Auch am Montag war noch Betrieb auf der Baustelle.
GRAFSCHAFT. TW. Die Wogen über die Bautätigkeit der Leonhard Weiss Gruppe im Auftrag der Deutschen Bahn AG nahe Vettelhoven schlagen hohe Wellen. Dort soll inmitten der Feldflur beidseitig der Landesstraße L83 auf einer Gesamtfläche von 3,5 Hektar ein Werk für Baumaterial zum Wiederaufbau der Ahrtalbahn entstehen. Genaues ist aber auch gut eine Woche nach Beginn der Arbeiten nicht bekannt. Weder räumlicher noch temporärer Umfang der Maßnahme noch Art und Weise des Werks und schon gar nicht der Umgang mit der Natur drumherum wurden bislang kommuniziert.
Am Sonntagmorgen hatten sich die CDU-Ortsvorsteher der umliegenden Ortschaften Vettelhoven (Dr. Franz-Josef Schneider), Gelsdorf (Andreas Ackermann) und Eckendorf (Johannes Jung) mit dem Fraktionsvorsitzenden der Christdemokraten im Grafschafter Gemeinderat, Marcel Werner, an der Baustelle getroffen. Was dort genau entstehen soll, ist weiter nicht ganz klar. Die ihnen vorliegenden Informationen rührten aus vielen Teilinformationen ohne offizielle Bestätigung, so die CDU-Kommunalpolitiker, die sich vor Ort einen Eindruck vom Stand der Dinge verschaffen wollten. Für die Christdemokraten stoße der massive Eingriff im Außenbereich zuerst einmal auf völliges Unverständnis, weil er ohne jegliche Abstimmung mit der Gemeinde Grafschaft und dem Kreis Ahrweiler als Bauordnungs- und Umweltbehörde vorgenommen wurde, betonten sie. „Fragen des Starkregenschutzes, der Verdichtung und Versiegelung des Bodens, der Grundwassergefährdung, der Inanspruchnahme gemeindlicher Wirtschaftswege sowie vor allem Emissionsschutzfragen stehen ungeklärt im Raum. Auch die Fragen der Versorgung eines möglichen Betriebsgeländes im Bereich Wasser, Abwasser und Strom scheinen ungeklärt“, führten die CDU-Vertreter weiter aus.
Mit Blick auf die betroffenen Ortslagen der oberen Grafschaft seien vor allem zuerst einmal nach Meinung der drei Ortsvorsteher die Fragen der Lärm-, Staub- und Verkehrsbelastung zu erörtern. Es müssten hier massive Beeinträchtigungen befürchtet werden. Man habe in der Gemeinde Grafschaft seit zwei Jahren gerne umfangreiche Hilfsleistungen für die Behebung der Flutfolgen erbracht. Daher reagiere man seitens der CDU mit Unverständnis, dass eine solche große Baumaßnahme nicht im Einvernehmen mit der Gemeinde Grafschaft angegangen werde. „Nur ein sofortiger Baustopp kann verhindern, dass dieses Vorhaben weiter betrieben wird“, fordert die CDU vom Bauherrn zunächst umfangreiche Information und Aufklärung über alle offenen Fragen.
FWG vermutet tausende LKW-Fahrten
Deutliche Worte zum Vorgehen der Bahn und der Firma Weiss finden auch die Freien Wähler. „Wie im wilden Westen“ gehe es zu, zeigt sich die FWG in einer Pressemeldung verärgert über die unabgestimmte Baumaßnahmen. „Das Bergamt hat wenigstens noch so viel Anstand die Gemeinde, wenn auch oft nur der Form halber, einzubinden. Das scheint der Deutschen Bahn völlig abzugehen. - Wo sind wir hier eigentlich? Kann unterdessen auf der Grafschaft jeder machen, was er will? – Man ist geneigt sich diese Frage ernsthaft zu stellen.“, so der FWG-Fraktionsvorsitzende im Grafschafter Rat, Lothar Barth, zu den Baumaßnahmen zwischen Vettelhoven und Gelsdorf. Auch der Zeitpunkt der Maßnahme, in der sommerlichen Sitzungspause der Grafschafter Ratsgremien gebe zu denken. Was genau entstehen soll, scheint die FWG zu wissen und sagt: „Ein Betonmischwerk soll Baustoffe liefern, ein Recyclingbereich der Gewinnung von Baustoffen aus den abgerissenen Betonbrücken dienen.“ Dies sei aus Sicht der Freien Wähler an dieser Stelle weder ökonomisch noch ökologisch vertretbar. Ob eine Platzierung im Ahrtal ernsthaft geprüft wurde, sei zudem unbekannt.
