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Stadt Anzeiger
Ausgabe 23/2024
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Kirchliche Nachrichten

Der Turm der Kirche Zella St. Blasii im Oktober 2024 Foto: HJK

Kirche Zella St. Blasii Alfred Barthelmes 1858 Kupferstich

Der Turm der Kirche Zella St. Blasii im Oktober 2024 Foto: HJK

Das ist doch ein Grund zum Feiern.

Der Bau der neuen Kirche von 1763-1774

Wir finden Berichte darüber in der Kirchenchronik von Zella St. Blasii ab S. 25 ff., in der Chronik von Theodor Buddeus ab S. 34, und von Johann Vitus Bößel in dem Nachrichts= und Meister=Buch für das Büchsenschäfter= und Tischler=Handwerk in Zella St. Blasii (mit den Muthungen nach dem Brand 1763 bis 1862). Ab Januar 1774 hat dann der Büchsenschäftermeister Johann Ernst Schramm, Sen. „diesen Aufsatz zusammengetragen.

Als der Brand 1762 in Zella St. Blasii geschah, tobte von 1756 bis 1763 der Siebenjährige Krieg. Johann Vitus Bösel hat darüber nur ein paar nüchterne Daten mitgeteilt.

Über die Zeit bis zum Aufbau der neuen Kirche berichtet er für das Jahr 1762 auf S. 19 f. weiter: „Wie Zella abgebrannt ist von der Nachbarschaft viel Brod auch Bier u. Brandwein beigeschafft worden, auch Semmel u. Fleisch vor die Kranken, wo das Maas Korn 48 bz gekostet....

1762 Den 14 Julius ist das Brauhauß aufgerichtet worden das jetzige Rath= und Wirthshauß, das alte Rathhaus ist noch nicht wieder aufgebaut.

Da die Kirche auch zerstört war, wurde der Gottesdienst in der renovierungsbedürftigen Gottesackerkirche gefeiert. Dies war aber auf die Dauer keine Lösung, „da aber die Kirche, wie der Amtmann Manso an das Oberkonsistorium berichtete, jeden Tag dem Einsturz drohte und sich sogar am 1. Januar 1766 so bedrohlich geneigt hatte, daß sie von allen Seiten gestützt werden mußte, so beschloß der Stadtrat“ den Kirchenbau energisch anzugehen.

Ursprünglich wollte die Gemeinde Zella St. Blasii ihre Kirche auf den Grundmauern der abgebrannten alten Kirche wieder aufbauen. Sie hatten dabei die 1731-1741 neu gebaute Kirche in Mehlis vor Augen. Der Stadtrat wandte sich an das Oberkonsistorium um Rat. Dieses schickte den Herzoglich Gothaischen Baumeister Johann David Weidner (1721-1784) nach Zella St. Blasii. Er sah nach längeren Verhandlungen die Chance, hier ein neuzeitliches Baukonzept im spätbarocken Regentschaftsstil vorzustellen. Die 1774 geweihte Kirche St. Blasii wurde so eine Querhauskirche, wie sie Weidner schon durch die Michaeliskirche in Ohrdruf von 1754-1760 gebaut hatte. In Zella St. Blasii schlug er aber abgerundete Ecken vor.

Diese Bauform einer Querhaus oder Zentralkirche hatte sich als protestantische Predigtkirche im 18. Jahrhundert entwickelt. Die von 1726 bis 1743 erbaute Frauenkirche in Dresden mit ihrem kuppelüberwölbten Zentralbau ist wohl in Sachsen und Thüringen die größte Kirche dieser Bauform. Bekannt aber ist die 1776 bis 1779 erbaute Kirche von Seifen im Erzgebirge, die in den adventlichen und weihnachtlichen Tagen als Kirche ihren Platz auf den Weihnachtspyramiden gefunden hat.

In unserer Nähe finden wir die von 1719-1723 gebaute imposante Stadtkirche von Waltershausen „Zur Gotteshilfe“. Sie war der erste und größte Zentralkirchenbau in Thüringen und gilt sogar als Vorläufer der Dresdner Frauenkirche.

