Die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie „Fernwärmeversorgung Ortsbereich Erlstätt“ waren Thema der Gemeinderatssitzung im Januar. Der Vorstand des Regionalwerks Chiemgau-Rupertiwinkel, Michael Perkmann, erklärte Optionen für Erlstätt und den gesamten Gemeindebereich. Im Regionalwerk sind 31 Gemeinden und Städte in den Landkreisen Traunstein, Berchtesgadener Land, Altötting und Rosenheim, darunter Grabenstätt, mit dem Ziel, das Thema „Energie“ wieder selbst in die Hand zu nehmen. Das Regionalwerk baut und betreibt Anlagen im Strom- und Wärmebereich. Langfristig sollen Strom- und Energienetze ganz in kommunale Hand kommen, Wärmenetze und regionale Wärmeverbünde sollen aufgebaut werden.
Die noch 2020 angedachte Erweiterung des Erdgasleitungsnetzes der Stadtwerke Traunstein für Erlstätt hatte die Gemeinde Grabenstätt angesichts des Ukraine-Kriegs schnell verworfen. So beauftragte man 2022 das Büro Ing. Kess mit der Machbarkeitsstudie für Möglichkeiten einer Fernwärmeversorgung in Erlstätt. Das Ergebnis wurde dem Gemeinderat im Sommer nichtöffentlich vorgestellt. „Öffentlich diskutiert wurde das Thema noch nicht, weil sich in puncto Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und nicht zuletzt auch wegen der zurückliegenden energiepolitischen Entwicklungen große Fragezeichen ergeben hatten“, so Bürgermeister Gerhard Wirnshofer. Aufgrund dieser schwierigen Gemengelage wäre es „nicht angebracht gewesen, bei den Bürgern große Erwartungshaltungen zu wecken“. Der Studie zufolge wäre eine zentrale Wärmeversorgung für Erlstätt „aus technischer Sicht grundsätzlich machbar“. Je nach Modell bestehe aber ein hohes Risiko, dass die Umsetzung unwirtschaftlich würde. Sinn und Zweck einer Fernwärmeversorgung bzw. eines dafür zu gründenden Unternehmens könne es nicht sein, dieses über Jahre oder Jahrzehnte durch Gemeindemittel zu subventionieren. Auch sei die nachhaltige und vollständige Brennstoffversorgung mit Hackschnitzeln aus der Region nur bedingt gesichert. Man brauche aber regionale Lieferanten, um CO2-Emissionen einzusparen. Ideallösung wäre laut Wirnshofer ein Energiemix, der aber auch viele Fragen aufwerfe.
Perkmann stellte klar, dass im Grunde zwei Varianten in Frage kämen. Beide Varianten unterlägen in puncto Wirtschaftlichkeit den gleichen Kriterien. Diese werde von vielen Faktoren beeinflusst, besonders aber von Leitungslänge, Netzverlust und anzuschließenden Bestandsgebäuden. Preismodelle, die wirtschaftlich betrachtet einen zukunftsorientierten Spielraum böten, stießen beim Kunden aber nicht unbedingt auf Akzeptanz. Während die Preise für Erdgas, Heizöl und Holzpellets von 2021 bis 2022 enorm gestiegen seien (verdoppelt oder fast verdreifacht), sei die Preisentwicklung bei Hackschnitzeln – als Nebenprodukt in der Forstwirtschaft – „relativ konstant“ geblieben. Regionale Hackschnitzel gebe es derzeit zwar noch, zur Wahrheit gehöre aber auch, dass es auf absehbare Zeit nicht so viel Holz gebe, um den Brennstoffbedarf decken zu können (gilt für Deutschland und andere Länder). Schon heute würden rund eine Million Kubikmeter Brennholz pro Jahr importiert, beispielsweise aus der Ukraine, Litauen oder Rumänien. Eigentlich werde beim Verbrennen von Hackschnitzeln nur so viel Kohlendioxid freigesetzt, wie der Baum zu Lebzeiten im Holz gespeichert hat. Bei längerer Anlieferung gerate die CO2-Bilanz aber in erhebliche Schieflage.
Daher seien EU-Richtlinien mittlerweile nationales Recht, betonte Perkmann und verwies auf Brennstoffeinschränkungen, die sich in den Fördergesetzen widerspiegelten. Davon abhängig sei die Feuerungsleistung eines Heizwerks demnach nur mit bestimmten Brennstofflisten zulässig.
