Dass die Wahlkampfveranstaltung der Rosenheimer AfD im kleinen Heftersaal, gewissermaßen im Hinterland, ohne größere Aufmerksamkeit vonstattengehen könnte, dem setzten politische Vereinigungen und Bündnisse eine breit angekündigte Demonstrationen entgegen. Überrascht zeigten sich die Organisationen des neuen Bündnisses „Aufstehen gegen Rassismus“ (AGR) von dem Widerhall und der großen Menge an Demonstranten, die ihrem Ruf folgten. Geschätzt werden einige hundert Versammlungsteilnehmer. In großer Zahl war auch die Polizei vor Ort und behielt den Überblick.
Die Demonstration fand nicht, wie angekündigt, direkt im Zentrum am Kirchplatz, sondern von der Hauptstraße abgewandt auf dem Heftersaal Vorplatz statt. Dies hatte den Vorteil, dass die Sprecher nicht durch den Verkehrslärm gestört wurden und ihre Statements deutlich zu hören waren. Wie die Sprecherin des AGR-Bündnisses Chiemgau sagte, betrachte sie sich als Feministin und sei, in den Augen der AfD damit bereits hässlich und grässlich. Es werde erzählt, wie schön es ist sich, wie das Trad-Wife, um Mann und Heim zu kümmern und damit Frauen in eine wirtschaftliche Abhängigkeit gedrängt, was diesen schwer mache sich von gewaltigen Männern zu lösen. Auch spreche die AfD den Frauen die gleichen Rechte wie den Männern ab. „Und ausgerechnete die AfD möchte Frauen schützen. Ich brauche keinen rechtsgescheitelten Siegfried, der den Drachen tötet. Das mache ich allein“, sagte sie. Die AfD sehe in den Muslimen und Queren Menschen eine Bedrohung. Sie habe Rassismus erlebt, wisse von den Feindbildern und habe Angst zur Zielscheibe zu werden. Jeder habe seine eigene Geschichte und Grund hier zu sein. „Was uns vereint, ist, dass wir dafür einstehen, dass Hass und Hetze keinen Platz haben.
„Einen unpassenderen Ort als Grassau hätte sich die AfD nicht aussuchen können“, so Bürgermeister Stefan Kattari am Rednerpult. Grassau sei das gute Beispiel wie Zusammenleben gelingen kann. „Wir leben mit Menschen aus über 60 Nationen zusammen“, so der SPD-Bürgermeister. Er erinnerte an die Körting Radiowerke und die ersten Gastarbeiterfamilien, die in Grassau ebenso heimisch wurden, wie die Vertriebenen des Weltkrieges und die Geflüchteten der Balkankriege. Wir sind den Umgang mit ausländischen Mitbürgern gewöhnt. Als Beispiel nannte er einen der ersten Asylbewerber in Grassau, Mehdi Akbari, der dreimal in den Gemeinderat gewählt wurde. Grassau sei der falsche Ort, um Hass und Hetze zu verbreiten. Man müsse als gesamte Gesellschaft Gesicht zeigen, gegen jede Partei, die Hass und Hetze verbreitet. „Aber wir müssen anerkennen, dass ein Teil der Bevölkerung für Hassparolen empfänglich ist. Weil die Menschen Angst haben. Natürlich können wir nicht alle aufnehmen. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass unser Land ohne die vielen Arbeitskräfte, die zu uns kommen, vielerorts gar nicht mehr funktionieren würde. Was können wir tun? Haltung zeigen und zuhören“, so Kattari. Lösungen zu finden, bedeute differenzierte und anstrengende Arbeit im Kleinen. Und demokratischen Parteien müssen zusammenhalten, forderte er. „Gegen die AfD müssen wir klare Kante zeigen und dürfen uns nicht bequem in Filterblasen zurückziehen. Wir müssen bereit sein, allen Wählern zuzuhören so wie die Wähler bereit sein müssen, uns zuzuhören. Wir müssen Haltung zeigen. Wir müssen reden. Meine Tür steht offen“, so Kattari.