Die Längskirchen, wie auch die Magdalenenkirche in Mehlis, streben noch nach dem mittelalterlich theologischen Prinzip der Prozession der Priester durch die Gemeinde hindurch dem Allerheiligsten zu. Dieser Bereich war im Mittelalter der Gemeinde nicht zugänglich, sondern den Geistlichen vorbehalten. Schon seit der Reformation wurde die Gemeinde zum Heiligen Abendmahl an den Altar geführt, der Altar mit der Kanzel und dem Taufstein verbunden.

Im 18. Jahrhundert kam durch die Überlegungen des Architekturtheoretikers Leonhard Christoph Sturm für den protestantischen Zentralbau die Theorie auf, dass das Allerheiligste in die Nähe der Gemeinde gerückt werde. Dies ließ sich am Ehesten durch einen Querhausbau erfüllen, wie dies auch der Baumeister Johann David Weidner für die Gemeinde Zella St. Blasii vorschlug. Der Pfarrer sollte nicht mehr mit dem Rücken zur Gemeinde stehen und seine Gebete ohne Rücksicht auf die Gemeinde nur Gott zugewandt verrichten. Wir erkennen dieses Prinzip noch auf dem unten abgebildeten Kupferstich der Kirche St. Blasii von 1858. Der Pfarrer stand hinter dem Altar der Gemeinde zugewandt. Wir erkennen dies daran, dass das Kreuz und die Vasen auf dem Altar vorne stehen. Der Taufstein scheint hinter der Altarwand zu sein, da er nicht an der Seite des Altares steht und in dem hinteren Teil des Altares auf der rechten Seite eine Bank vorhanden ist. Durch die offenen Seitenportale sieht man auch die Treppe, die zur Kanzel führt. Damit ist gleich eine theologische Deutung der Himmelsleiter möglich, durch die Jacob im Traum die Engel Gottes auf die Erde herab kommen sah. Die zwei Säulen haben ihr Vorbild in den beiden runden Säulen mit den Kapitellen des Heiligtums in Jerusalem. Seit der Renovierung im Jahre 1938 steht über dem Schalldeckel der Kanzel das Dreieck als Symbol für die Dreieinigkeit Gottes mit dem Auge und den Strahlen der Sonne. Der Taufstein mit der Taufschale und der Altar wurden neu gestaltet. Den Taufstein holte man nach vorne. Er wurde neben den Altar aufgestellt. Die Seitenwände wurden geschlossen und hinter dem rechten Eingang eine Sakristei eingebaut.

Alle Gottesdienstbesucher sollten selbst von den weit entferntesten Plätzen aus die Predigt verstehen. So war die Kanzel mit ihrem Schalldeckel auch meist der akustisch beste Ort einer Kirche.

Doch schauen wir noch einmal auf die Zeit und das Leben der nun verarmten Menschen nach dem Brand am 14. Mai 1662 bis zum Kirchenbau und seiner Einweihung am 27. November 1774 zurück.

Nach dem Brand wurde zum Bau der Kirche eine Biersteuer erhoben und ab 1767 alle vierzehn Tage eine besondere Kollekte eingesammelt, um den eigenen Anteil der Stadtgemeinde an den Kosten für den Bau zu erhalten.

Johann Vitus Bößel berichtet bis zum Jahr 1773 in seinem Artikel im Nachrichts= und Meister=Buch für das Jahr 1765: „Unser Gotteshauß ist so lange wüste gelegen bis 1767....

Nach Ostern ist die alte Kirchmauer niedergerißen und der Anfang mit Grundgraben, durch Frohnen der Bürger ist verrichtet worden. Den 8ten Junius 1768 ist der Grundstein geleget worden, mit Ceremonien wie folget:

Nun wird die Grundsteinlegung ganz detailliert berichtet. Dies kann man auch bei Theodor Buddeus ab S. 36 ganz ausführlich nachlesen. Nun begann eine Aufbruchsstimmung. Man ging mit Freuden ans Werk. Im Spätherbst 1770 war das Kirchendach aufgezimmert und wurde behelfsmäßig mit Holzschindeln gedeckt, der untere Teil des Turmes war schon angebaut und enthielt die Treppen zu den Emporen. Doch die Freude dauerte nicht lange. Schon im Jahr 1770 verschlechterte sich die Situation im ganzen Land, denn es gab zwei Jahre hintereinander „in allen Provintzen“ eine schlechte Ernte durch starken Regen, sodass das Korn und die Kartoffeln schon auf dem Felde verdarben.

