Durch das so genannte Bürgergeld, wie die Leistungen nach dem SBG II nun heißen, haben sich auch für die Arbeit des kommunalen Jobcenters „Neue Wege“ des Kreises Bergstraße Veränderungen ergeben. Dies auch deshalb, weil die Bundesregierung die Mittel für Eingliederungsmaßnahmen stark gekürzt hat. Hier stehen dem Kreis nun knapp 700.000 Euro weniger für das Jahr 2023 zur Verfügung, während die Zahl der Bedarfsgemeinschaften stark gestiegen ist.
Dies ist für die für den Eigenbetrieb „Neue Wege Kreis Bergstraße - Kommunales Jobcenter“ zuständige Dezernentin Diana Stolz völlig unverständlich. „Auf der einen Seite will man beim Bürgergeld mehr Wert auf Qualifizierung legen, auf der anderen Seite kürzt man die Mittel dafür. Das ist widersprüchlich“, so die Erste Kreisbeigeordnete.
Die erste Bilanz fällt daher auch zwiespältig aus. „Einen Teil der Neuerungen, wie die Möglichkeiten Langzeitarbeitslose an den Arbeitsmarkt heranzuführen und das Coaching begrüßen wir. Solche Maßnahmen, haben wir teils bereits seit längerem in unserem Portfolio und es ist gut, wenn diese nun überall genutzt werden“.
Andere Veränderungen sehen Stolz sowie die Leitung des Eigenbetriebes „Neue Wege“, Leiterin Dr. Melanie Marysko und der stellvertretende Leiter Peter Schmiedel, kritischer. Dazu zählt die Abschaffung des Vermittlungsvorranges. Mit Einführung des Bürgergeldes ist die Vermittlung in Arbeit nicht mehr vorrangig zu betrachten, sondern Weiterbildung und Qualifikation treten in den Mittelpunkt. „Wir vertreten die Auffassung, dass die Vermittlung weiterhin eine wichtige Rolle spielen muss, denn für eine Integration in die Gesellschaft ist das Ausüben einer beruflichen Tätigkeit von großer Bedeutung. Für viele unserer Kundinnen und Kunden kommt auch aufgrund der mitgebrachten Voraussetzung eine Qualifikation nicht in Betracht. Vielmehr geht es in diesen Fällen um die Aktivierung und die Heranführung an den Arbeitsmarkt“, so Dr. Marysko.
Die Umstellung auf das Bürgergeld bindet zusätzliche finanzielle und personelle Ressourcen des Kommunalen Jobcenters. Bereits der Übergang der geflüchteten Menschen aus der Ukraine in den Bürgergeldbezug hat das Arbeitspensum der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter enorm erhöht. Die Fallzahlen (Anzahl der Bedarfsgemeinschaften) bei Neue Wege sind im Januar 2023 im Vergleich zum Vorjahr um knapp 30 Prozent gestiegen. Gleichzeitig hat die Bundesregierung aber auch die Mittel für das Personal bislang nicht erhöht.
Das Kommunale Jobcenter rechnet damit, dass durch die ab 01.07. vorgesehene Erhöhung von Freibeträgen bei den unter 25-Jährigen die Motivation steigen wird, eine Ausbildung zu beginnen. Gleichzeitig rechnet man aber auch hier durch die Änderung mit einem weiteren Zuwachs an Kundinnen und Kunden. Denn durch die Erhöhung der Ausbildungsfreibeträge müssen die Auszubildenden einen deutlich kleineren Teil ihres Einkommens für ihre jeweilige Bedarfsgemeinschaft zur Verfügung stellen, dieser Teil wird durch das Bürgergeld aufgefangen. Dies könnte dafür sorgen, dass zusätzliche Bedarfsgemeinschaften künftig einen Anspruch auf Bürgergeld haben.
„Ich bin allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Jobcenters sehr dankbar für ihren Einsatz für Arbeitsuchenden im Kreis. Ich habe unser Jobcenter immer als eines erlebt, dass die Menschen in den Mittelpunkt stellt und Hilfe zur Selbsthilfe gibt. Daher fand ich manche Debattenbeiträge im Vorfeld der Einführung des Bürgergeldes, in denen der Eindruck erweckt wurde, Jobcenter würden die Menschen drangsalieren, sehr befremdlich. Diese Diskussion hätte differenzierter geführt werden müssen“, so die Erste Kreisbeigeordnete Diana Stolz. Die Möglichkeit weiter Leistungskürzungen als Sanktion in bestimmten Fällen vornehmen zu können, begrüßt die Dezernentin: „Wir haben in unserem Jobcenter schon immer einen sehr sparsamen Umgang bei der Verhängung von Sanktionen gepflegt. Das sollte nicht leichtfertig ausgesprochen werden. Unsere Sanktionsquote lag zuletzt weit unter 0,5 Prozent. Trotzdem ist es für die Motivation eines kleinen Prozentsatzes der Kundinnen und Kunden wichtig, dass alleine die Möglichkeit bestehen bleibt, dieses Instrument anzuwenden.“
Im März waren im Landkreis Bergstraße 6.152 Personen arbeitslos gemeldet. Im Vergleich zum Vormonat ist die Zahl der von Arbeitslosigkeit betroffenen Menschen damit gefallen (Februar 2023: 6.185). Im Vergleich zum Vorjahresmonat stieg die Arbeitslosenzahl um 33 Prozent. Die Arbeitslosenquote bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen lag bei 4,2 Prozent. Zum Vergleich: Für Hessen insgesamt liegt die Arbeitslosenquote aktuell bei 5,2 Prozent, deutschlandweit bei 5,7 Prozent.
