Interview mit Dr. med. Dorothe Schmiedel zur Thematik Schließung der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe im Marienhaus Klinikum im Kreis Ahrweiler
Frau Dr. Schmiedel, könnten Sie sich bitte kurz vorstellen. Was verbindet Sie mit der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe im Marienhaus Klinikum im Kreis Ahrweiler?
Die Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe war von 1988 bis 2013 über 20 Jahre mein Arbeitsplatz, ich habe dort 1988 meine Facharztausbildung begonnen und 1997 dort auch abgeschlossen.
Wie haben Sie das Personalmanagement während Ihrer Beschäftigung dort erlebt?
Es war, was das Nachbesetzen freier Stellen anging, immer schwierig, nicht etwa, weil keine Kollegen zu finden gewesen wären, sondern es wurde aus Kostengründen so lange wie möglich hinausgezögert.
Wie wurde trotz der sehr dünnen Personaldecke die Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe am Laufen gehalten?
Seitens der Geschäftsführung wurde all die Jahre auf die Solidarität der Mitarbeiter im ärztlichen, pflegerischen wie auch Hebammen-Bereich gesetzt. Es wurde gnadenlos ausgenutzt, dass viele Mitarbeiter sich mit „ihrem“ Krankenhaus identifizierten und komme, was da wolle, den „Laden“ am Laufen hielten. Man fühlte sich den Patienten verpflichtet.
Was führte in der aktuellen Situation Ihrer Meinung nach zum Kollaps der Abteilung?
Es war der Geschäftsführung wie auch dem Träger hinreichend bekannt, dass in 2022 der Chefarzt und ein Oberarzt in den Ruhestand gehen. Es wurde, wie immer, so lange nichts getan, bis man ein Tätigwerden nicht mehr verhindern konnte und „gezwungenermaßen“ tätig werden musste um zumindest den Schein nach außen zu wahren. Anfang 2022 wurden dann tatsächlich ganze vier Monate vor Ultimo werbe- und öffentlichkeitswirksam die Stellen ausgeschrieben. Jedem, der die Abteilung und die personellen Strukturen kennt, muss klar gewesen sein, dass es zeitlich knapp wird qualifizierte Nachfolger zu finden. Nicht, weil es keine qualifizierten Nachfolger auf dem Markt gibt, sondern weil es keine qualifizierten Nachfolger gibt, die bereit sind /waren, sich seitens der Marienhaus GmbH ausbeuten zu lassen. In keiner anderen Abteilung des Klinikums wird vom Chefarzt oder auch Oberarzt/Oberärztin verlangt 10 bis 15 Hintergrund-/Rufdienste zumachen, die zudem auch noch schlecht bis gar nicht entlohnt werden. Diese Dienste, egal wie lange der Hintergrunddienst in der Nacht z.B. im Kreißsaal verbracht hat, enden auch nicht, wie im Assistenzarztbereich morgens um 8:00 Uhr nach der Besprechung, sondern gehen „munter“ weiter, oft genug auch über 16:00 Uhr des Folgetages hinaus. Ein solches Ansinnen hat vermutlich einige Bewerber, wen wundert’s, doch etwas irritiert und von einer Zusage abgehalten.
Was hätte Ihrer Meinung nach in der aktuellen Situation getan werden müssen um das Aus der Abteilung abzuwenden?
Hätte man, seitens des Trägers, „menschenwürdige“ Arbeitsbedingungen geschaffen, ich bin sicher, man hätte die Stellen mit qualifizierten Nachfolgern nachbesetzen können. Aber das war offensichtlich nicht gewollt. Die Stellen wurden dann mit offensichtlich nicht ausreichend qualifizierten Ärzten besetzt, die dann in der Probezeit wieder „gegangen werden mussten“.
In meinen Augen ein menschenunwürdiger Umgang mit den langjährigen Mitarbeitern der Abteilung eines Trägers, der sein christliches Leitbild immer und überall betont und in den Vordergrund stellt. Aber das christliche Leitbild des Trägers galt schon immer nur für die Mitarbeiter und nie für den Träger.
Wurde die Schließung demnach Ihrer Einschätzung nach forciert und wenn ja, warum?
