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Stadt Anzeiger
Ausgabe 3/2024
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Naturdenkmal wiederentdeckt ...

Herbert Goetze mit Karsten Knauth, dem Wirt der Regenberghütte.

Sonntagsspaziergang im Winter 2022 am Regenberg von Zella-Mehlis. „Hier, an der großen Regenbergschanze, bin ich früher Ski gefahren.“ „Was, wo, wie - war denn hier eine Schanze?“, fragte meine Frau interessiert.

Eine zuwachsende Waldschneise, mehr ist von der ehemaligen tollen Sprungschanze nicht zu sehen. Und wenn man sich umhört im Ort, auch bei älteren Bewohnern, weiß kaum einer davon - verschwunden und vergessen.

Wer sich jedoch die Mühe macht und den steilen Abhang hinauf klettert, wenn auch beschwerlich, steht plötzlich vor den Resten des Schanzentisches und ein Eisenpfeiler symbolisiert das Bodendenkmal - „Sprungschanzen Archiv“ steht auf einem kleinen Schild.

Hier ging man zum Anfang des Jahrhunderts mit Skiern auf Weitenjagd.

Zella-Mehlis, 550m ü.M. gelegen, war im letzten Jahrhundert ein schneesicherer Wintersportort. In Zella, wie auch in Mehlis hatten begeisterte Skifahrer verschiedene Wintersportvereine gegründet. 1924 schlossen sich die beiden Wintersportvereine aus Zella-Mehlis zusammen. Sportliche Erfolge sollten erzielt werden. Skibegeisterte schoben an den Hängen der umliegenden Berge Schnee zusammen, um dem Skispringen zu fröhnen.

1925 plante man gemeinsam den Bau einer größeren Schanze. Im Regenberg wurde man fündig, die Hanglage stimmte mit den Vorstellungen überein. Bereits im nächsten Jahr wurde der Bau der „Regenbergschanze“, wie sie heißen sollte, vollendet.

Am 9. Januar 1927 war es dann sowei. Im Rahmen der Gaumeisterschaften marschierten Skisportler und Gäste aus Zella-Mehlis und auch aus anderen Gemeinden der Umgung mit, buchstäblich Pauken und Trompeten, eine Musikkapelle zog dem Zug voran, in den Regenberg. Der „Weihesprung“ wurde vollzogen.

Man jubelte den mutigen Skispringern zu die sich über die Naturschanze in die Tiefe stürzten. Der weiteste Sprung dieser Meisterschaft wurde mit 30 Metern vermessen.

Durch ihre natürliche Hanglange bei Anlauf- und Aufsprunggelände erlaubte die Schanze auch weitere Sprünge.

Bereits 1930 wurde die Schanze umgebaut. Mit ihrem neuen K-Punkt von 45 Meter waren so Sprünge zwischen 50 und 60 Meter möglich. Die Kernmannschaft der deutschen Skispringer trainierte regelmäßig auf der Regenbergschanze. Schnell mauserte sie sich und wurde folglich von der Presse als eine der besten Sprungschanzen Thüringens bezeichnet. Auch nach dem Krieg, als das Skispringen wieder auflebte, wurde die Schanze wieder genutzt. Die Möglichkeiten waren damals begrenzt.

Der Skisprung entwickelte sich immer weiter, denn man wollte immer weiter springen. Das Ziel war es, den nordischen Skiländern auch auf der Schanze Paroli zu bieten.

Hans Renner, der bekannteste Skisprungtrainer dieser Zeit, entwickelte den Plan, die Regenbergschanze umzubauen, um Sprünge bis 100 Meter oder darüber hinaus auszuführen. Dafür werde der Ringweg, heute Hans-Renner-Weg, mit Brettern überdacht und mit Schnee belegt. Generell war das Skispringen hier sehr aufwendig. Der Anmarsch war lang und zeitraubend, dann musste das Gelände getreten werden, das heißt, der Neuschnee musste niedergetreten werden. Alles geschah durch die Muskelkraft der Sportler und ihrer Helfer.

Hans Renner plante für den Umbau sogar die Aufschüttung eines Gegenhanges, der mit dem Erdaushub neuer Gebäude aus der Stadt erfolgen sollte. Bei hohem Schnee konnten die Springer nach dem Sprung nicht ausschwingen und fuhren weit ins Tal hinunter, mussten dann aber auch wieder nach oben stapfen, was sehr aufwendig und kraftraubend war.

Leider scheiterte dieses Projekt, da der Eigentümer des benötigten Wiesengrundstücks dieses nicht an die Stadt verkaufen wollte. Dadurch verlagerte sich der Sprungbetrieb mehr und mehr in den Heinrichsbach und nach Oberhof. Nach und nach geriet die Regenbergschanze, die nicht mehr genutzt wurde, in Vergessenheit.

1954 machte jedoch die 400 Meter weiter liegende Schanze „Am schwarzen Hügel“ noch einmal von sich reden. Hans Renner, jetzt schon Nationaltrainer, hatte eine innovative Idee und kreierte die Sommerversion des Sprunglaufs. Er hatte die Plastesprungmatten erfunden, auf denen man zu jeder Jahreszeit springen konnte. Hier, von der kleineren Regenbergschanze, traten diese Matten, mit Springern aus Zella-Mehlis und Umgebung, den Siegeszug um die Welt an.

Als Skibegeisterte, wie viele Jugendliche ihrer Zeit, konnte ich noch in den 1960er Jahren hier am Regenberg den Ablauf der eins so bekannten großen Regenbergschanze hinunter fahren. Heute wächst diese Waldschneise ebenfalls langsam zu und kaum einer sieht oder weiß noch davon. Die sollte jedoch nicht sein. Tolle Sportler haben hier ihr Können gezeigt.

Dieter Weiß, einer der ältesten und sehr aktiven Skisportler von Zella-Mehlis, der die Erinnerung hochhält, kann sich noch gut an die große Zeit des Springens erinnern und besitzt so manches historische Dokument darüber.

Es ist wichtig, denke ich, dass die Anfänge unserer Skispringer, die zu großen Erfolgen bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften führten, nicht vergessen werden und auch nicht die Wettkampfstätten, auf denen der Grundstein dafür gelegt wurde.

De groes Räbarigkschanz

Im Roopbaehrsgkstall bu Mehls u Zell

do gits im Räbarigk a guit Stell

bu inner Schneis, tief denn im Waeld

im Wainter mit Schi gespronge wor.

Im nünntzesiebnezwäntzgke (1927) Jahr

hot ma sich umgeschaut

in Räbarigk a Schisprongschänzle nei gebaut.

Dr Haang wor guit, de Spröng wor’n wait,

de Räbarigkschanz, de stun berait.

Un baans im Wainter hot geschnait

stunne de Jonge mit de Schi berait,

se flooche bie de Vögel glei,

bie Adler in de Lüüfte frai.

Der Schtaalz un Daank is heut den Mannen,

die hier mit Schi in de Weltspitz sprangen.

Dazu is ons de Ehrong wert

dr groise Schanz am Räbarigk.

Herbert Goetze