Eine 8. Klasse der Freiherr-von-Stain-Mittelschule Ichenhausen mit Museumsleiterin Johanna Haug
Das Ausstellungsprojekt "Anneliese, das Mädchen mit den Zöpfen", das derzeit im Bayerischen Schulmuseum Ichenhausen zu sehen ist, zieht mittlerweile weite Kreise. Die erst vor Kurzem entdeckte Geschichte des jüdischen Mädchens Anneliese, das Ichenhausen kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkriegs mit dem letzen Kindertransport nach England verlassen konnte, ihre geliebte Mutter und die kleine Schwester Inge jedoch in Nazi-Deutschland zurücklassen musste, ist für Ichenhausen eine Bereicherung. Der Förderverein für Kultur und Naherholung, insbesondere deren Vorsitzende Helga Kern-Bechter, Dr. Franz Ritter und Barbara Quintus hatten ausführlich über das Leben von Anneliese Erlanger recherchiert und waren in den USA auf einen umfangreichen Nachlass mit biographischen Aufzeichnungen und Fotografien aus deren Kindheit in Ichenhausen gestoßen. Mit Geduld, Genauigkeit bei der Recherche und einem hohen ästhetischen Anspruch entstand eine ansprechende Ausstellung über Anneliese und die jüdische Gemeinde Ichenhausens, die vor genau 80 Jahren ein gewaltsames Ende nahm. Die Stadt Ichenhausen und das Team des Schulmuseums erkannten die Chance und gleichermaßen den Auftrag, der dieser Lebensgeschichte innewohnt: Das Schicksal von Anneliese, deren ehemaliges Wohnhaus heute noch steht, vermag es, heutigen Schülerinnen und Schülern die Grausamkeit des NS-Regimes eindrücklich vor Augen zu führen. Anneliese als Identifikationsfigur für Jugendliche, die Tatsache, dass sich ihre Geschichte in Ichenhausen zugetragen hat, dass ihre geliebte kleine Schwester und ihre Mutter von den Nazis deportiert und ermordet worden waren, kann ein wichtiger Beitrag zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Geschichte sein. Das Schulmuseum lud alle Klassen der weiterführenden Schulen in Ichenhausen, Mittel- und Realschule, zu einem einstündigen Vermittlungsangebot in die Ausstellung ein. Tatsächlich kamen alle Jahrgangsstufen von der 5. bis zur 10 Klasse. Johanna Haug und ihre Kollegin Brigitte Wöhrle, die insgesamt 19 Klassen durch Ausstellung führten, sind beeindruckt von den Reaktionen der Schülerinnen und Schüler: Viel Vorwissen über die NS-Zeit sei vorhanden, selbst schon bei den 5. Klassen, Verwunderung, dass sich diese Geschichte echt und wahrhaftig in Ichenhausen abgespielt habe, große Betroffenheit über das Schicksal der Anneliese Erlanger und viel Mitgefühl, verbunden mit dem Wunsch, dass so etwas nie wieder geschehen möge. Am Ende einer jeden Führung konnten die Schülerinnen und Schüler einen persönlichen Brief an Anneliese schreiben, in dem sie ihr schilderten, was sie besonders beeindruckt hatte. Aus den Briefen: "Es tut mir leid, was Dir passiert ist, dass Du alles verloren hast. (...) Dank Dir und Deinen Aufzeichnungen können wir viel über unsere Stadt lernen! Danke!"
"Gerade jetzt, wo rechtes Gedankengut wieder mehr Anklang findet, (...) ist es umso wichtiger, dass wir als Jugend nie vergessen, was damals geschah." "Es ist echt krass, was Dir passiert ist. Ich finde es schrecklich und ich selber könnte nicht ohne meine Familie nach England. Ich habe großen Respekt vor Dir."
Eine Schülerin, sichtlich bewegt von Annelieses Leben, fordert sogar deutlich: "Das müssen alle in Ichenhausen wissen!" Diese und ähnliche Reaktionen der Jugendlichen und ihre ehrliche Betroffenheit machen Mut. Die Ichenhausener Schülerinnen und Schüler gehen heute mit anderen Augen durch ihre Stadt.
Die Ausstellung ist noch bis 25. Juni im Schulmuseum zu sehen.
Die Öffnungszeiten sind Di - So, 10 - 17 Uhr.