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Mitteilungsblatt der VG Gemünden a Main
Ausgabe 7/2024
Amtliche Bekanntmachungen
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Aus dem Archiv von Gräfendorf

Von links nach rechts: Johannes Sitter, Hermann Fischer, Bürgermeister Johannes Wagenpfahl und Archivar Hans-Georg Herch bei der Übergabe des Exemplars „Meine Gertrude Stein.“ Die Beschreibung des Treffens zwischen Alexander F. Nagel und Hermann Fischer wurde von Hermann Fischer selbst geschrieben. Die wurde voll inhaltlich übernommen.

Geschichten und Geschichte

Das Treffen des Biographen Alexander L. Nagel und Hermann Fischer aus Weickersgrüben über Gertrude Stein

„Meine Gertrude Stein“ lautet der Titel von Alexander L. Nagels Buch über Gertrude Stein, eine amerikanische Schriftstellerin, Verlegerin und Kunstsammlerin. Ihre Großeltern stammen aus Weickersgrüben. Darüber erzählt der Buchautor. Er beginnt zuerst mit einem Danke an Hermann Fischer aus Weickersgrüben und teilt den Lesern mit: "In erster Linie möchte ich Hermann Fischer aus Weickersgrüben für die deutsche Ausgabe danken. Er hat mich herzlich in seinem Haus empfangen und konnte als Fan von Gertrude Stein viel über die Vergangenheit der Familie Stein berichten. Die historischen Dokumente in diesem Buch stammen von ihm."

Hermann Fischers Wissen über die Familie Gertrude Stein und seine archivarische Arbeit in Weickersgrüben führten zu neuen Erkenntnissen im Stammbaum der ausgewanderten jüdischen Familie. Diese Erkenntnisses hat A. L. Nagel aufgeschrieben. Ein Exemplar schenkte Hermann Fischer dem Gemeindearchiv Gräfendorf. Dafür sagen wir ihm ein herzliches Vergelt`s Gott.

Wie das Treffen zwischen den beiden Fans von Gertrude Stein ablief, erfahren die Leser des Mitteilungsblattes in den beiden nächsten Ausgaben. Heute beschreibt Hermann Fischer seine Eindrücke über das Treffen mit Alexander L. Nagel. „Es war im Jahr 2017. Herr Nagel stand eines Nachmittags vor meiner Haustüre und stellte sich als Fan von Gertrude Stein vor. Wir kamen bei einer Tasse Kaffee schnell in ein freundschaftliches Gespräch in dessen Verlauf ich viel über ihn und auch über Gertrude Stein erfuhr. Herr Nagel, ein gebürtiger Niederländer, hatte sich nach seinem Germanistikstudium für das Lehramt an Gymnasien in den Niederlanden entschieden und unterrichtete dort das Fach Deutsch als Fremdsprache. Ich war angenehm überrascht von seinem Deutsch: Keine Grammatikfehler, keine Wortfindungsschwierigkeiten, richtige Betonung - mit anderen Worten, ich hätte von ihm lernen können.

Schon als Student hatte Gertrude Stein sein Interesse geweckt. Es gab kein schriftliches Zeugnis von ihr, das er nicht gelesen und in seiner Sammlung aufbewahrt hatte. Ich musste zu meiner Schande gestehen, dass ich kein einziges Werk von ihr komplett gelesen hatte. Sie war mir zu anstrengend und Vieles verstand ich einfach nicht. Ich hatte keinen Zugang zu ihrem Schreibstil gefunden. Erst nach der Lektüre von Alexander Nagels Buch, konnte ich mit viel mehr Interesse und Verständnis an ihre Texte herangehen. Ich denke, die Tatsache, dass Fachleute Gertrude Steins Werke der Weltliteratur zuordnen, ihre Leserschaft aber vergleichsweise klein ausfällt, ist auf diesen Aspekt zurückzuführen. Ohne intensives Beschäftigen mit ihrer Biografie, mit ihrer Gedankenwelt, mit ihrem Schreibstil, mit ihren Absichten und Zielsetzungen kann man ihre Werke nicht für sich erschließen.

Nun aber zurück zu Herrn Nagel. Er erzählte mir, dass Weickersgrüben schon seine zweite Station auf seiner Erkundungstour “Auf den Spuren von Gertrude Stein“ sei. Vorher habe er in Paris alle Stätten besucht, die in irgendeiner Weise in Verbindung zu ihr standen: ihre Wohnungen, ihr Atelier, ihre Lieblingsplätze und schließlich auch ihr Grab. Was ich als Alexander Nagels große Verdienste ansehe? Er hat es verstanden, auf schlichte Weise das Verstehen ihrer Texte begreiflich zu machen und er hat die erste vollständige und richtige Ahnentafel der Steins erstellt. Ich denke die Literaturwissenschaft wird darauf zurückgreifen.

Wie penibel und konsequent er dabei vorgegangen ist, kann ein Ausschnitt aus dem Emailverkehr, den er u. a. mit Herrn Dr. Hahn (Mitbegründer der Alemannia Judaica), mit Herrn Scherg (Kenner der jüdischen Geschichte im LKRs Main-Spessart, ehemaliger Bürgermeister von Marktheidenfeld) und mit Archivaren in Würzburg geführt hat, belegen. Ich hatte die Ehre, immer wieder vom neuesten Stand seiner Erkundungen unterrichtet und einbezogen zu werden. Text: Johannes Sitter, Gräfendorf.