Aus unserer Gemeinde

Zehn Jahre Sport-Coach-Programm in Modautal

Es ist fast auf den Tag genau zehn Jahre her, da erreichte die Welle der Geflüchteten, vornehmlich aus dem vom Bürgerkrieg erschütterten Syrien, die Grenzen Europas und Deutschlands. Es sind die Tage als Kanzlerin Angela Merkel eher beiläufig mit dem lapidaren „Wir schaffen das“ jene Formulierung in die politische Diskussion einbringt, die manche Kreise bis heute beschäftigt. Es kommen in der Folge mehr als eine Million Geflüchtete in unser Land – und bei der Landesregierung in Wiesbaden macht man sich Gedanken, wie man Integration in den Städten und Kommunen wirksam unterstützen kann.

„Sport integriert Flüchtlinge“

Im Innenministerium ersinnt man im Sommer 2016 das Programm „Sport integriert Flüchtlinge“. Hauptzweck: Mit konkreten Unterstützungsmaßnahmen sportliche Aktivitäten zu fördern, die Deutsche und Geflüchtete bei gemeinsamen Unternehmungen näher zusammenbringen. Die integrierende Wirkung von Sport soll genutzt werden, um die damals schon absehbaren Integrationshindernisse zu überwinden.

Sport-Coaches werden gesucht

Als Mittler zwischen Innenministerium, Kommune und Sportverein sollen sogenannte „Sport-Coaches“ wirken. Auch in Modautal beginnt die Suche und Bürgermeister Jörg Lautenschläger sondiert potentielle Kandidaten. Im September 2016 ist mit dem Journalisten und Autor Christian Hess jemand gefunden, der sich gerne der Sache annimmt und den Kontakt zu den Sportvereinen in Modautal aufbaut.

Tennis, Turnen und Fußball

Rasch wird deutlich: Die Bereitschaft bei den Vereinen, sich über konkrete Integrationsarbeit Gedanken zu machen, ist bei den Vereinen in den Ortsteilen recht unterschiedlich ausgeprägt. „Teilweise erreichte mich auf Anfrage deutliche Ablehnung, nach dem Motto, nein danke, wir wollen unbedingt unter uns bleiben“, erzählt Sport-Coach Christian Hess. Aber genauso stießen die Organisatoren des Programms auf viel Unterstützung. „Obwohl kaum Trainerinnen und Trainer zur Verfügung standen, hat beispielsweise der TSV Ernsthofen alles, was irgendwie möglich war, auch möglich gemacht“ schildert Sport-Coach Hess die Anfänge. Gleiches galt für die KSG Brandau und den Tennis-Club Ernsthofen. „Mehr Unterstützung hätte ich mir gar nicht wünschen können.“

Integrationsidee funktioniert

Was im Sommer 2016 quasi am Reißbrett im Innenministerium entwickelt wurde, hat Bestand bis heute und hat auch über die zehn Jahre gut funktioniert. „Mittlerweile heißt das Programm „Sport integriert Hessen“ und der Fokus wurde geringfügig angepasst, aber wir als Gemeinde haben in hohem Maße vom Sport-Coach-Programm profitiert“, lässt Bürgermeister Jörg Lautenschläger keinerlei Zweifel aufkommen. Der Verein „Netzwerk – Asyl in Modautal“ hilft ebenso an zentraler Stelle, wie zeitweise Dutzende engagierter Privatpersonen, die zu gelungener Integration unbedingt beitragen wollen.

Eigene Sportangebote

Nicht nur die Arbeit in den Vereinen wird für Integration genutzt, im Sport-Coach-Programm werden auch eigene Angebote entwickelt. „Wir hatten regelmäßig einen Fußball-Treff mit Geflüchteten in Brandau, wir hatten Fitness-, Tanz- und Gymnastik-Angebote und wir haben Schwimmkurse für Kinder mit der DLRG in Ober-Ramstadt organisiert“, fasst es der Sport-Coach zusammen.

Zwischenbilanz nach zehn Jahren

Schaut man zehn Jahre später auf das Programm, so findet man sehr viel Licht und genau betrachtet wenig Schatten. „Wir haben Fußballer in der KSG Brandau bis in die erste Mannschaft der Senioren gebracht, wir haben beim Tennis in Ernsthofen extrem erfolgreich Jugendarbeit betrieben und auch Turn- und Tischtennisangebote beim TSV Ernsthofen haben reichlich Früchte getragen“, fasst Sport-Coach Hess zusammen.

Viele sind angekommen

Insgesamt hat das Sport-Coach-Programm sicherlich dazu beigetragen, Menschen aus anderen Kulturkreisen erfolgreich in das Leben in Deutschland zu integrieren und Vertrauen aufzubauen. „Wir hatten in Modautal in Spitzenzeiten mehr als einhundert Geflüchtete unterzubringen bzw. schul- und betreuungstechnisch zu versorgen“, erinnert Bürgermeister Jörg Lautenschläger. „Aber wenn wir heute genau hinschauen, haben wir Dutzende erfolgreiche Integrationsgeschichten zu erzählen.“ Da ist die Krankenschwester aus Syrien, die seit vielen Jahren Patienten in der Städtischen Klinik in Darmstadt versorgt. Da ist der Check-In-Manager am Frankfurter Flughafen ursprünglich aus Somalia, der fast alle Jugendmannschaften der KSG Brandau durchlaufen hat und gleichzeitig die Realschule erfolgreich absolvierte. An vielen Stellen sind Geflüchtete von damals mittlerweile zu ganz normalen Teilen unserer Gesellschaft geworden, die am sozialen Leben teilnehmen und Steuern zahlen. Einen Anteil daran hat auch das Sport-Coach-Programm, das Modautal von der ersten Stunde an für sich genutzt hat.

Text: Christian Hess