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Grafschafter Zeitung
Ausgabe 23/2025
Kinder- und Jugendbüro
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Die wundersame Tamar Dreifuss

Tama Dreifuss inmitten der aufmerksamen und wissbegierigen SchülerInnen

Zeitzeugengespräch im Are Gymnasium

GRAFSCHAFT-RINGEN. In einer Kooperation zwischen dem Kinder- und Jugendbüro der Gemeinde Grafschaft und dem Are Gymnasium ist es gelungen, rund 60 Schülerinnen und Schüler mit der Zeitzeugin Tamar Dreifuss zusammenzubringen.

In der Bibliothek des Are Gymnasiums war es sehr schnell still, als Jugendpflegerin Tina mit Tamar zur Türe hineinkam.

Tamar Dreifuss wurde 1938 in Wilna geboren. Vor dem zweiten Weltkrieg lebten dort 80.000 Juden, etwa ein Drittel der Bevölkerung. Deshalb wurde die Stadt auch als „Jerusalem Litauens“ bezeichnet.

Nach dem Beginn des Krieges 1939 wurde Tamars Familie gezwungen, ihre Wohnung in Wilna zu verlassen. Sie fanden Unterkunft in Ponar, einem nahe gelegenen Ort. Hier wurden sie ein Jahr später, nach dem Einmarsch der Deutschen, Zeugen von Massenerschießungen. Zu den Opfern gehörte auch Tamars Großmutter.

Später gelangte die Familie auf schwierigen Wegen in das neugeschaffene Ghetto von Wilna und versuchte dort zu überleben. Im September 1943 sah Tamar ihren Vater, Jascha Schapiro, zum letzten Mal. Gemeinsam mit ihrer Mutter wurde sie in einem Viehwaggon in das Durchgangslager Tauroggen deportiert. Wie durch ein Wunder konnte Jetta Schapiro mit ihrer Tochter fliehen: Nach einer angeordneten Gemeinschaftsdusche besorgte sie für sich und Tamar ordentliche Kleidung und passierte mit dem Kind an der Hand selbstbewusst den diensthabenden Wachmann, als seien sie nur Besucherinnen gewesen.

Nach der geglückten Flucht brachte die Mutter sich und ihre Tochter als Arbeiterin auf Bauernhöfen durch. Dabei lebte sie in ständiger Angst, als Jüdin erkannt zu werden. Am 13. Juli 1944 wurde Wilna durch die Rote Armee befreit. Tamar und ihre Mutter kehrten dorthin zurück und erfuhren, dass der Vater im KZ ermordet worden war.

Diese Geschichte, die Geschichte der kleinen Tamar, erzählte die 87 – Jährige Dame den Anwesenden sehr detailliert. Sichtlich ergriffen hörten die Schülerinnen und Schüler aufmerksam zu und stellten im Anschluss viele Fragen an Tamar Dreifuss.

„Ein Zeitzeugengespräch dient dazu, lebendige Einblicke in die Vergangenheit zu gewinnen“, so Jugendpflegerin Tina, „und dies ist uns heute in beachtlicher Weise gelungen!“

Tamars Aufruf sich für die Demokratie einzusetzen und sich als Einheit zu zeigen, die keine Diskriminierung zulässt, unterstrich sie mit den Worten: „Es kann jederzeit wieder passieren!“

Zum Abschluss sagen alle gemeinsam das Lied: Hevenu schalom alejchem. Mit diesem Song beendet Tamar Dreifuss alle ihre Vorträge.

Ein ergreifendes Ende eines ereignisreichen Vormittages.