Das Gedicht „De arme Patient“ der pfälzischen Autorin Anneliese Vetter ist Mundarttext im Oktober 2023, darauf hat sich das Kolloquium der Bosener Gruppe verständigt. Der Text wurde ausgesucht, so Karin Klee, Autorin und Sprecherin der Gruppe, weil die Beobachtungen darin zeitlos zutreffend und damit brandaktuell sind. Dazu schreibt der Autor und Sprecher der Bosener Gruppe Peter Eckert:
Im Jahr 2023 mag leicht überraschen, dass dieses Gedicht nicht etwa in unseren Tagen entstand, sondern vor knapp drei Jahrzehnten beim Pfälzischen Mundartdichterwettstreit ausgezeichnet wurde. Einziges „außermedizinisches“ Indiz zum Alter: Statt in zerschlissenes Papier vertieft man sich heute oft ins eigene Smartphone. Aber sonst? Alles schon mal da gewesen! Also: „Selbsterklärend“, auch ohne die abgedroschene Formel, Humor sei, wenn man trotzdem lache, zumal in diesem Zusammenhang eher ein gemilderter Galgenhumor gefragt wäre.
Er hots mit‘m Maache,
kann nix meh vertraaehe.
Drum hockt er
beim Dokter
de arme Patient
un schennt.
Denn s Wartezimmer
is voll wie immer!
Er lest llluschtrierte
total rambonierte,
verblembert die Zeit.
Dann isses soweit.
Er derf nei zum Dokter
un do hockt er,
kriet Blut abgezappt,
Plaschter gebabbt,
kummt in e Kabin,
dann anne Maschin,
werd ultrabeschallt,
röntgebeschtrahlt,
gedreht un gewendt,
de arme Patient.
Un jetz hockt er
vorm Dokter
un seller meent
schliesslich am End:
‘s is net so dramatisch,
meh psychosomatisch.
Sie gängte halt besser
zu me Professer
fer Neirologie.
Ich iwerweis Sie dohi.
Un vun jetz ab hockt er
beim Professer-Dokter
de arme Patient
un schennt,
weils Wartezimer
voll is wie immer.
Er werd unnersucht,
computerverbucht,
doch trotz Professer
gehts em net besser.