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Forchheimer Stadtanzeiger
Ausgabe 3/2024
Aktuelles
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Neujahrsempfang: "Das Gute braucht einen langen Atem"

Andreas Englisch

Oberbürgermeister Dr. Uwe Kirschstein überreicht dem Ehrengast Andreas Englisch ein Präsent zum Abschied.

Der Abend nahm seinen Ausklang beim gemütlichen Beisammensein im Innenhof der Kaiserpfalz mit Glühwein, Sekt und Häppchen unter dem klaren Sternenhimmel.

Die Stadt Forchheim und der Förderkreis Kaiserpfalz e. V. luden am 21.01.2024 zum mittlerweile 10. traditionellen Neujahrsempfang in die Kaiserpfalz. 199 Gäste genossen nach der Begrüßung durch den Förderkreisvorsitzenden Dr. Ewald Maier die Darbietung von Professor Lilo Kraus, ehemalige 1. Soloharfenistin der Staatsphilharmonie Nürnberg und Professorin an der Musikhochschule Nürnberg. Ehrengast war Andreas Englisch, Autor zahlreicher Bücher über Päpste und einer der besten Kenner des Vatikans. Im Anschluss gab Oberbürgermeister Dr. Uwe Kirschstein einen politischen Rück- und Ausblick.

Schon der nächste Termin beim Papst am Montagmorgen um 8 Uhr drängte, weshalb Ehrengast Andreas Englisch den Vortritt vor dem Oberbürgermeister hatte – das Flugzeug wartete schon! Über 35 Jahre stand und steht Englisch als Vatikan-Korrespondent an der Seite der Päpste, hat über 50 Papstreisen mitgemacht, die den Heiligen Vater in ferne Länder führten und hat deshalb sehr viel Persönliches und Hintergründiges über die jeweiligen Inhaber des Heiligen Stuhls zu berichten.

Lustige, lebendig erzählte Anekdoten wechselten mit denkwürdigen Einblicken über die politische Weitsicht von Johannes Paul II., den er als „unendlich politischen Papst“ einordnet, während er Ratzinger „überhaupt keine politische Intention“ bescheinigt. Franziskus schließlich führe eine Kirche, „die mit dem Rücken zur Wand steht“ aufgrund zahlreicher Mißbrauchsskandale in aller Welt. Anschaulich erklärt Englisch das politische Handeln des derzeitigen Kirchenoberhauptes, das „versucht, diese Kirche zu verändern, versucht, einen neuen Stil einzuführen!“ Der Papst reagiere unmittelbar auf aktuelle Ereignisse, schließe im Hintergrund Abkommen im Sinne des Friedens mit verschiedensten Religionsführern, unermüdlich nach dem Motto: „Das Gute braucht einen langen Atem, weil das Böse einen sehr kurzen Atem hat! In Fällen. in denen es aussichtslos ist, darf man nicht aufgeben!“ Passende Worte für einen Jahresbeginn nach einem spannenden Vortrag, der mit großem Applaus belohnt wurde.

Es folgte die Neujahrsansprache von Oberbürgermeisters Dr. Uwe Kirschstein, der nach einem kurzen geschichtlichen Rückblick einen Aspekt aus Englischs Vortrag aufgriff:

„Vertieftes Bemühen um Einigkeit und ein gesellschaftliches Miteinander ist stete Aufgabe der Regierenden – zumindest sollte sie das sein. Die Geschichte lehrt, dass sich das leider nicht immer so bewahrheitet hat. Dennoch sind die positiven Beispiele immer erwähnenswert, gerade weil wir uns oft genug mit negativen Nachrichten beschäftigen und diese das Positive deutlich überlagern. So sind es manchmal die vermeintlich kleinen Dinge, die oft eine nachhaltige und dauerhafte Bedeutung für unser gesellschaftliches Leben entwickeln.

Mit dem Blick nach vorne ist es immer möglich, das Geschehene zu überwinden. Wichtig ist dabei stets das Erinnernde ohne Vorwurf zu formulieren und nicht nachtragend zu sein. Mit Abstand lässt sich das leicht sagen; bei persönlichen Erinnerungen oder erlebten Ungerechtigkeiten überwiegen die Emotionen jedoch schnell. Das ist menschlich und nachvollziehbar. Ein neues Miteinander jedoch kann nur gelingen, wenn dies überwunden wird ohne zu vergessen.“

Danach richtete das Stadtoberhaupt den Blick auf die aktuellen Aufgaben: „Auch heuer stehen wieder viele Aufgaben für die Stadt an, deren Gesamtinvestitionsbedarf für 2024 bis 2027 mit 340 Mio. Euro nur geringfügig höher ausfällt als letztes Jahr – obwohl natürlich 2023 mit rund 35 Mio. Euro Investitionen in die Zukunft getätigt worden sind. Dieses Jahr verzichte ich auf ausführlichere Zahlennennung – seien Sie gewiss, die Stadt Forchheim investiert in Kindergärten, Schulen, Kultur, Radwege, Fahrradabstellanlagen, Kellerwald, Straßen und Brücken, in ihre Feuerwehren, in Wohnbau und Sanierung von Denkmälern und ins historische Rathaus und unser Königsbad – um nur einen kleinen Einblick zu geben.

