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Grafschafter Zeitung
Ausgabe 41/2023
Aktuelles
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Windkraftanlagen sollen mitten in den Bölinger Wald

Der Blick auf den Bölinger Wald könnte bald so ähnlich aussehen.

Geplante sieben Windräder sind fast doppelt so hoch wie der Kölner Dom

GRAFSCHAFT. TW. Es wird ein Umdenken geben müssen in der Grafschafter Politik, Hauptgrund ist die notwendig gewordene Energiewende und die damit verbundenen bundespolitischen Entscheidungen. Das haben die örtlichen Kommunalpolitiker jüngst erlebt, als Flächen in bestimmten Streifen neben Autobahnen oder Schienenwegen für die Belegung mit Photovoltaik-Anlagen gesetzlich privilegiert wurden. Seither hat es schon mehrere Anfragen an die Gemeindeverwaltung gegeben. Die kann dazu beraten und auch eine Meinung äußern, bei finalen Entscheidungen ist sie eher außen vor, sofern die rechtlich festgelegten Rahmenbedingungen eingehalten werden. Da nützen auch Hinweise auf allerbeste Böden wenig, sind sich Verpächter oder Verkäufer und Investor einig, schauen die Politiker zu.

Jetzt ist ein neues Thema im Ringener Rathaus aufgeschlagen. Die wpd onshore GmbH möchte Windräder in der Grafschaft platzieren, und dass mitten im Bölinger Wald. Das Unternehmen mit Sitz in Bremen bezeichnet sich als führenden Projektentwickler und Betreiber von Windparks in Deutschland und ist auch international aktiv. Seit 1996 habe man Windparks mit insgesamt 2.630 Windenergieanlagen realisiert. Das Unternehmen stützte sich dabei auf 3.700 Mitarbeitende. Nun hat wpd eine Projektidee „Windpark Ringener Wald“ erarbeitet, gemeint ist der Bölinger Wald. Dabei nahmen die Projektentwickler zunächst die „harten Fakten“ ins Auge, nämlich den gesetzlich festgelegten Mindestabstand zur Innenwohnbebauung von 900 Metern und das Vorhandensein von Naturschutzgebieten. Dabei macht der Investor auch klar, dass man ein besonderes Augenmerk auf Flächen legt, die nicht bewaldet sind oder deren Bewuchs nach dem jüngsten Borkenkäferbefall und Trockenstress mehr oder weniger abgestorben ist. Gemeinsam mit dem Förster wurden solche Flächen eruiert. „Erste Gespräche mit den Bewirtschaftern der entsprechenden Waldflächen haben bestätigt, dass es einige Bereiche gibt, in denen Windenergieanlagen ohne starke Eingriffe in den Wald gebaut werden könnten“, schreibt wpd. Dabei stellt sich den Mitgliedern im Grafschafter Bauausschuss schon die Frage, wie „starke Eingriffe“ aus Sicht des Investors definiert sind. Denn die Windkraftanlagen, die das Unternehmen in den Bölinger Wald setzen möchte, haben Dimensionen, die schon in Anlieferung und Aufbau ohne schwere Eingriffe kaum vorstellbar sind. So liegt die Nabenhöhe bei 198 Metern. Bei einer Flügellänge von 85 Metern ergibt sich eine Gesamthöhe von 283 Metern. Zum Vergleich: der Kölner Dom ist gerade einmal 157 Meter hoch. Es handelt sich um die aktuell größten Windräder, die derzeit in Deutschland produziert werden, der Stückpreis liegt bei acht Millionen Euro. Mit der Energie aus dne sieben Anlagen könnte der Strombedarf von 63.000 Zwei-Personen-Haushalten gedeckt werden, dass entspricht fast der Einwohnerzahl des Kreises Ahrweiler.

„Da ist schon ein massiver Eingriff zu erwarten“, sagt Bürgermeister Achim Juchem, zumal neben dem Aufbau und der Schaffung von Infrastruktur für Wartungsarbeiten auch noch Leitungen zu legen sein werden, mit denen die gewonnene Energie den Weg zum Leitungsnetz findet. Ausgemacht wurden bei näherer Betrachtung des Waldes nun sieben Standorte, drei davon auf Flächen im Gemeindeeigentum, vier auf privaten Flächen.

Zurück zur gesetzlichen Privilegierung: es stellt sich den Politikern in den Grafschafter Gremien gar nicht die Frage, ob sie einen solchen Windpark befürworten, oder ob sie ihn ablehnen wollen oder gar verhindern können. Die Gremien und letztlich der Gemeinderat haben lediglich darüber zu befinden, ob sie die gemeindlichen Flächen zur Verfügung stellen, und in welcher Weise, also Vermietung, Verpachtung oder eine andere Lösung. „Es stellt sich nur die Frage, ob wahrscheinlich vier Windräder oder eben bis zu sieben entstehen“, so Juchem.

Im Bauausschuss war auf jeden Fall keine klare Meinung zu erkennen, wie überhaupt Aussagen zu Zustimmung oder Ablehnung Mangelware blieben. Udo Klein (SPD) bemerkte, dass Windenergie in der Bevölkerung eine hohe Akzeptanz finde. Ringens Ortsvorsteher Lothar Barth (FWG) forderte, dass der in der Sache beteiligte Ortsbeirat von den Gremien unterstützt werden soll. Barth berichtete von Änderungen der Schutzzonen um militärische Einrichtungen, die aktuell Windräder in Wachtberg-Fritzdorf ausgebremst hätten. Hierüber wurde die Verwaltung nicht in Kenntnis gesetzt, antwortete Wirtschaftsförderer Klaus Becker. Dunkle Wolken sieht Hubert Münch (SPD) aufziehen: „Dann können wir den gesamten Bölinger Wald vergessen.“ Roland Schaaf (CDU) regte unterdessen an, die Bevölkerung zumindest hinsichtlich der drei möglichen Anlagen auf Gemeindegrund zu befragen. Für die Grünen lehnte Tobias Wronka Windräder im Wald kategorisch ab, musste sich aber anhören, dass die Beschlüsse auf Bundesebene vom grünen Wirtschaftsminister Habeck kommen. Einzig Hartmut Wüst (FDP) positionierte sich deutlich: „Wenn wir vier Anlagen nicht verhindern können, dann können wir auch alle sieben ertragen.

Einstimmig beließ es der Bauausschuss dann bei reiner Kenntnisnahme des Ansinnens, regte aber eine öffentliche Begehung der angedachten Flächen erreichen.