Ich gehe davon aus, dass ab Mitte 2021 die Schließung der Abteilung ganz oben auf der Prioritätenliste der Marienhaus GmbH stand. Trotz des scheinheiligen Deckmäntelchen „Seht her, wir haben uns bemüht und alles getan um die Abteilung zu halten“ war, in meinen Augen, die Schließung von langer Hand aus Rentabilitätsgründen geplant.
Ja, es stimmt, eine Geburtshilfe mit weniger als 700-800 Geburten rechnet sich nicht und ist finanziell für alle Kliniken ein Zuschussbetrieb und das nicht erst seit der Einführung des Fallpauschalensystems 2003.
Als Beispiel: Die personellen Vorhaltekosten in der Geburtshilfe sind hoch, es braucht ja nicht nur den Assistenzarzt + Hintergrunddienst + Hebamme. Es braucht eine Anästhesie-Abteilung und ein OP-Team in unmittelbarer Nähe zum Kreißsaal und auch aus diesen Abteilungen müssen z.B. für einen Kaiserschnitt, außerhalb der normalen Arbeitszeit, weitere Mitarbeiter in die Klinik gerufen werden. In großen Kliniken sind diese Abteilungen vor Ort doppelt und unter Umständen dreifach besetzt. Eine normale Geburt hat einer Klinik schon immer weniger Erlös eingebracht als z. B. eine Kaiserschnitt-Geburt. Mit Einführung der Fallpauschalen als Abrechnungssystem (kurz gesagt: Abrechnung nach Fall-Schwere – operative Fälle „wiegen“ in der Abrechnung schwerer als konservativ behandelte Fälle) hat es bundesweit einen Anstieg der Kaiserschnittrate gegeben, weil dieser für eine Klinik lukrativer war / ist.
Sehen Sie noch eine Chance um die Abteilung zu retten?
Nicht wirklich. Jetzt gibt es eine Welle der Entrüstung, die Politik schaltet sich ein – kenne ich irgendwo her – nämlich, als die Geburtshilfe in Adenau geschlossen wurde, ähnlicher Verlauf, gleiches Ergebnis. Die Marienhaus GmbH wird die Schließung nicht rückgängig machen, sie wird, wie seinerzeit in Adenau, die Sache aussitzen.
Welche weitreichenden Folgen hat die Schließung der Abteilung für die medizinische Versorgung der Frauen im Kreis Ahrweiler?
Hier wurde eine sehr gute, familien- und babyfreundliche Geburtshilfe geleistet: Ich habe 1995 hier meinen Sohn zur Welt gebracht, obwohl ich damals im Kreis Unna wohnte, einfach aus dem Wissen heraus, dass ich hier alle Unterstützung erhalten werde und meinem Sohne der menschenmöglich beste Start ins Leben ermöglicht werden wird.
Das Schlimme ist, in Bad Neuenahr hängt ja nicht nur die Geburtshilfe dran, sondern auch das viele Male erfolgreich ( re- ) zertifizierte Brustzentrum. Es ist davon auszugehen, dass der Verlust des Brustzentrums die engagierten Mitarbeiter wie auch die Menschen im Kreis Ahrweiler hart und schmerzlich trifft. Wenn ich an Brustkrebs erkrankt wäre, dann wäre für mich nur das Brustzentrum im Marienhaus Klinikum als Behandler in Betracht gekommen. Da jedes Jahr, statistisch gesehen, jede 7-8 Frau an einem Mammakarzinom erkrankt, können Sie jetzt ausrechnen, wie vielen Frauen zukünftig hier im Ahrtal diese wohnortnahe, stets jeder einzelnen Frau individuell zugewandte, hochprofessionelle Behandlung hier verloren geht. Es ist einfach nur traurig und es macht mich unfassbar wütend, wie die Mitarbeiter und die Menschen im Kreis Ahrweiler seitens eines christlichen Trägers behandelt und im Stich gelassen werden.
Ich bedanke mich bei allen Kollegen und Kolleginnen, insbesondere aber bei den Hebammen für die langjährige gute Zusammenarbeit. Ich habe immer gerne mit euch gearbeitet.