Dieses Passbild von Konrad Wendler hat der Eberner Fotograf Ludwig Rothbauer aufgenommen.
Foto vom 22.8.2017. Von der Bahnhofstraße aus ist der Grabstein der Schumacher im Friedhof von Ebern bequem zu lesen. Auf seiner Rückseite wird der verstorbenen Familienmitglieder gedacht.
Zu 80 Jahre Kriegsende in Ebern möchten wir mit einer Serie von Artikeln auf die Ereignisse vor 80 Jahren in Ebern aufmerksam machen. Beginnen möchten wir mit der Geschichte von Konrad Wendler, der im Januar 1945 im Konzentrationslager in Dachau von den Nationalsozialisten ermordet wurde. Erstellt vom ehemaligen Kreisheimatpfleger Günter Lipp vom 26. August 2017. Ein Handwerker, Uhrmacher, der wegen seiner politischen Einstellung und seiner Meinung 1943 „nach Dachau“ kam, offiziell in „Schutzhaft“ und dort umkam. Ein Beispiel für die Verfolgung von „Andersdenkenden“ aus unserer Stadt. Das darf nie wieder so weit kommen. Bewahren wir unsere Demokratie mit ihrem Grundgesetz. jh
Konrad Wendler - nur eine Inschrift ist von ihm geblieben
Der Name Konrad Wendler ist heute den allermeisten Ebernern kein Begriff mehr. Auch ich habe mich erst mit ihm beschäftigt, als mich Jürgen Hennemann fragte, ob ich Näheres von ihm wüsste. Dem Bürgermeister war nämlich die Inschrift auf der Rückseite seines Grabsteins aufgefallen. Dort heißt es: „Konrad Wendler, * 11.3.1893 + 16.1.1945 KZ Dachau“.
Konrad Wendler wurde am 11. März 1893 in Ittling geboren. Ittling im Nürnberger Land. Das zuständige Standesamt Simmelsdorf hat es bestätigt.
Gestorben im KZ Dachau - das steht in Ebern auf keinem anderen Stein. Mich begann das auch zu interessieren und so machte ich mich daran, Näheres zu erkunden. Was ich nach und nach herausfand, ist eine Geschichte, wie sie sich in der Nazizeit leider tausendfach ereignet hat. Auch in Ebern, wissen wir jetzt.
Bei seinem Geburtsjahrgang 1893 hat Wendler sicher am 1. Weltkrieg teilgenommen. Genaueres dazu werden wir vermutlich aus seiner Stammrolle erfahren, die derzeit im Kriegsarchiv in München ausgehoben wird. Auf irgendeine Weise muss er anschließend nach Ebern gekommen sein. Er hat hier die Witwe Julianne Schumacher, geb. Schobert, kennengelernt und sie um 1925 geheiratet. Die Vorgaben für die Ehe waren damals nicht einfach, denn er war evangelisch und sie katholisch. Aus ihrer 1. Ehe mit Leonhard Schumacher brachte sie fünf Kinder mit. Der neuen Ehe entsprangen drei: Ludwig, Willi und Tochter Brigitte. Der ehemalige Stadtrat Helmut Schumacher ist ein Enkel von ihr. Er vor allem hat das Andenken an seinen Groß-Stiefvater bewahrt.
Beruflich tritt der erstmals mit einem knappen Eintrag im Bezirksadressbuch von 1932 in Erscheinung. Dort heißt es: „Wendler, Konrad, Uhrmacher, Langestraße 152“. „Langestraße 152“, das ist heute „Ritter-von-Schmitt-Straße 6“ oder kurz das „Schumacherhaus“. Im Unterfränkischen Heimatkalender von 1957 wird es von Käthe Brinker noch ganz selbstverständlich als „Wendlerhaus“ bezeichnet. Wie ein älteres Foto zeigt, hing an dem stattlichen Gebäude unterhalb des bekannten Marienbildstocks an einem Ausleger eine große Taschenuhr. Dabei hatte Wendler gar keinen Laden im eigentlichen Sinn, sondern nur eine Werkstatt. Er war als geschickter Tüftler bekannt, heute würde man sagen als Technik-Freak, von denen es damals in Ebern mehrere gab. Er verstand es geschickt Uhren, Regulatoren und kleine mechanische Werke bis hin zum musikalischen Christbaumständer wieder zu reparieren.
