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Friedrichsthal Aktuell
Ausgabe 31/2022
Aus Vereinen und Verbänden
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IGBCE Ortsgruppe Friedrichsthal/Bildstock informiert

Teil 2

Wir saßen damals im ältesten Gewerkschaftshaus Deutschlands; im Rechtsschutzsaal in Bildstock. Günter berichtete mir von einer neuen Zeit; einer Zeit in der es schwer wird, Ortsgruppen zu erhalten. Mir wurde langsam klar was er meinte. In diesem Haus steckt die Seele unserer Gewerkschaft.

Man kann versuchen den Rechtsschutzsaal zu erhalten; das ist sicher gut und wichtig. Was aber ist, wenn die Ortsgruppen alle nacheinander abbröckeln? Dann stirbt die Seele und zurück bleibt nur ein Denkmal, dessen Geschichte kaum noch jemand kennt.

Es ist eine Erinnerung an eine Zeit, in der noch mit Verbitterung und Tränen gekämpft wurde. Während Günter mir von seinem – und dem Kampf anderer Ortsgruppen - berichtete, sah ich das Gemäuer, und mir war klar wie viel Energie, Willen und Entschlossenheit in diesem Bau steckt. Und mir wurde auch klar, dass wir nicht diejenigen sein dürfen, die das Erbe des Nikolaus Warken kampflos aufgeben dürfen. Nun wusste ich was Günter meinte.

Was Günter in seinen vielen Jahren als Gewerkschaftsmitglied erlebte, war eine Wandlung einer stark pulsierend aktiven Zeit, zu einem einsamen Kampf einiger weniger alten Kämpfer. Und diese „alten Kämpfer“ wurden immer weniger und teilweise auch immer gebrechlicher.

Ich unterhielt mich mit Günter, der für seinen einsamen Kampf Leute suchte, die bereit waren ihn zu unterstützen.

Und ich wusste was dieser Moment für eine historische Bedeutung hatte. Ich sah in eine Ecke des Saales und dachte; vielleicht sitzt in dieser Ecke einer der ersten Steine, die Warkens Leute gemauert hatten. Wir sitzen nun hier und sehen zu, wie die Seele dieses Hauses stirbt. Man kann das Haus erhalten, aber mit den Ortsgruppen stirbt das Erbe Warkens und die Seele des Rechtsschutzsaales.

Ich verstand nun, was Hofmann – und andere Vorsitzende - für einsame Kämpfe führen. Ich beschloss ihn zu unterstützen. Am 14.06.2012 wurde ich mit 56 Jahren Mitglied im neuen Vorstand der Ortsgruppe. Und wieder waren wir eine „Garde der Alten“. Nur ein Mitglied hat gerade mal die 30 überschritten. Und ich verstand immer besser, was die „alte Garde“ da für Kämpfe führen. Und ich war traurig, dass nicht mehr Leute zur Wahl gekommen waren.

Aber die Ansprüche sind immer groß. Die Geschenke müssen fließen.

Wir haben alle vom langen Kampf unserer Väter profitiert. Urlaub, bessere Arbeitsbedingungen, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall usw. All diese Errungenschaften waren für uns selbstverständlich, und wir lebten wie selbstverständlich damit. Aber diese Errungenschaften waren bitter erkämpft. Auch, und insbesondere von der Gewerkschaft. Wissen wir das zu würdigen?

Den Wert einer Selbstverständlichkeit erkennt man erst dann, wenn sie nicht mehr selbstverständlich ist.

Wir haben heute Mühe, das alles zu erhalten. Das muss uns klar sein. Denn nicht nur die alte Garde wird immer älter, gebrechlicher und stirbt gar weg; nein, ich erfahre bei meinen Gesprächen mit ehemaligen Kollegen immer wieder, dass sie die Gewerkschaft verlassen wollen, wenn sie im Ruhestand sind.

Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan? Aber man zahlt seinen Beitrag noch so lange, bis man die nächste Jubilaruhr hat; wenn es nicht mehr so lange dauert. Nein, so können wir nicht denken.

Wenn ich zurückdenke an die alte Gewerkschaftszeit, erinnere ich mich an Sicherheit, an Arbeitskämpfe, an Tarifverhandlungen, an Regelungen nach Stilllegungen von Bergwerken, und an Vorruhestandregelungen. Die Leute, die aus der Gewerkschaft austreten wollen weil sie im Ruhestand sind, haben dieser Gewerkschaft viel zu verdanken. Solche „Selbstverständlichkeiten“ gibt es heute nicht mehr.

Darum sind die Tätigkeiten der letzten Kämpfer so wichtig.

Und genau darum stimmt es mich so traurig, wenn ich immer wieder die Frage lese, wann es Geschenke gibt.

Ich bin und war niemals in der Gewerkschaft, weil es in der Weihnachtszeit einen Flaschenöffner als Geschenk gibt.

Man kann auch mal anderer Meinung sein, als die Gewerkschaften es vorgeben. Aber das ist kein Grund um „den Laden“ zu verlassen und das in Facebook groß und breit zu verkünden.

Eine Mark und zwei Backsteine sollte jeder Bergarbeiter stiften um das älteste deutsche Gewerkschaftsgebäude in Bildstock zu errichten. 20.000 Menschen traten damals dem Rechtsschutz-Verein bei. Der Grundstein wurde 1891 glegt.

Und heute fragen Leute, die nie in ihrer Ortsgruppe tätig waren, was es denn für Weihnachts- Geburtstags- oder Jubilargeschenke gibt.

Ich bin darüber traurig; sehr traurig.

Glück Auf

Rüdiger Janson, Vorstandsmitglied IGBCE der Ortsgruppe Friedrichsthal/Bildstock