Links ist Paul Didelot und rechts Pierre Duez zu sehen. Beide waren in der frz. Festung Manonviller stationiert und wurden dort am 27. August 1914 von den bayerischen Truppen gefangen genommen. 2016 waren sie dann in Grabenstätt.
Der Grabenstätter Ortsheimatpfleger Gust Lex bei seinem Vortrag „Gefangen in Grabenstätt – Schicksal des Kriegs“. Im Vordergrund ist Zitherspieler Andreas Lex zu sehen, der Enkel von Gustl Lex. Zusammen begeisterten sie die rund 100 Besucher in der Schlossökonomie. Der Heimat- und Geschichtsverein Achental hatte den Abend veranstaltet.
Ein Dachbodenfund machte den Vortrag möglich
Gustl Lex, Ortsheimatpfleger von Grabenstätt und kundiger Regionalgeschichtler, ist immer auf der Suche nach außergewöhnlichen historischen Themen mit Heimatbezug. Wenn er sie dann gefunden und aufbereitet hat, stellt er sie in klugen, lebendigen Vorträgen in Mundart einem großen Publikum vor. Es geht oft um kultur- und sozialgeschichtliche Ereignisse und Entwicklungen, besondere Lebensgeschichten und Einzelschicksale, bei denen er zum besseren Verständnis auch gerne weiter ausholt - wie zuletzt in seinem Vortrag „Gefangen in Grabenstätt - Schicksal des Kriegs“, den er auf Einladung des Heimat- und Geschichtsvereins Achental in der Schlossökonomie Grabenstätt gehalten hat. Über 100 Besucher waren gekommen, um zu erfahren, was Lex Spannendes anhand einer Feldpostkartensammlung eines französischen Kriegsgefangenen über den Ersten Weltkrieg zu erzählen hatte.
Auf dem Dachboden seines Elternhauses, in dem seit 1903 bereits seine Großeltern gelebt hatten, fand Lex in der Corona-Zeit 66 gut verstaute Postkarten und einige Fotografien aus dem frühen 20. Jahrhundert. Sie waren an den französischen Soldaten und Kriegsgefangenen Pierre Duez gerichtet. Damit war Lex´ Neugier geweckt. Er begann zu recherchieren. Seine Suche führte ihn bis ins Münchner Kriegsarchiv und sogar nach Paris.
Zu Beginn seines Vortrages ordnete Lex zunächst die Umstände des Ersten Weltkrieges in größere Zusammenhänge ein: Wie stand es um Europa zu Beginn des 20. Jahrhunderts? Was löste den Krieg 1914 aus? Wie ging es den Menschen zu Kriegszeiten? Und wie ist das Einzelschicksal des französischen Soldaten Pierre Duez verlaufen, an den die Postkarten gerichtet waren beziehungsweise, die er selbst geschrieben hatte? Und vor allem wie kam es zur Verbindung in den Chiemgau? Ein ehemaliger Kriminalbeamter und Hobbyhistoriker mit guten Kontakten nach Frankreich half Lex bei seiner akribischen Spurensuche. Wie sich herausstellte, waren Pierre Duez und dessen Kamerad Paul Didelot 1914 bei der Erstürmung der französischen Festung Manonviller in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten und dann in ein Gefangenenlager nach Bayern gebracht worden. Über Umwege kamen sie schließlich nach Eggstätt und dann 1916 nach Grabenstätt. Duez fand in der dortigen Schlossbrauerei Arbeit und freundete sich wohl mit Lex Großvater Michael Lex an, der dort ebenfalls tätig war. Nur so sind die vielen Briefe und Postkarten von Duez auf dem Dachboden von Familie Lex zu erklären. Zum Glück ist man in den letzten 120 Jahren nie umgezogen, denn ansonsten wären diese großartigen Zeitdokumente vielleicht verloren gegangen. Lex führte auch aus, was an der Front im schrecklichen Stellungskrieg geschah, wie sehr das Kriegsgeschehen in das Alltagsleben der Menschen eingriff, wie die Bevölkerung zu leiden hatte und wie die Kriegsgefangenenlager für Tausende von Zwangsarbeiter organisiert waren - eine große Maschinerie steckte dahinter.
In seinem Privat-Archiv entdeckte Lex auch ein altes Bild, das französische Kriegsgefangene in Grabenstätt zeigt. Ob auch Duez und Didelot darauf zu sehen sind? Gut möglich, man weiß es nicht. Dass es Duez in Grabenstätt wohl recht gut erging, ist daran abzulesen, dass er nach einem kurzen Heimaufenthalt freiwillig in die „Gefangenschaft“ zurückkehrte. Die Aussicht wieder an der Front zu landen, war für ihn vermutlich bedrohlicher. In seinem detailreichen, gut strukturierten und anschaulichen Vortrag bewies Lex, dass auch im Dialekt schwierige Sachzusammenhänge wunderbar dargelegt werden können. Angesichts der vielen Kriege und Konflikte der Gegenwart gab er seinen Zuhörern am Ende die (rhetorische) Frage mit auf den Weg, ob die Menschheit aus den früheren Geschehnissen gelernt habe. Menschlichkeit sollte der Leitgedanke für alle sein, so Lex. Klangvoll umrahmt wurde der Abend vom jungen Zitherspieler Andreas Lex. Er ist der Enkel von Gustl Lex. Für beide gab es viel Applaus.
Bericht und Bild vom örtlichen Presseberichterstatter
Markus Müller.