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Mitteilungsblatt der VG Gemünden a Main
Ausgabe 8/2024
Amtliche Bekanntmachungen
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Aus dem Archiv von Gräfendorf

Geschichten und Geschichte

Gertrude Stein – Ortsgeschichte von Weickersgrüben

Alexander L. Nagel und sein Besuch in Weickersgrüben

Im letzten Mitteilungsblatt erfuhren die Leser Hermann Fischers, Schilderung zwischen ihm und Alexander L. Nagel. Heute zitieren wir den Schriftsteller selbst, wie er seinen Besuch in Weickersgrüben empfunden hat.

„Meine Gertrude Stein“ betitelt der in Rotterdam geborene Autor sein Buch über die amerikanische Schriftstellerin. Es enthält ein historisches Dokument, die Seite aus dem Protokollbuch vom 14. Juli 1840, in dem von einer Zusammenkunft der Familie Stein im Rathaus von Weickersgrüben berichtet wird. Diese hatte sich auf ihre bevorstehende Auswanderung bezogen. „Ein Schatz an Informationen, die ich sogar fotografieren durfte“, beginnt er überschwänglich. Eine Rundfunksendung über Gertrude Stein – „diese Rundfunksendung wurde mir später als digitale Version zugeschickt“, notierte er auf Seite sechs. Auf dieser und auf den folgenden Seiten stellt der holländische Buchschreiber seinen Besuch in Weickersgrüben dar. Er erzählt:

„Auf einer meiner Reisen durch Deutschland besuchte ich 2017 das etwa über 150 Seelen zählende und ausgestorben wirkende Weickersgrüben. Ich konnte mein Auto auf einem kleinen Parkplatz parken und stellte fest, dass kein Mensch zu sehen war, abgesehen von jemand, der dabei war, Steine zu zertrümmern. Ich schaute mich dann zuerst bei der Kirche um. Vielleicht würde ich dort einen Friedhof finden. Den gab es aber, weil es sich um eine katholische Kirche handelt, wurden dort wohl keine Angehörigen der Stein-Familie begraben. Also sprach ich dann den Mann an, der da einsam bei der Arbeit war und fragte ihn, ob ihn vielleicht die Familie Stein bekannt sei. Ja, die sei hier bekannt. Es hätte da vor etwa einem Jahr einen Zeitungsartikel über sie gegeben, und er könnte mir auch erzählen, wo sich das „Judenschloss“ befindet. Ich spazierte dorthin, sah mir das baufällige Gebäude an und fotografierte es. Hineingehen konnte ich nicht. Als ich wieder beim Steine hackenden Mann war, wurde mir erzählt, dass etwas weiter jemand wohne, der viel über die Stein-Familie wüsste. Zusammen gingen wir zum Haus und hatten Glück, denn die besagte Person kam gerade nach Hause. Nein, das wäre Herr Fischer, der viel über die Familie erzählen könnte. Ich solle nur in sein Auto einsteigen, dann würde er mich schon hinfahren. Und etwas später machte ich Bekanntschaft mit Hermann Fischer, einem ehemaligen Lehrer, der an einer Schule für schwer erziehbare Kinder gearbeitet hatte und sich schon eine Ewigkeit mit Gertrude Stein und ihrer Familie beschäftigte. Ich wurde begeistert empfangen, bekam Kaffee und sollte einmal erzählen. Das tat ich natürlich. Zur Belohnung zeigte er mir Zeitungsartikel und erzählte, dass es eine Rundfunksendung über Gertrude Stein gegeben hätte. Auch durfte ich mir historische Dokument anschauen. Außerdem sollte ich mal Gräfendorf besuchen, denn Weickersgrüben wäre jetzt ein Ortsteil von Gräfendorf. Der Bürgermeister verwaltet das Archiv, und vielleicht wird man dort fündig. Ich fuhr hin, aber das Rathaus war geschlossen und der Bürgermeister in einem anderen Ort.“

Bei seiner Rückreise bemerkte er, dass „Weikersgrüben“, also ohne c auf dem Ortsschild stand und kommentierte süffig: „Nicht nur für amerikanische Biografen, diese hatten „Weigersgruben“ protokolliert –, sondern auch für deutsche Beamte erwies sich der Ortsname als schwierig zu buchstabieren“.

© Das Foto ist ein Scan-Bild der Titelseite von Alexander F. Nagel. Der Text sind Auszüge aus seinem Buch. Zusammengestellt hat den Artikel Johannes Sitter, Gräfendorf.