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Hausener Nachrichten
Ausgabe 33/2025
Heimatpfleger
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Heimatpfleger

In der vergangenen Woche berichtete die lokale Presse über die Probleme mit der Vermietung eines Hausener Grundstücks, das weit entfernt vom bebauten Ortsgebiet an der Grenze zum Nachbarort Thurn unterhalb des Firstbergs liegt. Dabei wurde das darauf befindliche Gebäude – ohne genaue Prüfung und ohne Beleg – wörtlich als ehemalige Zwangsarbeiterbaracke bezeichnet. Als Heimatpfleger der Gemeinde finde ich es daher unbedingt für erforderlich und angebracht, diese völlig falsche Behauptung richtig zu stellen und unseren Bürgern über die genaue historische Bedeutung dieses ominösen Grundstücks zu berichten.

Zwar gab es während des Zweiten Weltkriegs in Hausen ein Kriegsgefangenenlager, in dem französische Soldaten untergebracht waren und als Zwangsarbeiter für Bauern aus Hausen wie auch Nachbarorten, dessen Söhne im Krieg waren, für die Arbeit auf den Feldern um eine Reichsmark pro Tag zur Verfügung gestellt wurden. Über dieses Gebäude, das sich aber nicht am First, sondern in der heutigen Friedhofsstraße befand, habe ich bereits vor einiger Zeit in unserem heimatkundlichen Informationsblatt SCHATZTRUHE Nr. 29 genauer berichtet, so dass dessen Geschichte dort nachzulesen ist. Sowohl die genauen Namen der französischen Gefangenen wie sogar eine historische Fotographie der Soldaten existiert, sodass man nicht ein Märchen von einem Zwangsarbeiterlager am Firstberg erfinden muss. Vielmehr erfährt man genaue Informationen darüber, was sich früher einmal auf dem betreffenden Grundstück befand, wenn man der Geschichte dieser Gegend am First korrekt nachgeht.

Bis Anfang des 19. Jahrhunderts war die dortige Gegend der „Oberen Mark" vollständig mit Wald bewachsen und gehörte dem Bischof von Bamberg. Für die Waldarbeiter, die dort Bäume fällten, gab es natürlich eine hüttenartige Unterkunft, weswegen noch heute das Flurgebiet auf Thurner Seite „Fallhütte“ (von „fällen2) heißt. Weitere Flurnamen auf heutigem Hausener Gebiet wie „Vogelherd“ und „Mühlweg“ sprechen dafür, dass es historisch wohl auch noch andere Nutzungen gab, wie einen Platz zum Vogelfangen (mit Leimruten oder Netzen) oder eine Mühle am Rand der dortigen, heute aber verschwundenen Mursberger Weiher, wo schon 1348 eine Mühle vor dem First urkundlich erwähnt wird, die Vorläufer der späteren und weiter nördlich gelegenen Kübelweihermühle gewesen sein dürfte.

Nach dem Ende der bischöflichen Herrschaft und dem Übergang an Bayern Anfang des 19. Jahrhunderts wurden die vorhandenen Gebäude nun anders genutzt. Schon auf der Karte des bayerischen Urkatasters von 1835 ist dort der „Abdecker“ eingetragen. Älteren Hausenern (wie auch mir persönlich aus meiner Kindheit in den 1950er Jahren) ist Bezeichnung und Örtlichkeit noch gut bekannt. Dabei handelt es sich um die Person, die dafür zuständig war, kranke oder verendete Tiere zu beseitigen. Wegen des starken Gestanks, der vom Gelände ausging, nicht zuletzt aber, um Seuchen zu vermeiden, war der Abdecker in der Regel weit von der bewohnten Ortschaft entfernt und stand den benachbarten Orten wie in unserem Fall Hausen, Thurn und Heroldsbach zur Verfügung. Das Wohnhaus des Abdeckers lag bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg auf Thurner Gebiet (heute: Baiersdorfer Straße 26 in Heroldsbach).

Da man früher kaum etwas wegwerfen wollte, fand man für fast alle Teile der verendeten Tiere eine spezielle Verwendung. In einem Bericht über das Abdecker-Wesen fand ich beispielsweise folgendes Zitat: Die Haut wurde zu Leder, das Fell zu Pelz, die Pferdehaare wurden für Violinbögen genutzt. Das Fleisch wurde gekocht und getrocknet. Das Fett, auch Unschlitt genannt, wurde beim Kochvorgang abgeschöpft und als Schmalz für Salben benutzt oder an Gerber, Seifensieder oder Kerzenzieher verkauft. Die übrig gebliebene Brühe, die bestialisch stank, ging als Düngemittel an die Bauern. Eingeweide und sonstige Austritte aus dem toten Tier, die waren dann aber Abfall. Sie wurden in einer Grube vergraben. Daher gehörte in einiger Entfernung zum Wohnhaus auch eine Art größerer Hütte zur Abdeckerei. Zu der Ausstattung dieses Gebäudes lässt sich feststellen: In der Hütte kann man sich vorstellen, dass an den Balken große Haken hängen, die Tiere mussten ja aufgezogen werden. Dann hat in der Regel jede Hütte einen großen Ofen bzw. eine Ofenstelle mit einem riesigen Kupferkessel, weil die Fleischteile ausgekocht wurden. Damit man das Schmalz und das Öl gewinnen konnte. Es spricht somit alles dafür, dass es sich bei dem heutigen Gebäude auf dem Grundstück am Rande der Hausener Gemarkung genau um dieses Nebengebäude der wenige hundert Meter entfernten Thurner Abdeckerei handelt. Dies dürfte auch der Grund dafür sein, dass heute das Hausener Grundstück in Heroldsbacher Besitz ist.

Abdecker galten früher als „unehrliche“ Menschen und Außenseiter der Gesellschaft, mit denen man nichts zu tun haben wollte. Dies führte dazu, dass insgesamt nur wenige Informationen zu diesen gewerblichen Betrieben vorhanden sind. Im Fall der Thurner Abdeckerei lassen sich beispielsweise nicht einmal die Namen der Abdecker-Familien mit letzter Sicherheit ermitteln. Da mit dem Gesetz zur Tierkörperbeseitigung von 1939 spätestens in der Nachkriegszeit die privaten Abdeckereien alle Privilegien verloren, ist das Wissen um die Funktion der Gebäude am Hausener First auch bald in Vergessenheit geraten, nicht zuletzt, weil sie durch ein über Deutschland verteiltes Netz mit Anstalten für die Beseitigung der Tierleichen ersetzt wurden.

Gerhard Batz, Heimatpfleger