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Stadt Anzeiger
Ausgabe 2/2023
Nichtamtliche Mitteilungen
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Mehlser Mundart - Gedanken zur Mundart

von Hans Bader

- Teil 2/2 -

Versuche in den letzten 75 Jahren den örtlichen Dialekt in den Grundschulen in mehreren Deutschunterrichtsstunden unterzubringen, scheiterten an den unterschiedlichsten Ordnungen.

Die Begründung war stets, Dialekt gehört nicht zur Bildung und ist abartig.

Walter Mai und Claus Amberg haben mit „Meine kleine Mundartfiebel“ in Arbeitsgemeinschaften den letzten Versuch unternommen, die Mundart noch einmal zum Leben zu erwecken. Das Ergebnis ist uns nicht bekannt.

In der Arbeitsgruppe des Stadtarchivs unserer Stadt sammeln die Mitglieder noch gesprochene und auch bereits nicht mehr benutzte Wörter, Redewendungen und auch kleine Geschichten im Heimatdialekt. Das ist als eine letzte Bestandsaufnahme zu sehen und sie versuchen noch zu retten was zu retten ist, denn der Kreis derer die die Wörter und Begriffe kennt wird immer kleiner. In der Broschüre „so Babbeln wir in Mehl un Zell“ wurden zusätzlich oft gebrauchte Redewendungen aufgezeichnet.

Sprachwissenschaftler haben ermittelt, dass der heimatliche Dialekt überall jeweils von Generation zu Generation um sieben bis neun Prozent zurückgeht. Selten gibt es heute noch Familien die im Dialekt sprechen.

In den ehemaligen Großbetrieben der Stadt arbeiteten zum Ende des 20. Jahrhundert sehr viel auswärtige Menschen, so zum Beispiel in den Mercedeswerken aus 156 Thüringer Ortschaften! So sprachen sie teilweise ihren Heimatdialekt untereinander und man musste aufpassen, dass sich bei uns kein "Import" fremder Worte einschlich. Oft wussten die älteren Arbeiter von den anderen Orten nicht wie die hochdeutschen Wörter lauteten.

Eines Tages besuchte 1954 eine Delegation die Mercedeswerke und sie waren auch an den Arbeitsplätzen der Werktätigen. Einer war gerade dabei Rohre für Schreibmaschinenwalzen zu bohren. Auf die Frage nach seiner Tätigkeit antwortete unser 75-jähriger Oberschönauer Kollege, wie er dachte in hochdeutsch: "Hier werden Röhren geböhret!". Der Fremde verstand nichts. Auf eine erneute Nachfrage erhielt er die die barsche Antwort: "Do wärrn Röärn gebührt!" Hochdeutsch war für solche Leute schwer, weil sie kaum einmal aus ihren Heimatort herauskamen.

Zella Sankt Blasii erhielt bereits 250 Jahre das Marktrecht und war Verwaltungsort bevor Mehlis das Stadtrecht erhielt. Verwaltungen der unterschiedlichsten Obrigkeiten waren in Zella vorhanden. Durch diese Institutionen wurde auch eine einheitliche Verwaltungsprache im Umgang und den Schriftentum eingeführt. Diese wurde auch in den gehobenen Schichten gesprochen.

Ich kannte in meiner Kindheit einige Personen, die für die "kleinen Leute" den Schriftverkehr in der Amtssprache erledigen mussten und sie verdienten sich damit noch ein Zubrot.

Als Zehnjähriger durfte ich einmal an der Geburtstagsfeier in Zella teilnehmen. Es herrschte ein starkes Regenwetter und als wir dort angekommen waren, schimpfte ich, als Mehliser über "daas beschesse Räewaater". Prompt wurde ich über die deutsche Sprache belehrt. In Zukunft heißt das ein "bescheidenes Regenwetter", das wurde mir deutlich gemacht. Also ist es doch an den Ausspruch "vürnehme Zeller" ein historischer Hintergrund vorhanden.

Wer im Dialekt sprach wurde sehr oft als unwissend, ungebildet und in die untere Schublade der Gesellschaft eingestuft.

In Mehlis war die Sprache tiefer, rauer und derber, Worte wurden gekürzt und Endungen sehr oft verschluckt. So zum Beispiel Barigk für Berg, boarche für borgen oder Zuh für Zahn.

Bei Wörtern die auf -er enden wird das E ganz kurz oder überhaupt nicht gesprochen. So wird Fuider zu Fudr, Maler zu Moilr oder Muitter zu Muttr. Wobei das I auch verschwand.

Wörter wurden auch eingedeutscht so wurde Chaussee zu Schossee, Chaise wurde Scheese, Pelerine sprach man für Ömmhaangk. Rendezvous wurde zu Randewuh. Der Sinn beim letzteren änderte sich allerdings hierbei. Aus dem Rendez-vous - Stelldichein wurde also Randewuh - als gründliche Neuordnung eines Umfeldes.

In das Wörterbuch wurden teilweise mehrere Schreibweisen der Wörter aufgenommen.

Modewörter wurden oft nur kurzzeitig gebraucht. Zierfickel für eingebildete Person, Nasefoherrad für Brille oder Maggikrauit für Liebstöckel. Sie fanden keinen Eingang in das Wörterbuch.

In der Arbeitsgruppe des Stadtarchivs haben wir viele Wörter und auch Redewendungen zusammengetragen und uns auch auf die bereits genannte Schreibweise geeinigt. Diese Sammlung ist nicht endgültig und die Schreib- und Sprechweise sind keine verbindlichen Rechtschreibregeln.

In einigen Geschichten habe ich versucht einige Ereignisse im Leben in die Jahre nach dem II. Weltkrieg gelegt. Dabei habe ich versucht soviel wie möglich den gesammelten Wortschatz einzubeziehen. Einige Tätigkeiten die nach dem Zweiten Weltkrieg noch üblich, erforderlich und notwendig waren um zu überleben habe ich beschrieben.

In der damaligen Zeit wurde damals noch in sehr vielen Familien im Dialekt gesprochen. Vieles mag derb klingen aber es war der wirkliche Umgangston in den Familien. Oft war es nicht so gemeint, wie man es sprach, Raidsviehe oder Blödmuh waren Schimpfworte, aber auch gleich ein gutgemeinter Hinweis darauf, dass man eine Dummheit gemacht hat.

Es gab sogar Kinder von Umsiedlern die nach 1947 innerhalb kurzer Zeit im Umgang mit uns als Schulkameraden genauso sprachen wie wir.