Seit den letzten Beiratswahlen ist Abdirahman Khadar Mitglied im Beirat für Migration und Integration der Stadt Ingelheim. In dieser Funktion setzt er sich ehrenamtlich für ein gutes Miteinander der Menschen in Ingelheim ein. Der 28-Jährige ist in Somalia geboren und lebt mit seiner Familie in Ingelheim. Aufgewachsen ist er in einem Land, in dem Krieg und Terror allgegenwärtig waren. Seine Kindheit in Somalia war geprägt von der Angst vor der islamistischen Terrormiliz al Shabaab, die Kinder entführt und als Kämpfer für ihre Ziele rekrutiert. Einmal, erzählt Abdirahman Khadar, sei er von der Miliz entführt worden. Zum Glück konnte er wieder entkommen. Für seine Familie indes war dies ein Schlüsselerlebnis. Sein Vater habe ihm daraufhin gesagt, er müsse seine Heimat verlassen.
Der Vater, erzählt Abdirahman Khadar, lebe nicht mehr. Er wurde von der Terrormiliz ermordet, nachdem sein Sohn geflüchtet war. 14 oder 15 sei er gewesen, als er sich zunächst in Richtung Äthiopien auf den Weg machte. „Ich war zum ersten Mal ganz allein und hatte große Angst“, berichtet er. „Ich wollte nur überleben.“ Über Äthiopien und den Sudan begann für ihn eine abenteuerliche Flucht, auf der er immer wieder Gewalterfahrungen machte und Todesangst erlebte. In einem Plastikboot mit 18 Menschen an Bord ging es für ihn schließlich von Tripolis aus übers Mittelmeer.
Dass er es am Ende bis nach Ingelheim schaffte, grenzt für ihn an ein Wunder. Ohne Geld war er Schleppern in der Wüste hilflos ausgeliefert. Vier Wochen lang musste er mit einer Flüchtlingsgruppe in der Sahara campieren - in ständiger Angst und Ungewissheit. Glück hatte er auch, dass ihm die Flucht aus einem Gefängnis gelang, wo er unter katastrophalen Zuständen inhaftiert war. Mehrmals wurde der Jugendliche auf der Flucht mit dem Tode bedroht.
Inzwischen lebt Abdirahman Khadar seit neun Jahren in Ingelheim. Er ist verheiratet, hat drei kleine Kinder (sieben, fünf und zwei Jahre alt) und einen Job in Heidesheim. Dass er in Deutschland ein neues Leben beginnen konnte, ist für ihn ein Geschenk. „Ich habe die Möglichkeit bekommen, zu lernen und mir ein Leben aufzubauen“, sagt der 28-Jährige. „Das ist eine große Chance.“ Mit seinem Engagement im Beirat für Migration und Integration will der er der Gesellschaft etwas zurückgeben, wie er sagt. Unter anderem unterstützt er andere Menschen, die aus ihrer Heimat geflüchtet sind, bei der Integration. Nach seiner Ankunft in Deutschland habe er aufgrund seiner Sprachkenntnisse unter anderem im Aufnahmelager als Dolmetscher gearbeitet. „Ich versuche, den Leuten zu helfen“, erklärt Abdirahman Khadar. Er selbst würde sich gerne beruflich weiterbilden. In den vergangenen Jahren hat der 28-Jährige verschiedene Praktika gemacht. Aktuell ist er auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz im Bereich Chemie oder IT.
Kein Verständnis hat Abdirahman Khadar für Menschen, die in ihrem Gastland gewalttätig werden und Terror verbreiten. „Ich kann nicht verstehen, was sie tun“, sagt er. „Die Religion sagt, du sollst nicht töten und alle Menschen respektieren. Das hat uns schon mein Vater beigebracht.“