Obwohl sich ein jahrelanger Zivilrechtsstreit vor dem Landgericht Traunstein wegen Schäden am Dach der Schulturnhalle abzeichnet, unternimmt der Markt Grassau alles, um die Halle möglichst bald wieder für den Schulbetrieb und die Vereine zu öffnen.
Bürgermeister Stefan Kattari sieht einen „Silberstreif am Horizont“. Der Grund: Der Marktgemeinderat habe unabhängig vom Verfahrensausgang bereits den Auftrag zur Dachsanierung bei Kosten von rund 330 000 Euro an das Unternehmen Züblin Timber vergeben. Baubeginn werde bereits im Oktober sein. Am Sachstand des laufenden Prozesses vor der Neunten Zivilkammer am Landgericht Traunstein mit vorsitzendem Richter Dr. Ralf Burkhard mit einem Streitwert von 160 000 Euro hat sich nach Kattari seither wenig verändert, abgesehen davon, dass mit dem damaligen Statikbüro ein weiterer Beklagter hinzugekommen ist. Der Bürgermeister begründete: „In der mündlichen Verhandlung vor zwei Monaten hat sich herausgestellt, dass die Statik eine größere Rolle spielt als vorher gedacht.“ Der Markt Grassau fordere weiter Schadensersatz von dem Planungsbüro und einer Zimmerei, die die schadhaften Leimbinder eingebaut hatte, sowie von dem Lieferanten der Leimbinder.
Das Gebäude ist seit Oktober 2022 gesperrt. Es war im Oktober 2019 eröffnet worden und zeigte bereits vier Monate danach Risse im Tragwerk aus verleimtem Fichtenholz. Aufgrund vorgerichtlicher Expertisen schloss die Gemeinde das Gebäude aus Sicherheitsgründen. Nach einem halben Jahr durfte die Halle wieder benutzt werden. Um für den Schaden nicht selbst aufkommen zu müssen, zog die Kommune im Oktober 2021 per Klage zum Landgericht Traunstein. Die Neunte Zivilkammer gab damals bei Mandy Peter aus München, einer öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Holzbau bei der Industrie- und Handelskammer in München, ein gerichtliches Gutachten in Auftrag. Die Diplomingenieurin ordnete im Oktober 2022 die Schließung der Halle an. Sie konstatierte in der ersten mündlichen Verhandlung im Juli 2024, das Holz der betroffenen Leimbinder sei beim Einbau „nicht ausreichend trocken“ gewesen. Die Ausführung sei „mangelhaft“. Mandy Peter weiter: „Zweifel an der Tragfähigkeit der Dachkonstruktion sind berechtigt.“ Der vorsitzende Richter sprach von einem „eindeutigen“ Ergebnis. Es müsse wohl nachgebessert werden. Die Achsen zwei bis zehn wiesen besonders viele Schwundrisse auf. Turnhallen fielen unter die Gebäudeklasse I und seien relativ trocken. Aus dem Leimbuch des Lieferanten seien zwar Feuchtigkeitswerte ersichtlich, nicht aber konkrete Messungen und in welcher Tiefe sie gezogen wurden. Nur außen an der Oberfläche zu messen, genüge nicht, betonte der vorsitzende Richter. Zur Frage, ob vor dem Einbau die Holzfeuchte von Leimbindern gemessen werden müsse, gab die Diplomingenieurin Auskunft: „Bei der Wareneingangskontrolle auf der Baustelle muss der Wert ermittelt und dokumentiert werden.“ Derartige Unterlagen habe sie nicht erhalten. Entsprechende Messtechniken existierten. Ganzjährig gleichbleibende Temperaturen in der Halle, wie von einer DIN-Norm verlangt, seien nur mittels Klimaanlage möglich, nicht aber – wie in Grassau – mit einer Lüftungsanlage. Der von der Gemeinde schon vor der Klage eingeschaltete Privatgutachter Dr. Lutz Schöne ergänzte: „Mit neun Prozent Holzfeuchte beim Einbau und ohne größere Feuchtigkeitsschwankungen im Gebäude hätte es keine Schwundrisse gegeben.“
Bürgermeister Stefan Kattari betonte auf Anfrage, die von der gerichtlichen Sachverständigen geschätzte Schadenssumme von 160 000 Euro brutto sei nicht gedeckelt, seien doch eventuelle Kostenerhöhungen darin nicht berücksichtigt. Ein Beispiel: Während der Sanierungsarbeiten müsse jeder der zehn Leimbinder über sieben Punkte am Boden abgestützt werden. Der Turnhallenboden sei empfindlich: „Wir wollen weiteren Schaden unbedingt vermeiden.“
Den Sanierungsauftrag habe der Marktgemeinderat dem Unternehmen Züblin Timber, einer Firma, die Ende der 1990-er Jahre bereits das Dach des Hallenbads Prienavera erfolgreich saniert habe, erteilt. Dazu Stefan Kattari: „Dieses Projekt war ein positives Beispiel für einen guten Ausgang. Wir, ebenso unser Gutachter Dr. Schöne, sind zuversichtlich, dass man auch die Probleme in Grassau lösen kann.“
Vorbereitende Maßnahmen wie den Abbau der Sportgeräte habe man schon selbst erledigt, ergänzte das Gemeindeoberhaupt. In dem Auftrag an Züblin Timber seien zusätzliche Maßnahmen enthalten. Bis Februar 2025 seien „vielleicht schon entscheidende Schritte“ getan. Zum endgültigen Abschluss der Arbeiten sei noch keine Aussage zu treffen.
Nach Kattari ist Grassau gerüstet, das Großprojekt über Jahre hinweg aus Eigenmitteln vorzufinanzieren. Alle mit künftigen Arbeiten betrauten Firmen würden ihr Geld ohne Verzögerung erhalten. Der Prozessausgang vor dem Landgericht Traunstein sei aber „weiterhin offen“: „Es geht doch um hohe Beträge, die die Versicherungen der Prozessbeteiligten abdecken müssen.“