GRAFSCHAFT. TW. Eigentlich standen in den Grafschafter Gremien die Entscheidungen zum Bau eines Solarparks in der Nähe der A61 an der Abfahrt Ringen eher auf Ablehnung. Zwei solcher Parks hatte der Rat zuletzt auf den Weg gebracht, sie sollen auf Flächen ehemaliger Tongruben entstehen – in Ringen und Leimersdorf. Die neuerliche Planung aber bezieht sich auf eine landwirtschaftliche Fläche mit gutem Boden. Hier will ein Investor auf 6,6 Hektar Fläche 7,75 Megawatt Solarenergie erzeugen. Dem Antrag auf die Eröffnung eines Bauleitplanverfahrens stimmte der Rat nun nicht zu, aber aus einem ganz anderen Grund. Denn mit dem 13. Januar 2022 wurde das vom Bundestag beschlossene Gesetz zur sofortigen Verbesserung der Rahmenbedingungen für die erneuerbaren Energien im Städtebaurecht an Kraft gesetzt. Und das besagt unter anderem eine Freiflächen-Privilegierung für Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen in einem Streifen von 200 Metern neben Autobahnen. In diesen Bereichen ist eine Bauleitplanung damit obsolet geworden. Und die angefragte Fläche liegt überwiegend in diesem Bereich neben der A61. Es bedarf damit lediglich noch einer Baugenehmigung.
Was aber kann das für die Gemeinde Grafschaft grundsätzlich bedeuten? Immerhin durchschneidet die Autobahn 61 das komplette Gemeindegebiet. Im Rathaus hat man bereits ermittelt, dass unter Abzug von nicht möglichen Bereichen, wie querenden Straßen, bis zu 245 Hektar Land beidseits der Autobahn zum Aufbau von Freiflächen-PV-Anlagen genutzt werden könnte. Es droht ein Konflikt zur Inanspruchnahme mit guten landwirtschaftlichen Flächen. Aber die will der Grafschafter Gemeinderat dafür nicht zu Verfügung stellen. Was tun?
Bürgermeister Achim Juchem (CDU) vermutet, dass es in der Folge zu einer Entscheidung vor dem Bundesverfassungsgericht kommen muss, hebelt das neue Gesetz doch die kommunale Planungshoheit aus. Die Möglichkeit der Errichtung von PV-Anlagen zum Nachteil bester landwirtschaftlicher Flächen ist aktuell jedenfalls gegeben. „Es wäre eine absolute Katastrophe, die höchstwertigen landwirtschaftlichen Flächen mit Fotovoltaik zuzubauen“, zeigte sich Margret Nelles-Lawnik (CDU) über die neue Entwicklung entsetzt. Mit der geplanten Investition nahe der Anschlussstelle Ringen könnte diese Entwicklung nun angeschoben werden. Besagte Fläche ist aber auch ein besonders hochwertiger landwirtschaftlicher Boden, der im regionalen Raumordnungsplan Mittelrhein-Westerwald sogar als landwirtschaftliche Vorrangfläche dargestellt wird. Und auf solchen landwirtschaftlichen Vorrangflächen sollten Fotovoltaik-Anlagen eigentlich vermieden werden und stattdessen Flächen mit geringerer Wertigkeit den Vorzug erhalten.
Rat und Verwaltung sehen hier Konfliktpotenzial mit Naturschutz und Landwirtschaft. Im Rathaus rechnet man mit weiteren Anträgen, eine gezielte Steuerung und Verteilung werden nicht möglich sein. Der Rat wollte eigentlich Kriterien zur Standortbeurteilung festlegen und eine Flächensteuerung hin zu weniger wertvollen Parzellen vornehmen und sucht nun andere Steuerungsmöglichkeiten.