Besonders freute sich der Sprecher der Initiative Erinnerungskultur und Stolpersteine Rosenheim Christoph Bensch-Andrä über den Besuch der Omas aus Holzkirchen, die ein deutliches Zeichen setzen. Er arbeite dafür die Opfer der Nationalsozialisten aus der Dunkelheit herauszuholen. Ihm missfiel, dass die AfD im kleinen Heftersaal Wahlkampf betreiben kann, eine Partei, die, so sagte er, zutiefst rassistisch ist, im Widerspruch zum Grundgesetz agiert und über 100 Mitarbeiter aus dem rechtsextremen Milieu beschäftigt. Leyla Bilge sei für die AfD die perfekte Kandidatin. Erschreckend sei ihre Ausdrucksweise, wie Remigration, ein zutiefst rassistischer Begriff. Zudem bezeichne sie sich selbst als Nazi und die nicht Heterofamilie als pervers. Bensch-Andrä ist sich sicher, dass dies eine rückwärtsgewandte Politik mit Idealisierung der Mehrkindfamilien ist. So sei die AfD auch gegen Schwangerschaftsabbrüche, gegen Pressefreiheit, verbreitet gezielt Hass und Desinformation, schreckt nicht vor Gewalt zurück und möchte den Rückbau der europäischen Union. „Nie wieder Faschismus. Nie wieder ist jetzt“, rief er. Auch vom offenen antifaschistischen Plenum Rosenheim meldete sich ein junger Mann zur Wort. Er erinnerte an den Auftritt der AfD 2016 im Grassauer Heftersaal, als Frauke Petry als Spitzenkandidatin sprach. Auch damals gab es Protest und Sitzblockaden. Er bezeichnete die AfD-Kandidatin Bilge als politisch extrem Rechts und erklärte, dass diese in Berlin an den Frauenmärschen beteiligt war. Gegen die AfD brauche es eine Linke Bewegung. „Wir werden nicht schweigen“, betonte er. Weitere Redner kamen von der VVN PDA, von der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes und Bund der Antifaschisten Traunstein. Die Vereinigung fordert den Bundestag auf einen Verbotsantrag zu stellen. Die AfD stelle eine Bedrohung für den Rechtsstaat dar. Dem völkisch-rassistischen Gedankengut müsse man entgegenstehen. Dieses richte sich gegen die Würde der Menschen.
Für das Bündnis gegen Verschwörungsideologien sprach Anita aus Wasserburg. „Wir dürfen nicht schweigen, wenn Hass und Hetze die Gesellschaft bedrohen. Die Verschwörungsideologien der AfD gefährde die Demokratie und förderte Feindbilder. Die Politik richte sich gegen die Menschen, leugne Fakten und habe ein rückwärtsgewandtes Weltbild. „Steht auf und zeigt Gesicht.
Schließlich kamen auch die Grassauer Grünen zu Wort. Betont wurde, dass die AfD bei den letzten Wahlen in Grassau immerhin 13,7 Prozent der Wählerstimmen erreichen konnte. Dass heiße, dass es in Grassau 500 Personen gibt, die AfD wählten. 500 Personen seien zu viele. Man frage sich, wer diese Wähler sind. Schließlich sollte man mit diesen reden.
Während sich die meisten Demonstrationsteilnehmer im hinteren Bereich des Gasthofs zur Post aufhielten und sich die Reden anhörten, spalteten sich einige Demonstrationsteilnehmer ab, zogen zur Bundesstraße, um zumindest von den AfD Parteimitgliedern, die unbemerkt in den Saal kamen, wahrgenommen zu werden. Dabei kam es zu einem kleinen Zwischenfall, als ein Demonstrant den von der Polizei abgeriegelten Bereich durchbrechen wollte und abgeführt wurde. Die AfD-Parteifreunde konnten ihre Versammlung ungehindert durchführen.