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Mitteilungsblatt der VG Gemünden a Main
Ausgabe 1/2024
Amtliche Bekanntmachungen
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Aus dem Archiv von Gräfendorf

Geschichten und Geschichte

Ortsgeschichte vor und nach dem Zweiten Weltkrieg.
Der Heiligemäster und der Besuch des Affen

Peter Jakob Schmitt, geboren am 8. März 1883, glich wohl Zachäus, dem biblischen Zollpächter, der als klein von Gestalt beschrieben wurde, so die Evangelisten. Deshalb wurde er auch im Erwachsenenalter noch das "Peterle" genannt. Als drittes Kind von Peter Schmitt (1851–1920) und seiner Ehefrau Maria Eva Schmitt, geb. Aul (1857–1941), wurde er geboren. Bis zu seiner Heirat im Jahr 1911 lebte Peter mit seinen Eltern und zehn Geschwistern im Gräfendorfer Anwesen HsNr. 24. Auf seinem Erbgut baute das "Peterle" ein kleines Haus, HsNr. 25 ½, für seine junge Familie. Seine Frau Margarethe, geb. Aul (1877–1929), gebar ihm vier Töchter. Neben seiner Tätigkeit als Schuster engagierte er sich auch in der katholischen Kirchengemeinde.

Peter, die Familie hatte den Hausnamen „Peterles“, war Heiligenmeister, genauer gesagt Küster. Er übernahm das Amt 1946, nachdem sein Vorgänger "plötzlich im Bad Kissinger Krankenhaus verstarb", wie aus einem Pressebericht hervorgeht.

Im Laufe der Geschichte hatte das Amt verschiedene Namen und Aufgaben. Es war eng verbunden mit dem Amt des Heiligenpflegers, dem Verwalter des Kirchenvermögens, dem Küther – so der erste dokumentierte Name, der sich im Laufe der Zeit zum Küster oder Messner wandelte. Der Dienst diente zumeist der Vorbereitung von Gottesdiensten, Andachten und den Feiern zur Spendung der Sakramente, wie die Taufe.

Auch als Klingelmeister wurde das Amt bezeichnet. Im Gottesdienst sammelte der Klingelmeister die Kollekte. Nach der Predigt ging er mit einer langen Stange, an der ein Beutel hing und dieser mit einer Klingel versehen war, durch das Kirchenschiff. In diesem sackähnlichen Klingelbeutel konnten die Gläubigen ihr Scherflein einwerfen. Anschließend wurde er zum Altar getragen und dort sichtbar an einen Haken gehängt.

Peter Jacob Schmitt verstarb im Jahr 1964. Das genaue Jahr, in dem er sein kirchliches Amt an Schwester Edelfriede Kroth übergab, ist nicht bekannt. Einige ehemalige Ministranten und Senioren ist er in Erinnerung geblieben, besonders durch das Erlebnis mit einem Affen in der Kirche, das folgendermaßen erzählt wird:

Boris Karfich, ein Flüchtlingskind, Abenteurer und Matrose, brachte bei einem Heimaturlaub einen kleinen Affen mit. Der Meerkatze war die Attraktion im Dorf. Bei der Rückkehr auf seinem Schiff überließ Boris das niedliche Tierchen seinem Bruder Walter, den seine Freunde nur Alex nannten. Die Familie Karfich, die in der Nähe der Schutzengelkirche wohnte, konnte nicht verhindern, dass der Affe entwischte. Am Erntedanksonntag fand er seinen Weg in die Schutzengelkirche. Das kleine Wesen unterbrach die heilige Handlung zum Schrecken von Heiligenmeister Peter Schmitt und anderen frommen Christen, aber zur Freude der Kinder. Der Affe hüpfte auf den festlich geschmückten Seitenaltären hin und her, die an diesem Tag mit Blumen, Obst und Gemüse verziert waren. Aufgeregt verfolgte "Peterle" den Affen, bis er schließlich die Kirche wieder verließ. Nur einer blieb gelassen: Pfarrer Josef Rüth. Er kommentierte den tierischen Besuch mit den Worten: „Auch Tiere sind Geschöpfe Gottes“ und setzte den Gottesdienst fort.

© Hinweis: Das Wort "Heiligenmäster" ist Gräfendorfer Dialekt und bedeutet Heiligenmeister. Die Geschichte erzählten die früheren Ministranten Günther Müller und Helmut Schipper. Wir bedanken uns sehr herzlich bei ihnen. Ergänzt wurde die Erzählung durch Boris‘ Schwester Erika Konrad während eines Telefongesprächs mit Johannes Sitter, Gräfendorf. Er stellte die beiden Geschichten für die Dorfchronik zusammen. Das Foto hat uns Günther Pilger aus Essen kostenlos zur Verfügung gestellt. Die Bilder des leidenschaftlichen Fotografen kann man unter https://www.guenter-pilger.de/ bewundern. Das Archivteam sagt allen ein herzliches Vergelt’s Gott.