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Unsere Bergstätten Mitteilungsblatt mit amtlichem Bekanntmachungsteil
Ausgabe 15/2025
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Kulinarische Reise durchs Allgäu - Neues Kochbuch entdeckt Überraschendes

Natürlich sind sie die Stars dieses neuen (Ver-)Führers für alle, die im Allgäu nicht nur wandern, radeln oder skifahren möchten, sondern die dort auch gut essen wollen: Die „Spatzen“ oder „Spätzle“ genannten goldgelben Sättigungsbeilagen aus Mehl, Eiern und Wasser. Mal als soßensaugende Beilage, mal als eigenständig leckere und mit Käse aufgepeppte Leib- und Magenspeise der Allgäuer. Ob mit „A“ oder „Ä“ geschrieben, das hängt von der geographischen Lage ab: die Württemberger neigen zu „Spätzle“, die Bayern sagen „Spatzen“. Die Erkenntnis aus dem neuen Buch: das Allgäu bietet kulinarisch überraschend viel mehr als nur Kässpatzn! Schön auch, dass man dieses Buch nicht nur zum Kochen, sondern auch für Ausflüge, Berg- und Radwanderungen sowie als Hintergrundinfo über das Allgäu nutzen kann.

Mit 17 Stationen, vom Nobelrestaurant bis zur urigen Alp, nimmt das Oberallgäu, also die Landschaft zwischen dem „Allgäuer Tor“ bei Dietmannsried und der Breitachklamm an der Grenze zum Kleinwalsertal den attraktivsten und größten Raum in diesem Buch voller „Gerichte und Geschichte“ ein. Die Autorin Hannelore Fisgus (früher Gastro-Redakteurin beim BR) erklimmt in Eschach auf 1.000 Metern überm Meer die „Genusskäserei Hoimat“, in der Philipp, Sebastian und Lisa im 270 Jahre alten ehemaligen Kuhstall ihren Camembert reifen lassen. Auf der „Alpe Sonnenhalde“ bei Oberstaufen probiert sie Andreas „Geiß-Käsekuchen“. Sie schwärmt vom sauer marinierten Saibling, der in der „Bergfischzucht“ von Gunzesried im stets acht Grad kalten Quellwasser aufwächst. Und sie besucht oberhalb der fantastisch schönen Breitachklamm die „Alpe Dornach“, wo es ausgefallene Sachen gibt wie Baumflechtensud, Sauerkleeextrakt oder Kaiserschmarrn mit Zitronen-Frischkäse. „Eine Alpe deluxe“ urteilt die Autorin. Eher nobel geht’s auch in der Oberstdorfer Gastroszene zu, kein Wunder, gehört die Marktgemeinde im südlichsten Zipfel Deutschlands doch zu den meistfrequentierten Urlaubszielen der Deutschen. Und da muss was geboten werden: sei es im „Königlichen Jagdhaus“, im „Ondersch“ oder im ehemaligen Wohnhaus von Skisprunglegende Max Bolkart, dem heutigen Restaurant „Freiberg“. „Günschdig“ (wie die Allgäuer sagen) ist es nirgends, aber gut schon. Fisgus entdeckt auch immer wieder ziemlich ausgefallene Locations mit einem ebenso ausgefallenen Angebot. Wildkräuteröl-Eis in der „Sonnenklause“ in Hinang, die „Allgäuer Gebirgskellerei“ in Wertach, wo Carsten Hell Weine aus Kapuzinerkresse oder Zirbenzapfen produziert. Das seltene Gebräu kann man nur einmal wöchentlich probieren- das wird seine Gründe haben! Im Altstädtener „Cafe Herzwerk“ kann man öfter zuschlagen- Betreiberin Laura war Chef-Patissière auf einem Kreuzfahrtschiff und weiß, was die Leute mögen.

