Nach Schlusspfiff beim Relegationsspiel: Mannschaft und Fans stehen zusammen auch bei Niederlagen. Foto ©Dirk Klos
Als der eingewechselte Wörishofener Luis Wanninger in der 94. Minute nach einem Konter gegen aufgerückte Weitnauer den Ball zum alles Entscheidenden 3:1 über die Linie drückte, schlug die Tür zur Bezirksliga für den TV Weitnau endgültig zu. Nach einem engen Saisonfinale und einem zum Schluss genauso engen Relegationsspiel war der große Traum Bezirksliga ausgeträumt. Schluss, aus, vorbei! Die Ultras packten ihr Megafon, ihre Fahnen und Trommeln wieder ein, Enttäuschung machte sich breit, die historische Chance war vertan… Doch war das Drama tatsächlich so groß?
Den möglichen Aufstieg hatte man nicht nur in diesem Augenblick verspielt, und vor Beginn dieser Saison hat auch niemand ernsthaft damit gerechnet. Aus diesem und auch aus anderen Gründen ist die Enttäuschung über den knapp verpassten Aufstieg teils schon wieder verflogen, und unter den Fußballern und Fußballfans rund um den Sonneck macht sich langsam die Erkenntnis breit, dass es trotzdem eine großartige Saison war.
Der Reihe nach: Weil der Tabellenführer aus Rettenberg im Saisonfinale schwächelte, war die Tür zu einem möglichen Bezirksliga Aufstieg eigentlich ja immer wieder aufgegangen. Kühl durchgerechnet hätte es beispielsweise schon gereicht, wenn man ein paar Wochen zuvor beim abgeschlagenen Tabellenschlusslicht Haldenwang– bezeichnenderweise an dem Ort, an dem auch das Relegationsspiel gegen Bad Wörishofen stattfand – über ein 1:1 Unentschieden hinausgekommen wäre. Man hätte zwei Punkte mehr auf dem Konto gehabt und wäre punktgleich mit Meister Durach gewesen, die ja bekanntlich auf den Aufstieg verzichteten. Das ganze Relegationsdrama in Haldenwang hätte sich nicht abgespielt, und der TVW würde sich jetzt auf die erste Bezirksligasaison vorbereiten. Anscheinend brachte das MAHA-Waldstadion der Mannschaft von Chefcoach Tobi Jäger aber kein Glück in dieser Saison, wie sonst ist es zu erklären, dass der Schuss von Torjäger German Stöhr in der 58 Minute vom Innenpfosten des Wörishofener Tores die Torlinie entlang und schließlich neben dem anderen Pfosten ins Seitenaus kullerte und nicht ins Tor? Oder dass ein Schiedsrichter, der ansonsten eine großzügige Linie im Spiel fuhr, bei einer engen Szene im Weitnauer Strafraum zur Überraschung aller auf den Punkt zeigte? Klarer Fall, die Fußballgötter waren dem TV Weitnau im Haldenwanger Waldstadion einfach nicht gewogen!
Ganz so einfach ist es nicht, natürlich war beim Pfostenschuss Pech im Spiel und natürlich kann man über den Elfmeter, den Wörishofens Torjäger Gast zum 2:0 verwandelte, diskutieren. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Wörishofen verdient in Führung gegangen war, und die Elf von Coach Jäger erst nach dem 0:2- Rückstand das Gesicht zeigte, mit dem sie so viele Partien in der Kreisliga auf begeisternde Art und Weise dominierte. Mehr als der Anschlusstreffer durch Kapitän Marius Wiedemann sprang leider nicht mehr heraus, und die Enttäuschung im Spielerlager war nach der knappen Niederlage verständlicherweise groß.
Gerade in dieser Szene zeigte sich aber dann schon, was diesen Verein ausmacht. Die Fans, die geschlossen aus Weitnau, Wengen und Kleinweiler im Fanbus, teils im Mannschaftsbus oder in PKW-Kolonnen nach Haldenwang gepilgert waren, standen auch nach der Niederlage geschlossen hinter dem Team und munterten die Spieler auf. Auch wenn die Vereinsfarben der SG Kleinweiler Wengen Rot, Weiß und Blau sind, in diesem Moment trugen dann alle Grün-Weiß und feierten die Truppe, die trotz zahlreicher Schwierigkeiten eben doch eine grandiose Saison gespielt hatte.