Im Landratsamt in Dieburg hat das Projektteam der Ökomodell-Region Süd, zu der auch der Kreis Bergstraße gehört, zum ersten Mal ein Speeddating durchgeführt: Regional ansässige Gastronomen und Gastronominnen und vor Ort wirtschaftende Erzeuger und Erzeugerinnen sollten hier einander kennenlernen. Das Interesse war so groß, dass die Veranstalter eine Fortsetzung planen, sie soll auch im Kreis Bergstraße stattfinden.
Beide Branchen - Landwirtschaft wie Gastronomie - haben wenig freie Zeit zur Verfügung. Daher wollte das Projektteam ein Kurzzeitformat anbieten, das viele Kontakte ermöglicht. Durchgeführt wurde folglich ein echtes Speedating, da es schnell, unkompliziert und direkt ist. Das heißt: an Einzeltischen kamen die Gastronomiebetriebe wie etwa Caterer oder Restaurantbesitzer direkt mit den Landwirten wenige Minuten ins Gespräch. Im Anschluss an jede Runde wurde gewechselt. Wer dann noch nicht direkt zurück in den Stall oder an den Herd eilen musste, konnte sich in einer anschließenden Stunde weiter austauschen und vernetzen.
„Kommt erst einmal ein vielversprechender Kontakt zustande, können daraus langfristige Lieferbeziehungen werden“, so die Hoffnung von Alexandra Hilzinger von der Ökomodell-Region Süd, die außerdem noch mehr im Sinn hat als „nur“ neue Lieferbeziehungen. In Hessen kann nämlich vieles gedeihen, was früher als exotisch galt, alte Sorten fristen vielerorts kein Nischendasein mehr. Innovative Landwirte bauen Chili, Linsen oder Quinoa an und auch alte Getreidesorten wie Emmer und Dinkel sind wieder im Trend.
Auch der Landrat des Kreises Bergstraße, Christian Engelhardt, begrüßt das neue Format: „Gesundes Essen aus der eigenen Region, kurze Lieferwege, das Wissen, wo die Nahrungsmittel herkommen - das alles wird immer wichtiger, auch für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Ein Speeddating, bei dem sich Gastronomie und Landwirtschaft unkompliziert vernetzen können, hat deshalb viel Potenzial. Ich freue mich schon auf die Veranstaltung in unserem Kreis.“
Dieser erste Versuch habe sich bereits gelohnt, heißt es vom Projektteam, das aus diesem Format auch Rückschlüsse für seine Forschungsarbeit ziehen wird. Wie kann ökologisch, nachhaltig und regional Erzeugtes den Weg auf die Teller in der Region finden? Welchen Nutzen haben direkte Absprachen und Lieferbeziehungen vor Ort gegenüber der Abnahme von Großmarkt und Großlieferant?
Das Interesse war im Vorfeld bereits größer als erwartet. Dass es dann tatsächlich 24 Personen geschafft haben, sich diese Zeit für das Speeddating freizuschaufeln, freut das Projektteam. Unter den Gästen waren auch Interessierte und Unterstützer, wie beispielsweise Vertreterinnen des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands und der regionalen und lokalen Wirtschaftsförderung. Aus dem Kreis Bergstraße nahm Beate Weis, Pomologin und Mitglied bei Genial Regional, als Erzeugerin teil.
Anwesend war auch die Geschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DeHoGa) Südhessen Christine Friedrich.
Die Zusammensetzung ergab letztlich elf Datingrunden. Da die Erzeugerinnen und Erzeuger leicht in der Überzahl waren, nutzten diese die Tischrunden, um sich als Berufskolleginnen und -kollegen untereinander auszutauschen. Muster und Kostproben, Infomaterial wie Flyer und Visitenkarten wurden ausgetauscht. Damit möglichst viele Erzeuger und Erzeugerinnen sowie Gastronomen und Gastronominnen in den Genuss dieses Austauschs kommen, will das Projektteam in den kommenden Monaten in verschiedenen Städten in Südhessen Station machen, auch im Kreis Bergstraße.
Die Ökomodell-Regionen sind Teil des hessischen Ökoaktionsplans. Sie vernetzten Landwirte und Landwirtinnen, Handel und Verbraucher sowie Verbraucherinnen und engagieren sich in Zusammenarbeit mit regionalen Erzeugern und Erzeugerinnen sowie Verarbeiter und Verarbeiterinnen für eine bessere Vermarktung von biologischen und regionalen Produkten sowie die Schärfung des Bewusstseins für regional erzeugte Lebensmittel beim Verbraucher.
Ziel ist es, regionale Wertschöpfungsketten zu etablieren und die regionale Vermarktung zu fördern. Die Ökomodell-Region Süd als Teil des Ökomodell-Lands Hessen umfasst den Kreis Bergstraße sowie die Landkreise Darmstadt-Dieburg, den Odenwaldkreis, den Kreis Groß-Gerau und die Stadt Darmstadt.
Interessierte am Speeddating und an der Ökomodell-Region Süd können sich bei Alisa Barth, Projektmanagerin Ökomodell-Region Süd in der Kreisverwaltung unter Tel. 06252 / 154 219 oder per Mail an alisa.barth@kreis-bergstrasse.de melden.