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Grassauer Gemeindezeitung
Ausgabe 25/2024
Das Rathaus berichtet
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Rechtsstreit um Risse im Tragwerk des Turnhallendaches

Vergleichsvorschlag ist realistisch: Unklare Ursachen für Risse sorgen für Prozessrisiko

Das Verfahren am Landgericht befasst sich mit Schadensersatzforderungen gegen mehrere Unternehmen. Eine Entscheidung über den Fortgang des Verfahrens wird am Montag, den 20. Januar, erwartet.

Es gibt nach derzeitigem Stand keine „monokausale“ Erklärung für die Rissbildung im Tragwerk des Turnhallendachs in Grassau. Im Prozess der Neunten Zivilkammer am Landgericht Traunstein betonte Vorsitzender Richter Dr. Ralph Burkhard: „Eine genauere Bestimmung wird retrospektiv nicht möglich sein. Die Beteiligten werden mit Prozessrisiken planen müssen. Nach Erkenntnis des Gerichts verlief damals nicht alles nach Regel der Technik.“ Wie das Verfahren mit einem Streitwert von 160.000 Euro weitergeht, wird der Vorsitzende Richter am 20. Januar um 14 Uhr verkünden.

Schadhafte Leimbinder

Der Markt Grassau fordert in dem seit Juli 2024 laufenden Zivilprozess Schadensersatz von dem Planungsunternehmen, dem Statikbüro, der Zimmerei, die die schadhaften Leimbinder eingebaut hatte, sowie vom Lieferanten der Leimbinder. Unabhängig von einem möglicherweise jahrelangen Rechtsstreit unternimmt der Markt Grassau alles, die Turnhalle baldmöglichst wieder für den Schulbetrieb und die Vereine zu öffnen. Seit Oktober laufen die rund 330 000 Euro teuren Sanierungsarbeiten der Firma Züblin Timber. Bürgermeister Stefan Kattari konnte zum Zeitpunkt der Wiedereröffnung jedoch noch nichts Konkretes sagen. Bereits vier Monate nach der Eröffnung im Oktober 2019 hatten sich Risse im Hallentragwerk aus verleimtem Fichtenholz gezeigt. Ein vorgerichtliches Gutachten zog die vorübergehende Schließung der Halle aus Sicherheitsgründen nach sich. Nach einem halben Jahr Betrieb und einer Schadensersatzklage zum Landgericht Traunstein im Oktober 2021 wurde das Gebäude im Oktober 2022 erneut und bis heute dicht gemacht. Das hatte eine vom Gericht beauftragte Sachverständige der Technischen Universität München - die Diplomingenieurin Mandy Peter, eine öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Holzbau bei der Industrie- und Handelskammer in München - angeordnet.

Vor der Neunten Zivilkammer schilderte Mandy Peter im Juli 2024, das Holz der betreffenden Leimbinder sei beim Einbau „nicht ausreichend trocken“ gewesen. Die Ausführung sei „mangelhaft“. Zweifel an der Tragfähigkeit der Dachkonstruktion seien berechtigt. Der Vorsitzende Richter meinte aufgrund des „eindeutigen“ Ergebnisses, es müsse wohl nachgebessert werden. Turnhallen unterlägen der Gebäudeklasse I und seien relativ trocken. Aus dem Leimbuch des Lieferanten seien zwar Feuchtigkeitswerte ersichtlich, nicht aber konkrete Messungen. Ganzjährig gleichbleibende Temperaturen in der Halle, wie von einer Din-Norm verlangt, seien nur mittels Klimaanlage zu erreichen, nicht aber – wie in Grassau – mit einer Lüftungsanlage.

In dem mündlichen Termin am Montag, 25. November 2024, hob der Vorsitzende Richter heraus, Peter und die TU München hätten „schon ein bisschen Pionierarbeit geleistet“. Zwischen der Einbaufeuchte der Leimbinder und der Feuchtigkeit im Betrieb bestehe ein Zusammenhang. Er glaube jedoch nicht, dass sich ein neuer Gutachter eindeutig festlegen würde. Eine weitere Unsicherheit seien eventuelle planerische Vorgaben. Mit diesen Unsicherheiten müssten die Prozessbeteiligten leben. Dr. Burkhard mahnte: „Wenn Sie bis zum Bundesgerichtshof streiten wollen, können Sie das tun.“ Man hätte damals zum Beispiel anfragen können, welche Feuchtewerte gewünscht waren. Ob das allerdings schon Regel der Technik sei, wisse er nicht. Dass die Parteien unterschiedliche Standpunkte vertreten, sei verständlich. Andererseits weise „nicht jeder Bau Risse auf“. Die Gutachterin habe nicht gesagt, wer für was zuständig sei, warf der Vertreter des Planungsbüros ein. Die Holzfeuchte sei vermutlich eher eine Frage der Materialgüte beziehungsweise des Einbaus. Im Übrigen existierten keine Messprotokolle. Es sei auch kein rein statisches Problem, ergänzte Dr. Burkhard. Aus seiner Sicht sei die Quintessenz des TU-Gutachtens: Das Regelwerk müsse verbessert werden.

An ein „Traumwetter“ bei der Anlieferung und beim Einbau der ersten Binder erinnerte sich ein damaliger Zimmerer im Zeugenstand. Sie seien in einwandfreiem Zustand auf der Baustelle angekommen. Bei der Kontrolle habe er „natürlich“ die Holzfeuchte gemessen, konkret am ersten Binder. Die exakten Werte wisse er nicht mehr. Sie hätten sich im normalen Bereich zwischen 11 und 13 Prozent Holzfeuchte bewegt. Damit sei nichts Zusätzliches zu veranlassen gewesen, unterstrich der Handwerker. Er selbst habe nur den ersten Binder gemessen, den Rest ein inzwischen verstorbener Kollege. Wäre etwas auffällig gewesen, hätte sich dieser bestimmt sofort gemeldet, hob der Zeuge heraus.

Keinerlei Auffälligkeiten

Ob das Gericht aufgrund der Unwägbarkeiten einen Vergleichsvorschlag mit Prozentsätzen unterbreiten und damit den Prozess ohne Urteil beenden wolle, erkundigte sich einer der Anwälte. Dazu Dr. Burkhard: „Ich habe nichts parat, werde mich aber auf den Hosenboden setzen.“