Nordeuropas. Grund für die Verbreitung dieses Utensils war die kaum vorhandene technische Temperaturregulation in den Lagern der Brauereien und Gaststuben. Deren Kühlung gewährleistete im Sommer eingelagertes Natureis. In der dunklen Jahreszeit kühlten die Lagerstätten schnell aus und das frisch gezapfte Bier wurde nicht selten nahe dem Gefrierpunkt ausgereicht. Das war nicht nur dem Geschmack abträglich, sondern galt als ungesund. Auch waren Wirtshausstuben nur ungleichmäßig beheizt und schlecht isoliert. Der Gast war Kälteeinflüssen ausgesetzt, was den Absatz aufgewärmter Getränke förderte. Bier bildete keine Ausnahme. Für die nachträgliche Temperaturerhöhung des Gerstensaftes empfahl sich eine zylinderförmige Metallröhre, die, mit heißem Wasser gefüllt, in das Getränk gehangenen oder gestellt wurde.
Stammgäste eines Lokals konnten sich über eigens ihnen zugewiesene Krüge mit Bierwärmer freuen, andere brachten das Requisit mit. Es gehörte zum Gaststätteninventar, wie Glas, Messer, Gabel oder Teller. Tatsächlich bietet auch das Objekt des Monats vieles, was es für einen Bierwärmer braucht: eine metallene Hülle, die einen Hohlraum umschließt, am oberen Ende eine Öffnung für heiße Befüllungen, sowie einen Griff zum Aufhängen am Gefäßrand. Betrachtet man jedoch historische Bierwärmer, fallen einige Unterschiede auf. Diese waren in der Regel weniger dickwandig, was der erhöhten Aufnahmekapazität von heißem Wasser und der schnelleren Wärmeabgabe zugutekam. Als Material wurde eher auf Messing, statt auf unlegiertes Eisen zurückgegriffen. Überdies war die Öffnung häufig mit einem Deckel verschließbar und das untere Ende lief sich nicht konisch aus.
Vieles spricht also für eine andere Zweckbestimmung. In der Tat erinnert das Objekt des Monats an ein historisches Bügeleisen, dem nur die Heizfläche fehlt - möglicherweise also eine Kuriosität. In einem Lexikon über Haushaltsgegenstände aus dem Jahre 1715 wird ein mit „Platt-Glocke“ titulierter Gegenstand wie folgt dargestellt: „... einem von Messing rund länglich gegossenen Instrument mit einem darnach formirten glühenden Eisen von innen angefüllet, wird in die Wand oder einen darzu gehörenden Klotz gestoßen und feste gemacht, damit man über selbiges die Manchetten oder oder andere Sachen... ziehen und starr machen kan.“ - eine Funktionalität, die ohne Bedenken auch dem Objekt des Monats zuzutrauen ist: genug Raum im Inneren für einen erhitzten Dorn, der seine Temperatur allmählich und schmutzfrei an die Hülle abgibt, sowie ein gleichmäßiger Abschluss.
Für die Wärmebehandlung von breiten Manschetten war das Eisen allerdings zu schmal. Dünnere, passgenaue „Röhren“, die in Form gebracht werden wollten, bot nur ein Accessoire der Kostümgeschichte: die Halskrause, beziehungsweise ihr pompöser Ableger, der Mühlsteinkragen. Dieses, der spanischen Hofmode des mittleren 16. Jahrhunderts entronnene, kreisrund ausladende Statussymbol, zierte die Hälse europäischer Amts- und Würdenträger: von Spanien bis Schweden, von England bis Deutschland exponierte es seinen Nutzer über viele (Mode-)Epochen hinweg, egal ob dem Adel, der Geistigkeit oder dem gehobenen Bürgertum entstammend.
Selbst Anfang des 20. Jahrhunderts war der Kragen regional teilweise noch obligat, etwa in Hamburger Senatssitzungen und noch heute ist er Bestandteil des pastoralen Ornats der evangelischen Kirche, vor allem in den großen Städten Norddeutschlands - ein resolutes Kleidungsstück also, das sich als Symbol für Selbstdisziplin, Autorität und Würde gegen die modische Beliebigkeit der Moderne gestemmt hat.
Es in Form zu bringen, war die Aufgabe der Kragenmacherinnen, die bei Bedarf in ihren hoch spezialisierten Werkstätten aufgesucht wurden oder angestellt in Dienst traten. War der in durchschnittlich 200 Falten aufgeworfene Leinen des Kragens verschmutzt, wurde er entfaltet und bei etwa 100 Grad Celsius gekocht. Blütenreines Weiß galt als erstrebenswert. Nach der Wäsche verloren die Röhren ihre Steifigkeit, weshalb sich eine Behandlung mit Reis- oder Weizenstärke-Lösung anschloss. Noch leicht feucht, wurde der Leinen wieder in Falten gelegt, die nun der Reihe nach von Hand um das erhitzte Eisen gebogen wurden. Die charakteristische Rundung und Steifigkeit stellte sich nach der Trocknung wieder ein, oft unterstützt durch Draht oder Fischbein. Dieser teilweise tagelange Vorgang des sogenannten Tollens erforderte Geschick und Vorsicht nicht nur, um die Formvollendung aller Röhren herzustellen, sondern auch, um den teuren Stoff nicht zu verbrennen.
Übrigens: Unser „neu entdecktes“ Toll-Eisen zeitlich einzubetten, fällt nicht leicht. Dem Existenzzyklus seines Pflegeobjektes folgend, könnte es vor 400 Jahren genutzt worden sein, ebenso gut auch noch heute in bewährter Form Verwendung finden. Sein Ursprungsort, Zella-Mehlis, wo man bereits um 1900 keinen Kragen mehr trug, sowie sein hervorragender Erhaltungszustand sprechen dafür, es ins mittlere bis späte 19. Jahrhundert zu verorten. Wer Interesse hat, sich dieses „heiße Eisen“ zu Gemüte zu führen, kann dem Stadtmuseum Zella-Mehlis einen Besuch abstatten. (ad)