Teil II - Anwesen 64, eine Mischehe, ein Schiffsmann und eine Hebamme
Ehen zwischen Katholiken und Protestanten führten oft zu Konflikten und Spaltungen in Familien. Doch trotz dieser Hindernisse gelang es einigen Paaren, wie zum Beispiel Barbara Vogt (1822–1888) und Johannes Aul (1824–1895), diese zu überwinden und eine glückliche Beziehung zu führen. Bevor sie 1853 offiziell heirateten, hatten Barbara, eine Katholikin, und Johannes, ein Müller und Holzhändler aus dem protestantischen Waizenbach, bereits drei Kinder zusammen. Johann Adam (1846–1921), Franziska (1850–1821) und Michael Nazarius (1851-?). Die Kinder waren unehelich. Deshalb wurden sie nach dem Glauben ihrer Mutter getauft. Barbara lebte bis zum Hochzeitstag mit ihren Kindern im Wohnhaus ihrer Eltern im Söldengut 64.
Im Jahr 1853 fand eine kirchliche Trauung statt, die Mischehe genannt wurde. Normalerweise fanden solche Trauungen im Kloster Schönau oder Kloster Altstadt in Hammelburg statt, da sich die Heimatpfarreien einer kirchlichen Segnung widersetzten. Der genaue Ort der Trauung ist nicht bekannt. Zur gleichen Zeit erwarb der Müller Johannes Aul aus Waizenbach das Anwesen Nr. 56 von der protestantischen Familie Klein. Dokumente im Archiv belegen, dass dort das Hochzeitsfest stattfand. Nach der kirchlichen Segnung galt die Ehe vor Gott und der Welt als gültig, und die Kinder erhielten den Nachnamen ihres Vaters.
Die Familie Barbara und Johannes Aul lebten und arbeiteten nun gemeinsam auf dem landwirtschaftlichen Gut. Sieben weitere Kinder kamen dazu: Johann Georg Aul (1853-?), Barbara (1855–1943), Eva Maria (1857–1941) und Margaretha (1859–1930). Drei weitere Kinder haben das Säuglingsalter nicht überlebt. Im 66. Lebensjahr starb auch Barbara. Der Witwer Johannes heiratete noch einmal; Helene Tauber aus dem Anwesen 40 war seine zweite Ehefrau. Dort starb er 1895.
Der erstgeborene Sohn Johann Adam (1846–1921) arbeitete als Schiffsmann, heiratete 1878 Margaretha Neuf (1854–1916) aus Burgsinn und zog mit ihr in das geerbte Söldengut seiner Großeltern, Hausnummer 64. Dort starb er im Jahr 1921. Nach dem Tod von Johann Adam lebte seine Witwe Margaretha bis zu ihrem eigenen Tod im Jahr 1916 auf dem Anwesen.
Im Jahr 1891 zogen Johann Vogt (1867–1894) und Margaretha Aul (1859–1930), Adam Johann Auls Schwester, vom Anwesen 53 ins Anwesen 64. Johann und Margaretha hatten drei Töchter und einen Sohn. Die Töchter heirateten, und ihr Sohn Franz kam aus dem Ersten Weltkrieg nicht mehr zurück. Daraufhin wurde ihre Tochter die Erbin, die wie ihre Mutter auch Margaretha hieß (1887–1946). Sie blieb ledig, verdiente ihren Lebensunterhalt als Näherin und kümmerte sich liebevoll um ihre Mutter.
Nach dem Tod von Margaretha im Jahr 1946 kaufte die Hebamme Walburga Volpert (1912–1988) das kleine Haus. Das genaue Kaufdatum ist nicht bekannt, aber Walburga wird erstmals im Jahr 1956 als Hebamme auf dem Anwesen erwähnt. Sie war stets hilfsbereit und für neugeborene Kinder in Gräfendorf immer zur Stelle.
© Johannes Sitter aus Gräfendorf hat die Collage erstellt, den Text recherchiert und verfasst. Die Collage ist ein Symbolbild und zeigt die Kanzel der Alten Schutzengelkirche (rechts), die Michaelskirche der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde sowie im Hintergrund den Kirchturm der neuen Schutzengelkirche (links). Die Personendaten stammen von Resi Kühnlein aus Schonderfeld und Daniela Griebel aus Gräfendorf, die ihre Rechercheergebnisse aus dem Diözesanarchiv Würzburg dem Gemeindearchiv zur Verfügung stellten. Der Grundsteuerkataster von 1849 und der Holzrechtskataster befinden sich im Gemeindearchiv.