Zur Erinnerung: Die Fusion mit den Nachbarn aus Kleinweiler-Wengen war ja erst kurzfristig vor Saisonbeginn unter Dach und Fach gebracht worden. Zu einer stabilen Kreisligatruppe in Weitnau stießen eine ganze Reihe gestandener Fußballer aus Kleinweiler-Wengen hinzu, und niemand konnte zu diesem Zeitpunkt vorhersagen, wie die Integration funktionieren würde. Würde sich das Team zusammenfügen und eine Einheit bilden? Oder würden sich einzelne Lager und Grüppchen formieren, die auf dem Papier zwar wie eine schlagkräftige Truppe aussehen, auf dem Platz aber nicht harmonieren? Hinzu kamen Verletzungssorgen: SG-Torjäger Christian Bausch kam erst nach der Winterpause langsam aus einer langfristigen Verletzung zurück, Weitnau verlor schon vor Beginn der Saison Mittelfeldmotor Christoph Schneider, der verletzungsgeplagt die Fußballstiefel an den Nagel hängen musste, Torjäger German Stöhr ging angeschlagen in die zweite Saisonhälfte und zog seine hartnäckige Knöchelverletzung bis zum Relegationsspiel mit… die Liste ließe sich problemlos verlängern. Auch im Trainerteam rumorte es, schon wenige Wochen nach Saisonbeginn kam es zu einem Trainerwechsel bei der in der A-Klasse spielenden SG-Mannschaft, dem so wichtigen Unterbau der Kreisligamannschaft. Auch vor diesem Hintergrund ist der dritte Platz in der Kreisliga zu bewerten. Es waren kaum idealen Voraussetzungen also für eine Erfolgssaison.
Die Jäger-Truppe zeigte aber von Anfang an, dass bis auf die Verletzungssorgen alle anderen Sorgen unbegründet waren. Die neuen Spieler aus Kleinweiler-Wengen wurden geräuschlos integriert und trugen ihren Teil dazu bei, eine gute Kreisligamannschaft zu einem echten Aufstiegsaspiranten zu machen. Mit teils begeisternden, von erfrischendem Offensivfußball geprägten Auftritten spielte sich das Team in die Herzen der Fußballfans auf beiden Seiten des Sonnecks und klopfte am Ende nach der Saison 1990/91 zum zweiten Mal in der Vereinsgeschichte ans Tor zur Bezirksliga.
Trotz des verpassten Aufstiegs also eine gelungene Premierensaison für diese gesamtgemeindliche Truppe, die Hoffnung auf eine weitere erfolgreiche Kreisligasaison macht. Nach dem Erfolg im Vorjahr wird man für die neue Saison von außen sicher das Label Aufstiegsfavorit aufgedrückt bekommen. Und da die Truppe wohl wie im Vorjahr zusammenbleibt, und auch die Vorstandschaft angeführt von Daniel Parotat und Heiko Pfeil im kommenden Jahr für stabile Verhältnisse und optimale Bedingungen sorgen wird, kann man sich wieder auf guten Kreisliga-Fußball in Weitnau freuen. Ob am Ende aber dann in der kommenden Saison zwangsläufig der Aufstieg stehen muss? Daran darf man sicher Zweifel haben. Wie oben beschrieben entscheiden oft Kleinigkeiten über Erfolg und Misserfolg und trotz des breiteren Kaders, ist der eine oder andere Schlüsselspieler kaum zu ersetzen.
Und dann ist da noch die Frage wie erstrebenswert der Aufstieg in die Bezirksliga tatsächlich ist? Natürlich hat auch der Autor dieses Berichtes am vergangenen Mittwoch mit der Mannschaft gefiebert, und hätte sich wie alle Fußballfans in der Gemeinde über den erstmaligen Einzug in die Bezirksliga gefreut. So einfach wäre das aber nicht zu stemmen gewesen. Man wäre in ein Haifischbecken gesprungen, in dem vermutlich alle Teams teils hohe Geldbeträge in die Verpflichtung und Bezahlung von Spielern stecken. Beim TV Weitnau gilt schon immer die Maxime, dass keine Spieler bezahlt werden, dass wir unsere Erfolge mit unseren eigenen Jungs feiern und keinem talentierten Jugendspieler einen bezahlten Fußballsöldner vor die Nase setzen. Diesen Weg will man beim TV Weitnau auch in Zukunft so weitergehen! Und vermutlich ist die Kreisliga, in der guter Fußball gespielt wird, in der Linienrichter für ein bisschen Profiatmosphäre sorgen, und in der man immer noch oft genug Derbys gegen Gegner aus dem Ober- und Ostallgäu spielt, genau die richtige Liga dafür. (mk)