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Germaringer Gemeindeblatt
Ausgabe 11/2023
Kurz informiert
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Kurz informiert

Das Kriegsende in Germaringen am 27. April 1945…

FORTSETZUNG….

Große Erregung im Ort kam auf, als die Amerikaner die abgelieferten Waffen an die nun freien Ausländer verteilten. Die serbischen Kriegsgefangenen, zu denen das Verhältnis immer gut gewesen war, beschützten die Bewohner in den folgenden Tagen vor Plünderungen der in Steinholz und Riederloh untergebrachten Zwangsverschleppten.

Mit tiefer Sorge beobachteten die Obergermaringer den Durchzug der Amerikaner nach Kaufbeuren. Es darf wohl als ein großes Glück bezeichnet werden, dass auch die durchziehenden Truppen die Bunker der Dynamit AG nicht entdeckten. Sicher wurde damit großes Unheil für die ganze Umgebung abwendet.

Die Besetzung durch die Amerikaner verlief somit ohne Zwischenfälle.

Der 2. Weltkrieg war schon 5 Monate zu Ende. Da ereignete sich in Obergermaringen ein tragisches Unglück. Im Lager Riederloh waren Ende September 1945 immer noch einige Tausend ehemalige ausländische Gefangene.

Von diesen machten sich 3 Polen auf den Weg ins Dorf, um die reifen Äpfel in einem Bauerngarten zu verkosten. Der Eigentümer bemerkte dies und forderte sie nach einiger Zeit auf, das Grundstück zu verlassen. Doch einer der Polen schoss ihm mit seiner Pistole in den Oberarm. Der Bauer gehörte zu den in Obergermaringen eingesetzten Ortspolizisten. Er holte sein Gewehr und schoss, ohne genau zu zielen, einem der Polen mitten in die Stirn. Dieser war auf der Stelle tot. Bürgermeister Johann Seitz meldete das Unglück im Lager Riederloh. Besonders bei den Landsleuten des Toten löste die Nachricht eine große Empörung aus. Sie drohten, aus Rache das ganze Dorf anzuzünden.

Doch die Lagerleitung war sehr besonnen, besonders die Amerikaner fällten das Urteil, dass der Pole schuld sei und der Hofbesitzer recht gehandelt hätte. Sie verlangten zwar, den Toten mit dem Fuhrwerk ins Lager zu bringen, sicherten aber freies Geleit zu. Alexander Dokic, der während des Krieges im Dorf als Gefangener arbeitete, stellte sich in serbischer Uniform mit dem 17-jährigen Hans Scharrer sofort zur Verfügung, um das Gefährt mit dem Motorrad zu begleiten. Benedikt Kustermann, der erst wenige Tage zuvor vom Krieg heimkehrte, fuhr zusammen mit Narziß und Alois Wachter und Ignaz Mayrhofer mit Schlepper und Anhänger um 22 Uhr ins Riederloh. Die Verantwortlichen hatten Wort gehalten, die nicht leichte Mission war gut ausgegangen.

In Obergermaringen nahm man die Androhung der Polen sehr ernst. In mehreren Gruppen von 2 bis 3 Mann, die jeweils mit dem Rohr einer Panzerfaust, das nur Lärm verursacht hätte, ausgestattet waren, wurde 3 Wochen im gesamten Dorf Nachtwache gehalten. Es kam – Gott sei Dank – zu keinerlei Zwischenfällen.

Die Zeit nach dem Krieg:

Das Leben im Dorf ging weiter, wenn auch die Bevölkerung zunächst Angst hatte. Vor das Bürgermeisteramt führen öfter Jeeps, um aus den abgelieferten Waffen die besten auszusuchen.

Durch das Dorf bewegte sich ein kilometerlanger Zug von deutschen Kriegsgefangenen in Richtung Kaufbeuren.

Eine große Anzahl wurde im nahen Lager Steinholz, in dem während des Krieges 472 Juden verstorben waren, untergebracht. Die ehemaligen Soldaten konnten nicht mehr in ihre Heimat (Ostpreußen, Schlesien u. a.) zurückkehren. Sie fanden im Riederloh bei den Firmen Sauermann und in der Umgebung eine Arbeit.

Es kam schon vor, dass sich Soldaten aus der Menge entfernten, um sich im Stall zwischen den Kühen zu verstecken. Wieder andere nahmen die nächstbeste Heugabel in die Hand, um als Bauer getarnt im Dorf zu verschwinden. Sie halfen den Bauern bei der Stallarbeit und wurden dafür verpflegt. Die Amerikaner durchsuchten immer wieder die Stallungen nach deutschen Soldaten. Wer Glück hatte, wurde nicht gefunden. Er entging so der Kriegsgefangenschaft und konnte nach einigen Wochen im Lager in Biessenhofen seinen Entlassungsschein aus der Wehrmacht holen.

Bäcker und Metzger hatten alle Hände voll zu tun, damit die Ausländer, die sich in Steinholz und im Riederloh zentralisierten, mit den notwendigsten Lebensmitteln versorgt werden konnten. Um dies einigermaßen in den Griff zu bekommen, verteilte der Bürgermeister Berechtigungsscheine für Brot und Fleisch. Auf Grund des starken Zustroms von Flüchtlingen war die Lebensmittellage in und um Kaufbeuren sehr angespannt. Die Landwirte mussten wie überall im besetzten Deutschland Kühe, Getreide und Kartoffeln, Milch und Eier abliefern. Zwischen der Stadt- und Landbevölkerung herrschte bis zur Währungsreform 1948 reger Tauschhandel:

„Tausche Teppich gegen Lebensmittel!“ Auch die Verwandten, die in Städten wohnten, waren froh, wenn sie von ihren Angehörigen vom Land etwas zu essen bekamen. Die Amerikaner suchten den Kontakt zu der Zivilbevölkerung.

Tanzveranstaltungen im Gasthaus Bader trugen zum gegenseitigen Kennenlernen bei. Nicht immer einfach war die Verständigung, da zur damaligen Zeit kaum jemand im Dorf Englisch sprach. Zeitzeugen erinnern sich auch daran, dass vor allem die Afro-Amerikaner im Ort Aufsehen erregten, denn bis dahin hatte man noch nie Schwarze gesehen. Die Kleinen bekamen von den amerikanische Soldaten Schokolade und Kaugummi, den die Kinder aus dem Dorf bis dahin nicht kannten.

Die Besetzer zeigten große Vorliebe für Geflügel und Eier.

Das Leben im Dorf hat sich verhältnismäßig schnell wieder geordnet. Eine kleine Einheit Amerikaner blieb etwa 6 Wochen im Ort. Die Bauern konnten der Frühjahrsbestellung bald ohne Behinderung nachgehen.

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Im Gemeindeamt für 40,- Euro erhältlich…