Neben der Brennstoffbeschränkung dürften laut BEW-Gesetz Heizanlagen für Waldhackgut nur noch mit weniger als einem Megawatt (MW) Leistung betrieben werden. Mehrere (kleinere) Heizwerke würden zusammengerechnet.
Bezogen auf Erlstätt bedeute das, dass die Wärmeleistung eines solchen Heizwerks gar nicht reiche, denn erforderlich wären zwei bis drei MW. Bereits bei der Einreichung eines Förderantrags seien langfristige Lieferverträge vorzulegen. Vor diesem Hintergrund komme man zu dem Schluss, dass ein Hackschnitzelheizwerk langfristig nicht die einzige Lösung sei. Die Antwort könne nur ein Energiemix sein. Als Ergänzung für Fernwärme nannte Perkmann Biomasse, oberflächennahe Geothermie, Biogas/Biomasse der Landwirte, Tiefen-Geothermie und den SOBOS-Wärmeverbund Südostbayern-Oberösterreich-Salzburg. Tiefen-Geothermie (Nutzung von Erdwärme) käme vor allem dann in Betracht, wenn womöglich in den kommenden Jahren anstehende Testbohrungen bei Nußdorf entsprechende Erfolge zeigten.
Oberflächennahe Geothermieanlagen (Grundwassersonden) könnten für den Betrieb einer zentralen Wärmepumpe eine sinnvolle Ergänzung sein, so Perkmann. Die Potenzialkarte im Energieatlas Bayern deute jedenfalls auf entsprechende Grundwasservorkommen bei Erlstätt und somit auf die Möglichkeit größerer Anlagen hin. Für eine oberflächennahe Geothermie brauche man zwei Brunnenschächte, abgeteuft auf jeweils zirka 50 Meter, hieß es. Die Grundwassernutzung erfolgt bekanntermaßen durch einen Wärmetauscher – einen geschlossenen Grundwasserkreislauf. Das Grundwassergleichgewicht bleibe bestehen. Die Kosten für eine entsprechende Brunnenanlage beliefen sich auf 1,5 bis 2 Millionen Euro. Allein die Bohrung einer Tiefen-Geothermieanlage (einige Tausend Meter tief) koste ungefähr das Zehnfache. Erlstätt liege im „Dunstkreis“ eines solchen Tiefen-Geothermie-Projekts. Ob und wann das Projekt bei Nußdorf gegebenenfalls umgesetzt werde, stehe noch nicht fest, so Perkmann.
Gleichgültig, für welche Kombination man sich entscheide, für die Weiterleitung der Wärme zu den Liegenschaften brauche man ein Leitungsnetz. Die Kosten könnten erst im Rahmen einer konkreten Planung beziffert werden. In die Wirtschaftlichkeitsberechnung müssten dann alle langfristigen Kosten eingerechnet werden, auch eine spätere Netzerweiterung. Vor einer Gesellschaftsgründung müsste die Gemeinde weitere Studien in Auftrag geben und Umfragen veranlassen.
Zum Abschluss ging Perkmann noch auf die Kommunale Wärmeplanung ein, für die die Gemeinde Grabenstätt bereits einen Förderantrag gestellt hat. Mit der Kommunalen Wärmeplanung sei nicht die Planung eines Wärmenetzes gemeint, sondern die Schaffung einer Grundlage, um eine klimaneutrale Wärmeversorgung für das gesamte Gemeindegebiet zu erreichen. So soll eine Wärmewendestrategie entwickelt werden. Zunächst ist der Bestand zu analysieren, ehe Sanierungspotenziale herausgearbeitet werden. Anschließend wird ein Zielszenario aufgestellt, wie CO2-Neutralität erreicht werden kann. Anhand von Siedlungsstruktur, Entwicklungspotenzialen und künftiger Planungen würden sogenannte Cluster gebildet. In der letzten Phase würden Maßnahmen definiert und priorisiert. Erst dann könnten konkrete Maßnahmen vorangetrieben und umgesetzt werden. Für den Bürger ergibt sich daraus jedenfalls eine Orientierungs- und Entscheidungshilfe für die Zukunft.