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Grafschafter Zeitung
Ausgabe 51/2023
Aktuelles
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Eigentlich ein ganz normaler Verrückter

Schauspieler und Kabarettist Matthias Egersdörfer spaltete das Publikum in Lantershofen.

Schauspieler und Kabarettist Matthias Egersdörfer spaltete das Publikum in Lantershofen

LANTERSHOFEN. TW. Starke Nerven und eine große Freude am Theaterspiel brauchte, wer sich am Samstag in den Lantershofener Winzerverein begab. Dort sorgte das Gastspiel des Fürther Kabarettisten und Schauspielers Matthias Egersdörfer für Reaktionen, wie sie unterschiedlicher kaum sein konnten. Während die einen zur Pause bereits das Theater verließen, zeigten sich die anderen vom Vortrag restlos begeistert. „Der Mann ist ein wandelndes Gesamtkunstwerk“, so ein Gast nach einer Show in Überlänge. Fast drei Stunden hatte Egersdörfer da auf sein Publikum eingewirkt. Mehr als 200 Gäste wollten den exzentrischen Franken mit weichem Kern erleben.

Egersdörfer trat dabei in eine Rolle aus Erlebtem, Wunschdenken und Träumereien. Er spielte den Mieter im Hinterhaus in einer Wohngemeinschaft, der er persönlich oder am Telefon mal freundlich, mal grummelnd begegnete. Wenn der Egersdörfer dann am Wohnzimmertisch dem aktuell Positivsten aus seinem wahren Leben frönte, sich also die wohlschmeckende Brühe aus der neuen Kaffeemaschine einverleibte, kam der wahre Mensch in ihm heraus. Er, der der ollen Frau Schlitzbier aus dem Vorderhaus, einer 86-jährigen Ostpreußin, tagein tagaus beim Dauerhusten zuhören musste und sich dann von ihren flapsigen Wortfetzen in den Wahnsinn treiben ließ. Er, den das Geplärre der „Bahulgenkinder“ aus der Wohnung unter ihm noch wahnsinniger werden ließ. Dort, wo die Bahulgenmutter tagein, tagaus nur an den sieben, 13 oder 21 Kindern ziehe, zupfe und deren Wäsche wasche und ob der Masse die Bälger nicht einmal mehr unterscheiden kann. Und obendrüber wohnt der Scheinheilige und will den Egersdörfer seit Jahren in seine Wohnung locken – vergeblich.

In all dem Wahnsinn träumt der geplagte Hinterhaus-Mieter davon, einem Publikum in seinem Wohnzimmer seine neueste lyrische Komposition vorstellen zu dürfen: das „Manifest des idealen Sonntags.“ Dabei gleitet er mit herrlichen Geschichten und Vergleichen immer wieder in die lyrischen Tiefen einer gewissen Verrücktheit ab.

Was denn eigentlich ein Manifest sei, wollte der Egersdörfer wissen und sprach Besucher direkt an, um sie dann mehr oder minder bloßzustellen. Das Cholerische, dass den Franken bekannt und berühmt machte, hat er zwar zurückschrauben, aber keineswegs gänzlich abstellen können. Gebremst wird er immer wieder von der Mutter. Eigentlich längst gestorben, hat er sie in Form einer Puppe aus Sperrmüll wieder auferstehen lassen, um sich von ihr Vorschriften machen zu lassen. Auf das Leben übertragen, kann er vieles nicht. Die Ex-Frau hat er im Telefon unter „Terror“ gespeichert, wie er überhaupt die Denkart von Frauen mit der Lebensweise von Tiefseefischen vergleicht, beides unergründlich. Egersdörfer ist von der Umwelt gebeutelt und sagt: „Du kriegst doch heute keinen Schulabschluss mehr ohne einen Grundkurs in Arroganz.“ Immerhin reicht es am Ende noch für die komplette Verkündigung des 20-Punkte-Manifestes, bei dem klar wird: er wünscht sich die heile Welt aus Samstagsspaziergang, Sonntagsmesse, Frühschoppen und Braten am Mittag zurück, vielleicht noch ein wenig Beischlaf nach dem Mittagessen.