Allein für das Jahr 2024 sind – mit Stand vom Donnerstag –, ohne den im Februar stattfindenden Haushaltsberatungen vorgreifen zu wollen, für den laufenden Betrieb und Investitionen Aufwendungen in Höhe von gut 215 Mio. Euro und damit erneut rund 15 Mio. Euro mehr als im Vorjahr vorgesehen.

Bei einem Ausblick auf das kommende, vor uns liegende Jahr, ist unser heutiger Ehrengast, Andreas Englisch, natürlich ein gutes Omen. Die geflügelten Worte „Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.“ sind Ihnen bestens bekannt. Deren Urheberschaft wird gerne Karl Valentin zugeschrieben. Einer, der es definitiv besser kann, ist Andreas Englisch, der am 16.04.2012 als Erster den Rücktritt von Benedikt XVI vom Papstamt vorhersagte – und damit rund 10 Monate gut überblickt hatte.

Das soll für uns den Schwung ins noch junge Jahr 2024 mitbringen. Ich fürchte jedoch, auch dieses Jahr wird wieder Herausforderungen für uns alle liefern, die wir heute noch nicht erkennen können. Dazu wünsche ich uns, dass wir besonnen und frei von Panik die aufkommenden Themen bewältigen werden. In meiner Jahresschlussansprache in der Stadtratssitzung vom 19.12.2023 habe ich schon auf die Demokratiefeinde im Ausland und auch im eigenen Land hingewiesen. Da war, wie wir heute wissen, das Treffen Rechtsextremer in der Potsdamer Villa Adlon schon fast einen Monat her. Als „Wannseekonferenz 2.0“ wird dieser widerwärtige Samstag seither bezeichnet. Was wir heute wissen: auch hier führen die Pfade durch die teilnehmende Bundestagabgeordnete bis nach Bayern.

Vor rund einem Monat habe ich das Erstarken von Feinden der Demokratie als eine der kommenden größten Herausforderungen unserer Zeit bezeichnet. Heute will ich also noch deutlicher werden: wir müssen unsere Demokratie schützen. Zu Recht wird meiner Meinung nach daher aktuell das Thema Parteienverbot bundesweit diskutiert. Eine Partei, in der inzwischen mehrere Landesverbände vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft werden, sollte nicht von der staatlichen Parteienfinanzierung profitieren dürfen. Nur das klare Bekenntnis zu und tägliches Handeln nach unserem Grundgesetz ist Legitimation für staatliche Finanzmittel. Eine nun geforderte bundesweite Einstufung als „gesichert rechtsextrem“ reicht daher nicht mehr aus. Mit dem heutigen Wissen muss der Bundestag die Prüfung der Verfassungskonformität dieser Partei beim Bundesverfassungsgericht beantragen – wie der erste Schritt hin zu einem Parteienverbot formal heißt.

Spaltungen der Gesellschaft, Separierung einzelner Gruppen aus der Gesellschaft scheint für viele heute leider zu einem probaten Mittel geworden zu sein. Die Geltungssucht, das eigene Profil schärfen zu wollen, und damit gesellschaftliche Gruppen zu Randgruppen zu degradieren, ist auch bei den sogenannten bürgerlichen Kräften mitunter zu erkennen.

Für 2024 wünsche ich mir, dass es soweit nicht kommt. Ich wünsche mir, dass diejenigen, die davon heimgesucht werden, von diesem Gedankengut abschwören.

Und so ich komme zum Abschluss noch einmal auf Papst Innozenz V. zurück: auch heute, fast 750 Jahre später ist die Begegnung der Zwietracht und der Missgunst zwischen den Menschen eine der, wenn nicht die, größte Herausforderung unserer Zeit.

Meine sehr verehrten Damen und Herrn, ich wünsche Ihnen auch im Namen unseres Bürgermeisters Udo Schönfelder und unserer Bürgermeisterin Dr. Annette Prechtel Gesundheit, Glück und Erfolg für das neue Jahr 2024. Ich wünsche uns, dass wir uns alle gegenseitig immer auf Augenhöhe, mit Respekt und mit Fürsorge füreinander begegnen wollen.“