Johann Vitus Bößel berichtet ohne Hoffnung:

„Nun folgete hierauf eine sehr nahrlose Zeit, die Handwercker hatten keinen Verdienst, die Jugend suchte ihr Fortun (Glück Kö.) in fremden Ländern, dadurch wurde der Ort, welcher sich vormahls 2200 Seelen starck befandt, dermaßen zusammen geschmoltzen, daß er gegenwärtig nur noch 850 Seelen starck, und diese Anzahl gröstentheils in betagten Leuten weiblichen Geschlechts bestehet, und man vor Augen siehet, daß sich dieser Rest von Zeit zu Zeit jemehr und mehr vermindern, als vermehren möchte, und Zella … zur Wüsten einöde wird, dahern nicht die Göttl. Barmhertzigkeit, unserer in Gnaden gedencket, und wahrhaffte Zeiten erscheinen läßet, damit die Jugend hier bleiben, und sich mehren, und mehren kann, bey oberwehnte Nahrlosen und verdienstlosen Zeit, erschiene nun die außerordentliche Theuerung welche im Jahr Christi 1770 in Monat Juli da der Achtel Korn noch 13 bl(Batzen) gold (gutes Geld) anhub, und von Zeit zu Zeit bis auf 3 rthlr Reichsthaler) 12 gl(Groschen) stieg.“

Anmerkung:

(1 Reichstaler = 124 Kreuzer [1620];1 Groschen = 12 Pfennige = 24 Heller; 1 Batzen = 4 Kreuzer = 16 Pfennige = 32 Heller)

Er berichtet weiter:

„In diesem 1772stn Jahre sind viele Menschen hier verhungert, und hungers gestorben, viele haben sich durch eßung des gekochten Graßes ungesunde Leiber und den Todt zugezogen, auch sind viele an crassirender Seuche gestorben, der Anzahl der Verstorbenen in diesem Jahre erstreckte sich auf 162 in dem darauf folgenden 1773 Jahre nur auf 18 Persohnen.... dem Stadt Rath wurde zwar von Serennissimo auferleget, die Diaconatbesoldung zu Fortsetzung des Kirchbaues zu verwenden, wie weit man aber damit kommen werde, wird die Nachwelt beßer als wir beurteilen können, sindemahlen es nach unserm Augenmaaße damit sehr mißlich aussiehet, und den Anschein gewinnet, ob wollte uns unsern Gottes Acker Kirche zu groß werden,...“

Ab 1772/73 änderte sich das Leben wieder. Die Preise für Korn und Nahrungsmittel fielen wieder von 3 Thaler und 14 Batzen im Jahre 1771, bis dann das Achtel Korn am 22. Mai des Jahres 1773 wieder auf 13 ½ Batzen und der Weitzen auf 1 Thaler herunter gekommen war.

Ab Januar 1774 berichtet in dem Nachrichts- und Meister-Buch der Büchsenschäftermeister Johann Ernst Schramm, Senior bis zum Jahre 1826 weiter. Er schreibt:

„1774 nach Ostern dieses Jahres haben sie angefangen das Dach zu decken und inwendig daran gebaut und gekleibt und geweist. 14 Tage nach Pfingsten sind sie mit dem Dach zu decken fertig worden. Den 9ten Nov. sind die Fenster alle ankommen von Arnstadt und Molsdorf. Die Orgel aus der Gottesackerkirche rauf geschaft und in Gang gebracht....

Den 27 ten November am 1 ten Advent Sonntag ist das Gotteshauß, die jetzige Kirche eingeweihet worden....

Unsere damalige Herzogin hat einen silbernen Kelch und Hostienschachtel pp verehrt, auch hat der Herr Fabrikcommisarius Schübler einen silbernen Kelch, welcher vergoldet ist, verehrt, und der Herr Geleitspachter Joh. Georg Zapf hat die grose Bibel verehrt....

1777 auf Johanni d. 24 Juni, ist die alte Orgel aus der neuen Kirche ausgenommen und die neue angefangen zu bauen.... Der Kunsterfahrene Orgelmacher war H. Caspar Rommel, von Roßdorf, gebürtig, mit seinem Sohn, sind die Zeit wo sie dran gearbeitet, von Bürgern zu Bürgern einquartirt worden zum Tisch, wer sie nicht hat haben wollen, hat einen Ortsthaler Geld geben müßen vor einen Mann. Die Orgel ist fertig worden 1778. Und der Justitzstand auch fertig.“

...

