Seit ich das Prinzenkostüm, das mir meine Mutter für Fasching schneiderte ablegte, und ein Narrenkostüm wollte, war der Narr für mich ein Thema. Damals war ich 10 Jahre alt. In Siebenbürgen mochte ich Fastnacht.
In Griesheim wird Fastnacht närrisch zelebriert. Wenn die Narrenzeit vorbei ist, beginnt wieder der Ernst des Lebens für Evas Töchter und für Adams Söhne. Nach einer rituellen Beichte wird die befreiende Absolution erteilt für die närrischen Tage. Das sensible Gewissen wird mit einem bitteren Kelch beruhigt.
Es ist interessant anzusehen, wie viel religiöses Personal unter den Narren ist. Nonnen blickten keusch und züchtig gen Himmel, bevor sie das Rathaus stürmen. Maßlose Priester geben ihnen den nötigen Segen zum Angriff.
Ist es nicht schön ein Narr zu sein, um wieder einmal kindlich die Wahrheit sagen zu dürfen? Die Kleinen dürfen den Großen spielen; die Großen spielen den Kleinen. Der Rathauschef macht sich zum Penner; die liebe Mama macht ihren Sohn zum Prinzen. Am Narrentag steht die Welt auf dem Kopf für kurze Zeit und frohlockt.
Die Kinder haben viel Spaß an den karnevalistischen Tagen. Sie dürfen endlich selbst der Superman, Power Rangers, oder der geheimnisvolle Zauberer sein.
Mit dem Zauberstab trennten sie ergriffen zwischen Schein und Sein. Zögernd schlüpften sie in die Rollen, und nach dem schüchternen Zutritt, gibt es den voll spaßigen Auftritt. Die Kleinen und die Großen möchten scheinbar mindestens einmal im Jahr Narren sein. Denn die Narrenrolle befreit und erweitert so angenehm die Alltagsrolle.
Nun? Was hält die Bibel von den Narren?
Das Alte Testament versteht nicht viel Spaß mit ihnen, doch sind sie ihm bestens bekannt. Im Psalm 39 hütet sich der Beter vor den Narren. „Laß mich nicht den Narren zum Spott werden“. Sie haben auch Anteil an der Vergänglichkeit der Zeit: Ps. 49 „die Weisen sterben so wie die Toren und Narren.“ Psalm 92 meint, dass ein Narr schwer von Begriff ist.
Jesus stellt den Narren in ein neues Licht. Der Narr ist auch ein Kind Gottes. Somit soll keiner mehr mit „Narr“ im Sinne von mangelhafter Erkenntnis beschimpft werden. Im Matthäusevangelium geht Jesus hart ins Gericht mit der Benennung „Narr“. „Wer zu seinem Bruder sagt: Du Narr! der ist des höllischen Feuers schuldig.“ Der Jünger in Jesu Gefolgschaft bekommt dadurch eine Würde, die es nicht mehr zulässt, den Menschen als Geschöpf Gottes, mit dem Begriff Narr zu stigmatisieren.
Der Apostel Paulus reflektiert erstmals über die Torheit der christlichen Botschaft auf dem Hintergrund umfassenden griechischen Denkens. Daß der gekreuzigte Jesus von Nazareth der Retter der Welt wurde, empfand das griechische Denken als eine Blasphemie. Der gekreuzigte Jesus, als die neue Weisheit der Welt, war für griechisches Denken zur Zeit des Neuen Testamentes eine Beleidigung. Auf diesem Hintergrund kann der Apostel schreiben: „wer unter euch meint, weise zu sein in dieser Welt, der werde ein Narr“... „denn die Weisheit dieser Welt, ist Torheit bei Gott.“
Das Faszinierende ist, dass der Apostel mit seiner „Narrenrede“ recht behielt in den folgenden Jahrhunderten.
Wo das Denken an seine Grenzen kommt, dort wird die christliche Botschaft, immer wieder aktuell. Narren und Clowns wissen sehr wohl um die Grenzen menschlichen Daseins. Oft sind sie Freunde und Propheten der Wahrheit.
Phil Bosman schreibt: „Mit einem lachenden Auge: Fällt dir das Leben einmal schwer, probier es ein bisschen einen Clown nachzumachen, der in seinem Herzen weint, und dennoch lachend für ein Kind auf der Geige spielt, um so von den Tränen seines Herzens geheilt zu werden.“
Mit einem lachenden und mit einem weinenden Auge nimmt der Narr die Welt wahr. Sein Lachen scheut das Weinen nicht; sein Weinen scheut das Lachen nicht. Er spiegelt vorbildlich das Leben. Gute Narren bleiben ewig in Erinnerung. Sie nennen nicht den Andern Narren, sondern spielen den Narren so gut das der Andere sich selbst darin als Narren erkennen kann. Das geschieht so zaubervoll, dass der betrübtesten Seele ein Lächeln entlockt wird.