„Stellt man jedoch bei den amtlichen Stellen Fragen, die eigentlich Kenntnis davon haben müssten, erfährt man Ratlosigkeit. Das Ganze ist ein Coup zu Lasten der Grafschafter Bürger“, so Ingo Derz, der sich beim Landesbetrieb Mobilität (LBM) zunächst über die fehlende Ausschilderung und mangelhafte Absicherung der Maßnahme entlang der L 83 beschwert hatte. Die FWG machte deutlich, was ihrer Meinung nach auf die Grafschafter Bürger zukomme: „Die potentielle Staub und Lärmbelastung der Umgebung wären noch genauer zu betrachten. Bei einem Brückengewicht von mehreren tausend Tonnen sind es je Brücke bei einer durchschnittlichen Nutzlast eines Kippers von rund 25 Tonnen schnell mehrere tausend Fahrbewegungen. Wenigstens acht Brücken dürften zu erneuern sein. Damit eng verbunden ist die Führung der Verkehrsströme.“ Beim Blick auf Routenplaner stellte die FWG fest, dass diese als Anknüpfungspunkt ins Ahrtal die Gemeinde Dernau ausweisen und dass eine jeweils rund elf Kilometer lange Strecke die durch Grafschafter Dörfer führe. Aber auch eine Nutzung vorhandener Feldwege bedürfe der vorherigen Genehmigung und eines vorbereitenden Ausbaus.
Aber auch die Ansiedlung der Flächen neben der L 83, die eine Bedarfsumleitung für die Autobahn 61 sei, werfe Fragen der Verkehrsführung auf. In der Vergangenheit habe der LBM für Maßnahmen in Eckendorf und nahe Gelsdorf eine Linksabbiegerspur verlangt. „Von daher wäre es logisch, wenn der LBM, sollte er tatsächlich noch mit der Baumaßnahme vertraut gemacht werden, eine derartige Maßnahme auch hier fordert“, so die FWG, die schon angesichts der vielen Hilfsmaßnahmen seitens Verwaltung und Einwohnern der Grafschaft nach der Flutkatastrophe von der Bahn fordert, sich nicht „wie eine Axt im Wald zu benehmen.“
Dass mit der Baustelle buchstäblich bei Nacht und Nebel begonnen wurde, liege am temporären Druck, der auf der Bahn laste, vermutet der Grünen-Fraktionsvorsitzende Mathias Heeb: „Im Tal hat die Bahn keine Flächen gefunden und sie ist mit dem Zeitplan schon im Verzug“, so Heeb. Immer wieder hat die Deutsche Bahn in den vergangenen Monaten betont, den Wiederaufbau einer dann elektrifizierten Ahrtalbahn von Remagen bis Ahrbrück bis zum Fahrplanwechsel im Dezember 2025 abgeschlossen zu haben.
Eisenbahn-Bundesamt kennt die Baustelle auf der Grafschaft nicht
Die Vermutungen des Ersten Beigeordneten der Gemeinde Grafschaft, Michael Schneider (CDU), der aktuell die Urlaubsvertretung für Bürgermeister Achim Juchem (CDU) innehat, dass Bahn und die ausführende Firma weder Gemeinde noch Kreis über die Baumaßnahme informierte, weil das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) mit Sitz in Bonn für die Genehmigung zuständig sei, wies die Bonner Behörde gegenüber dem GA zurück. „Zu dem beschriebenen Vorhaben liegen dem Eisenbahn-Bundesamt keine Informationen vor“, betonte ein Sprecher und führte weiter aus, es sei auch keine Zuständigkeit des EBA erkennbar, diese wäre „ausschließlich für Betriebsanlagen von Eisenbahnen des Bundes gegeben“, was ersichtlich vorliegend nicht der Fall sei. „Die genannte Firma Leonhard Weiss ist keine Eisenbahn des Bundes und die geplante Recyclinganlage steht auch nicht im engem funktionalen und räumlichen Zusammenhang mit dem Eisenbahnbetrieb, vielmehr liegt sie ohne Gleisanschluss etwa vier bis fünf Kilometer Luftlinie entfernt von der Eisenbahnstrecke“, so der Sprecher des Eisenbahn-Bundesamtes.