Ähnlich wie viele andere Eberner machte Konrad Wendler damals in kleinen Zirkeln Musik. Wie Helmut Schumacher noch weiß, spielte er vor allem Zither, aber auch Saxophon oder Schifferklavier. Musizieren, Theaterspielen, Feste feiern - in der Stadt war das in der Zeit vor und nach dem 2. Weltkrieg verbreitete Unterhaltung. Der gebürtige Mittelfranke war hier voll integriert.
Wie aber kam ein solcher Mann ins KZ? „Der war a Kommunist“, sagte mir eine ältere Ebernerin spontan, als ich sie nach Konrad Wendler fragte. Eigenartig, womit die Menschen im Gedächtnis bleiben! Sicher gehörte Wendler zu jenen, die frei und offen ihre Meinung sagten und da hatte er eben eher linke Ansichten. Was sich daraus entwickelte, können wir teilweise nur vermuten. Bei der Rekonstruktion der Daten half auch der Internationale Suchdienst in Bad Arolsen professionell mit.
In der Familie erinnert man sich, dass er während des Krieges „nach Nürnberg“ kam und dort an der Steuerung von Torpedos arbeitete. Möglicherweise war er da im Doggerwerk bei Happurg, einer unterirdischen Rüstungsfabrik. Einzelne Torpedos, die dort hergestellt wurden, erwiesen sich beim Einsatz im U-Boot-Krieg als Blindgänger und die SS vermutete Sabotage bei der Produktion. Auf jeden Fall wurde Wendler am 18. August 1943 verhaftet und ins KZ Dachau überführt. Er bekam dort die Häftlingsnummer 50348 und war offiziell in „Schutzhaft“. Praktisch bedeutete das, dass er völlig rechtlos war. Die eigentliche Strafjustiz war nicht mehr für ihn zuständig. Schutzhäftlinge gab es zum Zeitpunkt der Einlieferung von Wendler im Großdeutschen Reich 224.000!
Die Angehörigen von Konrad Wendler erfuhren nicht einmal die genauen Gründe für die Verhaftung. Er selbst teilte seiner Frau aus Dachau wie vorgeschrieben mit „Es geht mir gut.“ Sie wird es wenigstens als ein Lebenszeichen betrachtet haben und schickte ihm zu Weihnachten 1944 noch Instrumente für die Lagerkapelle!
Nach dem Eintrag in seiner offiziellen Sterbeurkunde ist der Eberner Uhrmacher Konrad Wendler am 12. Januar 1945, morgens um 7 Uhr 30, an „Pleura(!)pneumonia dextra und Lungenentzündung“ gestorben. Was von dieser Begründung zu halten ist, weiß man heute. Auch das Datum ist falsch. Wendler ist nach Mitteilung der KZ-Gedenkstätte Dachau bereits am Donnerstag, dem 11. Januar, im Häftlingskrankenbau gestorben. Somit stimmt auch die Angabe „16.1.1945“ auf dem Grabstein nicht.
Julianne Wendler wurde aus Dachau angeschrieben, ob sie - natürlich gegen Gebühr - die Asche ihres Mannes haben wollte. Sie lehnte ab, denn niemand hätte ihr die Identität bestätigen können. Wendler ist also nicht im Familiengrab der Schumacher in Ebern beigesetzt.
Seine Frau stand nach dem Krieg zunächst ohne Rente da. Erst als ein Prominenter aus der Nazizeit dem Versorgungsamt bestätigte, dass Wendler aus politischen Gründen ins KZ gekommen war - und dort vermutlich den roten Winkel an seiner Sträflingskleidung trug -, wurde ihr Antrag anerkannt. Sie starb 1960. Von ihrem Mann ist nur die Inschrift auf dem Grabstein im Eberner Friedhof geblieben.
Text und Bilder: Günter Lipp, ehemaliger Kreisheimatpfleger