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Mitteilungsblatt der VG Gemünden a Main
Ausgabe 20/2024
Amtliche Bekanntmachungen
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Gemeinde Gräfendorf

Geschichten und Geschichte

Söldengut - Grund und Boden für Neuansiedler

Für die Mehrheit der Gräfendorfer Bürger war es im 19. Jahrhundert nahezu unmöglich, Grund und Boden zu erwerben oder zu verkaufen. Die Armut beeinträchtigte nicht nur die Anschaffung, sondern auch die Grundherren, das Juliusspital und die Herren von Thüngen, Andreas'sche Linie. Ihre Maßstäbe waren die Mehrung ihres adeligen Wohlstandes, die Macht und das Ansehen. Diese vergrößerte die lutherischen Herren von Thüngen Andreas'sche Linie aus Zeitlofs im Jahr 1735. Das Reichskammergericht in Wetzlar hat ihnen das halbe Gräfendorf zugesprochen. Um den Grund und Boden in Gräfendorf zu bewirtschaften, benötigte man Arbeiter. Deshalb suchten sie im Thüngenschen Cent Arbeitskräfte. Die Grundherrschaft versprach ihnen ein Söldengut oder Söldengütchen. Das protestantische Bekenntnis war notwendig, um Besitzer eines Söldenguts zu werden.

Nach den Aufzeichnungen des ersten Grundsteuerkatasters errichteten die Neuansiedler auf ihrem überlassenen Grundstück ein Wohnhaus mit Keller, Scheuer und Stall, Schweineställe, Holzhalle, Backofen und Hofraum. Zusätzlich dienten Gärten, Wiesen und Äcker als Grundlage für das Leben.

Im Gräfendorfer Grundsteuerkataster von 1849 stehen 91 Anwesen. Davon waren 40 Söldengüter oder -gütchen. Das Kleinste hatte 1,7 Tagwerk, umgerechnet 0,6 ha.

Der Söldner verpflichtete sich, das Obereigentum seiner Grundherrschaft anzuerkennen und demselben Handfrondienste zu leisten sowie den jährlichen Sold, auch Erbzins genannt, zu zahlen.

Ein Söldengut oder -gütchen bewohnten Metzger, Schmiede, Zimmerleute, Schuhmacher, Weber und in der Mehrzahl viele Tagelöhner. Diejenigen, die ein Sölden ihr Eigen nennen konnten, gehörten zu den begüterten Gräfendorfer. Man hatte nutzbares Eigentum, das vererbt und durch Zukauf auch vergrößert werden konnte.

Im Grundsteuerkataster sind zwei Einträge für den Beruf des Söldners zu finden. Söldner waren Männer, die bis zum Ende des 18. Jahrhunderts für ihre Grundherren im Kriegsdienst standen.

In den folgenden Geschichten über Gräfendorf wird Sölden, Söldengut immer wieder einmal vorkommen. Deshalb dieses ausführliche Darstellen der besonderen fränkischen Besitzform im 19. Jahrhundert.

Das Journal für Franken aus dem Jahr 1793 enthält einen ausführlichen Artikel über die Bedeutung von Söldengut, verfasst von Professor Westphal aus Halle. Eine digitale Version des Journals für Franken ist im Gemeindearchiv verfügbar. Weitere Informationen dazu finden sich im Internet unter:

https://de.wikisource.org/wiki/Was_ist_ein_S%C3%B6ldengut

Im Jahr 2015 erstellte Dr. Matthias Wieser einen Denkmalpflegerischen Erhebungsbogen, der einen Überblick über den Besitz in Gräfendorf bietet. Er hat insgesamt 86 Anwesen kartiert. Diese Aufzeichnung ist digitalisiert und wird im Gemeindearchiv sowie bei der Verwaltungsgemeinschaft Gemünden aufbewahrt.

©Recherche und Textzusammenstellung Johannes Sitter, Gräfendorf