Geschichten und Geschichte
In unserem Dorf haben viele Häuser interessante Geschichten zu erzählen, von den Bewohnern und ihrer Geschichte über die religiöse Zugehörigkeit bis hin zur Entstehung der Gebäude. In den nächsten Ausgaben unseres Mitteilungsblattes werden einige dieser Geschichten veröffentlicht.
Anwesen 63 – Wem das Land, dem die Religion.
Ein besonderes Anwesen mit der Hausnummer 63 hat eine faszinierende Vergangenheit: „Wem das Land, dem die Religion“ - so lautet eine lateinische Redewendung, die besagt, dass der Landesherr die Religion in seinem Gebiet bestimmt. Im Jahr 1735 traf dieses Prinzip des Augsburger Religionsfriedens von 1555 auf das Dorf Gräfendorf zu. Ein Gerichtsurteil zugunsten der protestantischen Linie der Freiherren von Thüngen aus Zeitlofs führte dazu, dass der Protestantismus in einen Teil des Dorfes einzog. Neue Söldengüter entlang des Weges nach Dittlofsroda wurden für protestantische Familien gebaut oder renoviert, die aus dem Thüngenschen Cent stammten.
Nach 100 Jahren verloren die katholischen Grundherren wie das Juliusspital und die Freiherren von Thüngen an Einfluss, und die Redewendung „Cuius regio, eius religio“ verlor ihre Bedeutung. Die protestantische Schule wurde 1874 geschlossen, da viele Gemeindemitglieder weggezogen oder verstorben waren. Die verlassenen Grundstücke wurden von katholischen Bewohnern übernommen. Das Söldengut mit der Hausnummer 63 ist ein gutes Beispiel für die wechselnde konfessionelle Zugehörigkeit in dieser Zeit.
Johannes Gerlach sen. (1774–1834), ein Protestant, zog Ende des 18. Jahrhunderts von Trübenbrunn im Thüngenschen Cent auf das Söldengut Nr. 63. Dieses Gut mit einer Fläche von 8,683 Tagwerk wurde ihm von der Baronie Zeitlofs übertragen. Seine Ehefrauen waren Magdalena Schipper (1773–1803) aus Gräfendorf, Hausnummer 73, und Anna Maria Klein (1784–1842) aus Völkersleier. Johannes hatte insgesamt acht Kinder, von denen vier früh verstarben. Zwei Töchter heirateten und verließen das Elternhaus. Einer seiner Söhne, Johannes Gerlach (1802–1869), aus der ersten Ehe mit Magdalena Schipper, heiratete Barbara Schneider und übernahm das Anwesen Nr. 73, das mit 42,470 Tagwerk eines der größten im Dorf war.
Im Jahr 1843 heiratete Johannes Gerlach jun. Dorothea Fischlein (1822–1901) und sie zogen zusammen in das Haus mit der Nummer 66 auf dem Bauernhof. Der Hof bestand aus einem Wohnhaus mit Keller und Stall, einem Backofen, Schweineställen, einer Scheune mit Keller, einer Holzhalle und einem Hof. Zu diesem Zeitpunkt besaß Johannes 50,283 Tagwerk Land, das heute das Grundstück der evangelisch-lutherischen Kirche mit dem Mesnerhaus ist. Das Mesnerhaus ist eines der letzten erhaltenen Wohnhäuser eines Söldengutes.
Der neue katholische Besitzer
Das Gerlachsche Söldengut wurde zum Verkauf angeboten, und Johann Köhler (1795–1882) und seine Frau Josepha Köhler aus dem Oberdorf, Hausnummer 28, haben das Anwesen mit den Feldern und Wiesen erworben. Sie haben 1825 nach dem römisch-katholischen Ritus geheiratet. Seitdem wird das Söldengut von katholischen Besitzern geführt.
Georg Adam Köhler (1835–1880) war ein Schreiner, der den Besitz seines Vaters geerbt hat. Vom Beruf des Besitzers leitet sich auch der Hausname "die Schreiners" ab. Das Anwesen umfasste ein Wohnhaus mit Keller, Stall, Scheune, Schweineställen, Hofraum und 8,683 Tagwerk Land. Nach dem Tod seines Vaters Johann Georg im Jahr 1880 heiratete dessen Witwe Klara geborene Wirthmann den Witwer Leonhard Häusler. Klara stammte aus Schaippach.
Im Jahr 1898 übernahm der gemeinsame Sohn aus der ersten Ehe, Johann Georg Köhler (1873-?), das Erbe. Er heiratete Barbara Hopf (1871-?) aus Fuchsstadt. Das Paar bekam sieben Kinder: die Söhne Peter und Johann, die Töchter Regina, Clara und Elfriede sowie die Zwillinge Maria und Margarete. Maria lebte bis 1989 und Margarete bis 1990 in ihrem Geburtshaus.
Am 15. Juni 1909 wurde Johann Georg Köhler als erster Bürgermeister der Gemeinde Gräfendorf gewählt. Von diesem Tag an war bis 1920 das Söldengut auch das Bürgermeisterhaus.
Im Jahr 1940 übergaben die Eltern ihr Anwesen ihrer jüngsten Tochter Elfriede (1914–1985). Elfriede heiratete später Karl Grosso (1914–2005). Auf dem Anwesen wurden ihre Söhne Roland (1940–1992) und Walter (1941–2008) geboren.
© Das Bild stammt aus dem Denkmalpflegebericht der Gemeinde Gräfendorf aus dem Jahr 2015. Dieser Bericht wurde von Dr. Matthias Wieser verfasst, einem Architekten aus Sommerhausen. Johannes Sitter aus Gräfendorf hat den Text zusammengestellt. Die Personendaten wurde aus den Akten 61ff. von Resi Kühnlein entnommen. Der Hinweis auf die Bürgermeisterzeit ist aus der Chronik von Doris Grimm.