Am Sonntag begehen wir den Volkstrauertag – einen Tag des stillen Gedenkens, der Erinnerung und der Mahnung.
Er wurde im Jahr 1922 vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge eingeführt, um an die Opfer des Ersten Weltkrieges zu erinnern. Schon damals war er Ausdruck des Schmerzes über Millionen Gefallene, über zerstörte Leben, Familien und Hoffnungen.
Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde dieser Gedenktag seiner eigentlichen Bedeutung beraubt. Statt des stillen Erinnerns an Leid und Verlust, dominierten martialische Reden und militärische Symbolik. Der Tag wurde zur Propaganda missbraucht, um Krieg und Heldentum zu verherrlichen. Eine Pervertierung des eigentlichen Gedankens.
Nach dem Zweiten Weltkrieg, angesichts unermesslichen Leids und Millionen weiterer Toter, wurde der Volkstrauertag neu gefasst. Fortan gedachte man nicht nur der gefallenen Soldaten, sondern auch der zahllosen zivilen Opfer, der Opfer des Nationalsozialismus, der Menschen, die durch Krieg, Vertreibung und Gewalt ihr Leben verloren haben.
Im Laufe der Jahrzehnte hat sich der Charakter dieses Tages gewandelt.
Da die Menschen, die Krieg und Nachkriegszeit noch selbst erlebt haben, immer weniger werden, ist auch die persönliche Erinnerung an diese Zeit seltener geworden. Für viele Menschen scheint der Volkstrauertag an Bedeutung verloren zu haben.
Und doch, heute ist er aktueller denn je.
Denn der Blick auf die Welt um uns herum zeigt, wie zerbrechlich Frieden ist.
Die Bilder aus der Ukraine, aus Israel und Gaza, und aus vielen anderen Regionen dieser Erde führen uns tagtäglich vor Augen, welche Grauen und Schrecken Kriege mit sich bringen.
Wieder sind es nicht nur Soldaten, die leiden und sterben, sondern vor allem Kinder, Frauen und Alte; unschuldige Menschen, die gezielt Opfer von Gewalt und Hass werden.
Die Auswirkungen dieser Konflikte spüren wir auch hier, mitten in unserem Alltag.
In der Unsicherheit um den Arbeitsplatz, in den steigenden Preisen, in Existenzängsten.
Wir erleben Hass im Internet, Spaltung in der Gesellschaft und zunehmende Verrohung in Sprache und Denken. All das sind Schatten, die Kriege und Krisen werfen, weit über ihre eigentlichen Grenzen hinaus.
Darum ist dieser Tag mehr als nur ein Blick zurück.
Er ist ein Aufruf, ein Appell an uns alle:
Tun wir alles, um den Anfängen zu wehren.
Setzen wir uns besonnen und entschlossen für ein friedliches Miteinander ein.
Machen wir uns Hass und Hetze, in welcher Form auch immer, nicht zu eigen, sondern stellen wir uns ihnen entgegen.
Lassen wir uns leiten von Mitmenschlichkeit, Respekt und Verantwortung.
Nur so kann aus dem Gedenken am Volkstrauertag mehr werden als Erinnerung,
nämlich eine Verpflichtung für die Zukunft: Nie wieder Krieg. Nie wieder Hass.