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Groß-Bieberauer Nachrichten
Ausgabe 25/2024
Schulnachrichten
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Eine kleine Sensation: Seltene einheimische Orchideenart mitten im Schulgebäude

Mitten im Schulgebäude der AES befindet sich ein Lichtinnenhof, der selten betreten wird und auf den ersten Blick auch nicht immer so „gepflegt“ aussieht, wie es „ordentlich“ ist. Dieser Ort ist aber ein Geheimtipp z.B. für Walderdbeeren. Bei der diesjährigen Inspektion, ob in der Pause dort einige gepflückt werden können, fielen im höheren Gras besondere Blüten auf: Der Standort hat offensichtlich genau die Bedingungen, die einer einheimischen Orchideenart als Standort gefallen: kalkhaltig/ Trockenrasen. Im Moment blühen dort ca 25-30 Exemplare der erst einmal unscheinbaren Bienenragwurz (Ophrys apifera) mitten in dem abgetrennten Gebäudepart. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich die Schönheit und Besonderheit der einheimischen Orchidee. Die Pflanze gehört zu den Insektentäuschpflanzen und ahmt mit ihrem unteren Blütenteil wie weitere Ragwurzarten den haarigen Körper einer Wildbiene nach. Mit Duftstoffen werden männliche Bienen zur Paarung angelockt, der klebrige Pollen heftet sich an die Bienenköpfe und wird so übertragen. So kommt die Pflanze ohne Nektarproduktion aus. Die Bienenragwurz hat die Besonderheit, dass sie sich selbst bestäuben kann, also auch ohne Insekten auskommt, was längerfristig zu einer Verringerung der genetischen Vielfalt am Standort führt. Kurzum: die Pflanzenart ist ein „interessantes Kerlchen“. Da die Samenproduktion energetisch aufwändig ist, kann es sein, dass die Pflanzen auch wieder an diesem Standort verschwinden werden. In diesem Jahr hat sie offensichtlich von dem feuchten Winter und Frühjahr profitiert. Auch scheint sie den letzten Jahren erfreulicherweise wieder öfter vorzukommen. Im Zugang zu dem Atrium wurde eine Information angebracht, das Gras wird erst nach der Blüte der Orchideen gemäht werden, damit der Standort nicht verbuscht. Der Bereich ist vorerst abgesperrt, die Orchideen werden aber Interessierten aus der Schulgemeinschaft gerne gezeigt. Ehemalige der AES haben einen Pflegeeinsatz in dem Innenhof an ihrem „Abigedenkstein“ nach Absprache unter größtmöglicher Sorgfalt, bei dem sie auf jeden Tritt geachtet haben, durchgeführt.

Die Pflanze ist immer wieder in Biologiebüchern als Beispiel aufgeführt, umso schöner ist es, sie und ihre Besonderheit einmal „live“ sehen zu können. Die Meisten denken, dass sie viel größer wäre, man muss schon genau schauen und den Blick ins Gras lenken. Eine Schülerin zumindest hat genau hingeguckt und bei sich am Wohnort im Nachhinein auch Exemplare entdeckt. Man muss kennen, was man schützen will.

Die Pflanzen soll man unbedingt am ihrem Standort belassen, sich dort an ihrer Schönheit erfreuen, Fotos machen und Genießen ist erlaubt, aber eine Umsetzung z.B. in den heimischen Garten ist für sie mit ihren besonderen Standortansprüchen tödlich. Die Pflanze ist geschützt. Die Naturschutzbehörde weiß aber auch um die Problematik des Standortes mitten in einer umtriebigen Schule.

Vielleicht ist die einheimische Orchidee ein Plädoyer für ein wenig mehr Chaos im Garten, zumindest ist es wert, den Blick einmal auf kleine Dinge zu lenken, genau hinzusehen, was sich im hohen Gras versteckt und eventuell das Mähen im Jahr etwas nach hinten zu verschieben.

Annette Liebel-Kappes