Nach einem sehr kurzen Abstecher nach Kempten (dort empfiehlt Hannelore Fisgus in erster Linie das mittags vor der Residenz parkende „Kässpatzen-Mobil“ und das Restaurant „Schalander“) und dem spannenden Info-Kasten zum Thema „Wie der Käse ins Allgäu kam“ richtet sich der Blick ins Ostallgäu. Acht gastronomische Plätze haben dort die Ehre, in dem von Fotograf Ingolf Hatz bildmächtig ausstaffierten „Kochbuch“ erwähnt zu werden. Ganz oben- auch topographisch gesehen- „die Blaue Burg“ (ehemals Falkenstein) auf einem schwindeligen Felsgrat nahe Pfronten, dort, wo einst „der Kini“ ein „Hideaway“ bauen wollte. Für Ludwig Zwo hat es nur zu einer Wasserleitung gereicht, für Koch Simon Schlachter geht sich ein „Michelin“-Stern aus. Dass die Preise dementsprechend sind, muss nicht weiter erwähnt werden… Der lauwarme Bodensee-Aal im „Frühlingsgarten“ von Bad Faulenbach (der legendenumwitterte Alatsee ist nicht weit) ist da schon preiswerter. Weiter draußen inmitten der eher sanften Ostallgäuer Hügel entdeckt man im „Landgasthof Hubertus“ in Apfeltrang ein schmackhaftes „Duett von der Ziege“ und gleich nebenan auf der „Bergmang Alpe“ in Ruderatshofen auf 850 Metern Höhe „Wildfleischküchle mit Kartoffelstampf“.

Nebenbei erklärt Fisgus, was Allgäuer „Mächler“ sind, welche Beere zum „heimischen Superfood“ gehört und warum der (nicht die oder das!) Viehscheid zum Höhepunkt des Jahres im Allgäu geworden ist. Auch das Wesen der essbaren Allgäuer „Seele“ wird ergründet. Diese kleinen feinen Abstecher ins Allgäuer Leben machen das Buch lesenswert und unterscheiden es wohltuend von vielen anderen Rezeptsammlungen. Zu diesen „Schmankerln“ gehört auch die „Zeitreise durch die Allgäuer Spatzenliebe“: Die beginnt im 17. Jahrhundert im zutiefst württembergischen Göppingen und nicht im Allgäu.

Die letzte Etappe führt ins Westallgäu, ein von bayerischen und württembergischen Schwaben besiedeltes Land, das an den sonnigen Ufern des Bodensees endet. Neun Stationen listet Fisgus hier auf - vom „Böfflamott“ (Garzeit fünf Stunden!!!) in der „Krone“ vom grenznahen Maierhöfen über das „Ziegen-Zweierlei“ im Leutkircher „Brauereigasthof Mohren“, dem bodenständig-hippen „Hirsch“ in Urlau bis hin zum Pionier der Allgäuer Kräuterküche. Der heißt Axel Kulmus und zaubert im prächtigen „Landgasthaus Rössle“ in Stiefenhofen. „Heusüppchen mit Bergkäse-Krusteln“, mmh! Mitten durch die Gaststube vom „Rössle“ verlief einst übrigens die Grenze zwischen dem Königreich Bayern und der K.u.K-Monarchie Österreich! Schließlich rollt man gemächlich bergab Richtung Bodensee, lässt Berge und Rindviecher, Käse und Kräuter hinter sich und macht in Wangen Rast beim „Fidelisbäck“. Eine Bäckerei, deren „Seelen“ und Leberkäs sogar in München und Stuttgart geschätzt werden! Obwohl Lindau genau genommen nicht mehr zum Allgäu gehört, setzt Hannelore Fisgus den Schlusspunkt ihrer kulinarisch-historischen Reise auf der Insel: Nicht nur ihr gefällt es beim Sundowner im „Schützinger am See“ unter schattigen Kastanien und mit eigener Badestelle einfach zu gut. Wenn die Sonne den See gülden färbt und die Appenzeller Alpen im Dunst verschwinden, dann kann es einem besser nicht gehen…

„Das Allgäu Kochbuch“, Gerichte. Porträts. Geschichten.

Hannelore Fisgus, Preis 29.99 Euro

Christian Verlag München, 240 Seiten

mit zahlreichen Originalrezepten und Fotos von Ingolf Hatz

(Text: Lutz Bäucker)