Der Büchsenschäftermeister Johann Ernst Schramm, Senior berichtet nun über örtliche und großpolitische Ereignisse, die das Leben auch in diesen Jahren mit dem Bau der Kirche Zella St. Blasii verbindet.

„1787 Da brach in Frankreich eine Revolution aus, bis es endlich 1792 zum völligen Krieg kam, und Frankreich sich zu einer Republik bildete....

In den Jahren 1792 bis 1794 pp wie die Revolution in Frankreich war, da die deutschen Truppen am Rhein standen, da hatten wir hier gute Zeiten, unsere Fabriken konnten nicht genug Gewehr machen und das Geld auf Wagen hirher gebracht wurde -.

1800 ist die Hauptkirche alhier auswendig überzogen worden, die Tüncher waren die Gebrüder Petri aus Crawinckel...

Im Jahr 1812 wurde der Anfang gemacht mit dem Thurmbau, die Quadersteine wurden von Ebertshaußen beigeschaft und behauen, das endlich das Dach abgenommen war, und auf den kahlen Turm unter freien Himmel hielten d. 9 ten Julius 1813 die Bauarbeiter wo das Stockwerk aufgesetzt werden sollte, eine Bethstunde, wo viele Menschen Antheil daran nahmen,...

1813 zog er (Napoleon) wieder gegen die Preußen und Russen, den 7 ten April war hier auch ein Piket Franzosen, hielten eine kleine Zehrung - bei der Schießhütte.

Den 24 October kamen die ersten Preußen nach dieser grosen Schlacht hirher und nahmen die Herrschaftliche Casse in Empfang. Auch machten sie 80 Mann Gefangene, in und unter Mehlis.

Den 27 ten October 1813. wurde der Knopf auf den Thurm bevestiget, wo viele Menschen zuschaueten, (wo man auch das Kanonieren hörte, wie sich die Völker bei Eisenach schlugen) wo ein Stockwerck noch auf den schon stehenden Thurm gebauet, und noch einige Ausbeßerungen an der Kirche gemacht (wurden).

Zwischen den 27 und 28 ten October nachts wo die Ersten kamen, und bis den 31 ten October und noch im Monat November, war das grose Lager und die starke Einquartierung der Russen, Preußen und Oestreicher hier In Zella und Mehlis und dem russischen Kaiser Alexander I sein Hauptquartier war in Suhl,...“

Dies waren in dieser Zeit aufregende und umwälzende Ereignisse für Zella St. Blasii, Mehlis, für Thüringen und ganz Europa. Sie begleiteten den Brand und den Wiederaufbau der Stadt und der Kirche Zella St. Blasii. Diese Zeiten zerstörten Hoffnungen und Zukunft für viele Menschen. Dass die Bürger von Zella St. Blasii in diesen Zeiten solche trotzdem den Mut behielten, einen Neubau bewältigten und auf ihre Zukunft vertrauten, ist ein besonders großes Wunder. So waren der Kirchbau und die Kirche St. Blasii für viele Generationen Zellaer (und sicher auch der Mehliser) Bürger ein Zeichen der Hoffnung in ihrer schweren Zeit. Wenn nun durch die Beleuchtung unserer Kirche in den nebligen Wolken ein Engel erscheint, so möge er auch für kommende Generationen ein Zeichen der Hoffnung bleiben.

Im Namen der Kirchgemeinde Zella-Mehlis, Oberhof

Ihr Hans-Joachim Köhler, Oberpfarrer i.R.

Wie feiern an dem Wochenende zum 1. Advent den 250. Geburtstag unserer Kirche.

Dazu gibt es ein Festprogramm:

Am Freitag, den 22. Nov. um 17:00 Uhr Vortrag in der Zellaer Kirche „250 Jahre Kirchbau Zella St. Blasii“ die Geschichte des Baues dieses Kleinodes.

Am Samstag, den 30. Nov. wird dann der Posaunenchor um 18:00 Uhr in dieser Kirche ein Bläserkonzert mit anderen Posaunenchören der Region gestalten.

Und am Sonntag, den 1. Dezember feiern wir einen Festgottesdienst mit der Kantorei und dem Posaunenchor Zella-Mehlis. Im Gottesdienst wird unser Regionalbischof Tobias Schüfer predigen.