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Duracher Wochenblatt
Ausgabe 17/2025
Vereine und Verbände
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Verein für Heimat, Museum und Geschichte Durach e.V.

April vor 80 Jahren

Das Ende des „Dritten Reiches“ in Durach

Teil 2

Nach der Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde am 27. April 1945 in der Gemeindekanzlei musste der Unternehmer Franz Endreß, auf einem Panzer sitzend mit dem weißen Tuch in der Hand, als lebendes Pfand vor der Panzerkolonne her bis ans obere Ende des Dorfes fahren.

Langsam wagten sich die Leute aus den Kellern. Alles bestaunte die gewaltige militärische Macht der Amerikaner. Schier endlos rollten die Panzer durchs Dorf, das offiziell besetzt wurde.

Dann begann eine groß angelegte Durchsuchungsaktion der Häuser, während die Bewohner ihre Wohnungen verlassen mussten. Bald sah man viele deutsche Soldaten auftauchen, mit erhobenen Händen sich ergebend. Sie wurden gesammelt, nach Kempten gebracht, und von dort in die Gefangenschaft transportiert. Jedes Haus erhielt Einquartierungen, die Schule blieb geschlossen, der Zugverkehr wie auch der Postverkehr wurden eingestellt, ebenso das Erscheinen der Tageszeitungen. Von der Militärregierung wurden die Ausgehzeiten erheblich eingeschränkt. Kein Gemeindebürger durfte die Gemeindegrenze überschreiten, jeder Erwachsene musste die Ausweispapiere ständig bei sich tragen. Am Tag der kampflosen Übergabe mussten sämtliche Waffen, auch Jagdgewehre und Zimmerstutzen, ferner Uniformstücke, Parteiabzeichen, Ferngläser und Fotoapparate in der Gemeindekanzlei abgeliefert werden. Hausdurchsuchungen waren an der Tagesordnung. Wohnungen von NSDAP-Mitgliedern, meist von dienstverpflichteten polnischen Arbeitern oder Arbeiterinnen den Amerikanern gemeldet, wurden besonders streng durchsucht.

Am Sonntag, 29. April, stürmten die Bewohner in Scharen zum Gottesdienst in die Kirche. Die gefürchteten Luftangriffe waren ja vorbei. Am 30. April zog eine neue amerikanische Einheit in die Gemeinde ein. Sie bezogen Quartier in den besten Häusern, deren Bewohner ihre Häuser verlassen mussten. Am selben Tag wurde Bürgermeister Mittermayer abgesetzt, verhaftet und in das Gefängnis nach Kempten eingeliefert. Auf Vorschlag von Dekan Fischer ernannte der amerikanische Besatzungsoffizier den Schmiedemeister August Sailer zum kommissarischen Bürgermeister. Das Amt des Bürgermeisters war in den Wirren der ersten Nachkriegstage eine schwere Bürde, denn über die Amtsgeschäfte in der Gemeindekanzlei musste dem amerikanischen Ortskommandanten laufend berichtet werden.

Vom 28. April an waren auch die KZ-Häftlinge in Weidach wieder frei, ebenso die zwangsweise bei den Bauern beschäftigten ausländischen Arbeiterinnen und Arbeiter. Leider kam es nun zu Ausschreitungen, weil doch viele glaubten, sich für das erlittene Unrecht rächen zu müssen. Die Bewohner mancher Häuser besaßen wegen der Plünderungen oft nur noch das, was sie auf dem Leib trugen. Außer Kleidung und Hausrat wurden auch Lebensmittel, Geflügel und Vieh entwendet. Es gab Einbrüche am laufenden Band. Vor allem die abseits gelegenen Bauernhöfe wurden, besonders nachts, oft heimgesucht. Widerstand der Besitzer war meist gefährlich. So wurde Xaver Mayr aus Durach-Weidach von einem Polen in Kempten-Eich erschossen, als er einen Fahrraddiebstahl verhindern wollte.

Erst einige Tage nach der Besetzung wurde das Plündern unter Androhung der Todesstrafe verboten. Die Kapitulation des deutschen Reiches am 9. Mai 1945 wurde von den Amerikanern mit einem großen Feuerwerk auf dem Flugplatz gefeiert. Am 15. Mai wurde die Verdunkelung aufgehoben, nach sechs Jahren konnte man erstmals abends wieder Licht im Dorf und Lampen hinter den Fenstern sehen. Weiterhin ruhte der Bahn- und Postverkehr, es gab kein Telefon und keine Zeitung.

Am 2. Juni versammelte Bürgermeister August Sailer mehrere Männer um sich, die „bereit und willens waren, in der durch die Niederlage Deutschlands geschaffenen Lage am künftigen Aufbau der Gemeinde Durach mitzuarbeiten“. Am 10. Juni konnte zur Freude der Bevölkerung wieder ein erster Güterzug auf der Strecke Kempten-Pfronten verkehren. Am 19. September wurde der Schulunterricht, der seit Mitte April geruht hatte, wieder aufgenommen. Bis dahin war er von der Militärregierung verboten gewesen. Am 13. Dezember 1945 schließlich erschien die erste Zeitung nach dem Krieg. Parallel dazu hatte die Entnazifizierung begonnen. In diesem Zusammenhang wurde nun auch Bürgermeister Sailer am 15. Juli 1945 abgesetzt – er war seit 1937 NSDAP-Mitglied. Für ihn ernannte die Militärregierung den Sattlermeister Johann Rothärmel zum kommissarischen Bürgermeister. Am 27. Januar 1946 fanden dann die ersten demokratischen Wahlen seit 1933 statt. Und hier wählte die Duracher Bevölkerung bei hoher Wahlbeteiligung Johann Lau zum neuen Bürgermeister. Bereits drei Monate später, am 29. April, wurde er auch zum ersten Landrat des Landkreises Kempten gewählt. Sein Nachfolger in Durach wurde erneut Bürgermeister August Sailer. Langsam normalisierten sich die Verhältnisse wieder. Die Angst war zwar gewichen, doch spürte fast jeder in irgendeiner Form die Folgen dieses grausamen Krieges.

In sehr vielen Fällen wurde die Sorge um das tägliche Brot (diese Zeit der Lebensmittelmarken ist einigen von uns sicher noch in Erinnerung) überdeckt von der noch viel größeren Angst und Ungewissheit um verschollene oder vermisste Angehörige. Für viele war es bereits Gewissheit, für andere sollte das Hoffen noch Jahre dauern, bis auch für sie die Ungewissheit zur bitteren Wahrheit wurde, dass das Warten vergebens war.