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Mitteilungsblatt der VG Gemünden a Main
Ausgabe 30/2023
Amtliche Bekanntmachungen
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Aus dem Archiv von Gräfendorf

Geschichten und Geschichte

Nachkriegsgeschichte 1945–1952

Ein Hinweis vorab: Der Pressebericht ist ohne Datum, jedoch nach den handelnden Personen zu urteilen, fand die Versammlung wahrscheinlich im Herbst 1948 statt. Er wird in zwei Mitteilungsblättern wortwörtlich veröffentlicht.

Bürgerversammlung im Gasthaus König

Gründung einer Frischmilchgenossenschaft

Die „Bad Grafensteiner“ diskutierten bis spät in die Abendstunden.

Gräfendorf. Als Diskussionsleiter eröffnete der Kunstmaler Otto Aul die am vergangenen Freitag im Gasthaus König stattgefundene Bürgerversammlung und begrüßte vor allem Herrn Landrat Dr. Bamberg, den Vertreter des hohen Kommissars, Herrn Stemmer, Bürgermeister Herch an der Spitze der Gemeinderäte und die zahlreich erschienenen Gräfendorfer Bürger. Da der in der letzten Versammlung bestimmte Schriftführer nicht anwesend war, wurde Frl. Edith Müller für den Abend als Schriftführerin gewählt.

Zur Tagesordnung übergehen wurde der von dem Bauern Otto Reusch eingebrachte Vorschlag zur Gründung einer Frischmilchverkaufsgenossenschaft in Gräfendorf behandelt. Der Antragsteller, der vor allem einmal die Meinung der Verbraucher hören wollte und sich mit anderen Erzeugern schon sehr lange mit diesem Problem beschäftigte, führte u. a. folgendes aus: Bereits jetzt schon kaufen 50 Prozent der Verbraucher ihre Frischmilch direkt beim Erzeuger ein, also nur die Hälfte bezieht die Frischmilch bei der von der Fa. Schipper geführten Milchsammelstelle. Sinn und Zweck der Genossenschaft soll es sein, die Milch an die Verbraucher billiger abzugeben, die Verdienstmöglichkeiten unter Ausschaltung des Handels für den Bauern zu vergrößern und den Verbrauchern den täglichen Bedarf an vollwertiger, nicht entrahmter und gepanschter Milch zu garantieren.

Mit dieser Lösung wäre beiden Teilen geholfen! Vorläufig sollte der Verkauf der Milch vom Erzeuger direkt an die Verbraucher erfolgen. Die Verrechnung jedoch nur über die Genossenschaft getätigt werden. Auch könnte man pro Liter Milch für die Genossenschaft 2–3 Pfennige einbehalten, um so die Möglichkeit zum späteren Ausbau einer Milchzentrale zu schaffen.

Weiterhin wäre vorgesehen, daß später durch diese Genossenschaft auch andere Konsumgüter vermittelt werden könnten. Sowohl Erzeuger als auch Verbraucher nahmen diesen Vorschlag begeistert auf.

Landrat Dr. Bamberg wies jedoch darauf hin, dass die Einrichtung einer solchen Genossenschaft sicherlich mit großen Schwierigkeiten verbunden sein wird und man diese Angelegenheit auch vom hygienischen Standpunkt aus betrachten müsse. Besondere Sorgen bereitet hier die Gefahr der Ansteckungsmöglichkeit durch Tuberkulose. Der Vertreter des hohen Kommissars, Herr Stemmer, begrüßte den Vorschlag zur Gründung einer solchen Genossenschaft sehr und sprach sich vor allem darüber lobend aus, dass er dies zum ersten Mal erlebe, dass solche Vorschläge aus der Versammlung selbst kämen.

Mit der Feststellung, dass die Molkereien bisher lange genug den Rahm abgeschöpft hätten und der Versicherung zur Überprüfung der Gründungsmöglichkeiten wurde dieser Punkt bis zur nächsten Bürgerversammlung zurückgestellt.

© Bearbeitung, Text, Scan von der Postkarte aus dem Privatarchiv Johannes Sitter, Gräfendorf