Polizeibeamter im Jahr 1945. Die Polizisten hatten anfangs noch keine Uniform und wurden lediglich durch eine Armbinde gekennzeichnet.
Polizeibeamter im Jahr 1949 mit der damaligen Uniform.
Unfallaufnahme in Rentweinsdorf 1949. Verstoß gegen die Vorfahrtsregel mit einem Leichtverletzten.
Am 25. Februar konnte der Erste Bürgermeister der Stadt Ebern, Jürgen Hennemann, im Beisein von Kreisarchivpfleger Edgar Maier ein besonderes Zeitzeugnis in Empfang nehmen. In den Diensträumen der Polizei-Inspektion Ebern übergab deren Leiter, Erster Polizeihauptkommissar Jochen Belz, eine Chronik der Eberner Polizei aus den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg.
Auf etwa 180 Seiten, die sorgfältig mit der Schreibmaschine niedergeschrieben wurden, geht der Verfasser auf die Verhältnisse ein, die in den Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges im Zuständigkeitsbereich herrschten. Der Verfasser selbst bleibt unbekannt, war aber sicher einer der aktiven Polizisten in der Eberner Dienststelle, da er im Dienst gefertigte Fotografien seinem Werk beifügte und verschiedene Interna der Dienststelle beschreibt. Der Autor besticht ferner mit einem Schreibstil, der Freude macht, sein Werk zu lesen. Zudem zeugt seine Chronik von einem breitgefächerten Allgemeinwissen, das auch kulturhistorische und wirtschaftliche Themen abdeckt.
Die Chronik beginnt einleitend mit einer Beschreibung des 10. und 11. April 1945. Die siegreichen amerikanischen Truppen stehen vor den Toren der Stadt und der Autor schildert das bange Erwarten auf das Kommende und die Vorbereitung der Eberner auf die Zeit nach der militärischen Niederlage. Immerhin klingt etwas Hoffnung aus seiner Schilderung: „Einsichtige haben die Fragmente von Panzersperren beseitigt, um ihre Stadt vor der Zerstörung zu bewahren … Sie denken weiter, diese Einsichtigen. Sie wissen, dass es nach einem Tief wieder ein Hoch geben wird …“ Um elf Uhr übergeben Bürgermeister und Stadtpfarrer die Stadt „an den Feind“. Die Besatzungstruppen nehmen die führenden Nationalsozialisten fest, sperren Verkehrs- und Telefonverbindungen und schließen – bis auf das Landratsamt – alle Behörden. Die Bewegungsfreiheit wird eingeschränkt und nachts herrscht Ausgangssperre.
Der anonym bleibende Autor geht kenntnisreich auf die Geschichte der hiesigen Gegend ein. Er streift dabei auch die slawische Siedlungsgeschichte und die Begründung der Landeshoheit durch die Hochstifte Würzburg und Bamberg. Dabei erwähnt er den Aufstieg des Adels und der Klöster und geht auf die Bauernunruhen im 16. Jahrhundert, den 30-jährigen Krieg im 17. Jahrhundert und die sogenannten Franzosenkriege am Ende des 18. Jahrhunderts ein.
Bei den wirtschaftlichen Gegebenheiten erläutert er die die Situation der hiesigen Landwirtschaft und vergisst hierbei nicht, unsere geologischen und klimatischen Verhältnisse einzubeziehen. Er zählt die anfangs der 1950er Jahre bei uns vorhandenen, aber inzwischen vergessenen, Gewerbe- und Industriebetriebe auf. So gab es in Reckendorf die Unterfränkische Herdfabrik Esdouk & Silinsch mit 100 Beschäftigten, die Uhrenindustrie Kurz in Memmelsdorf/Ufr. mit 16 Arbeitern, die Mafra-Kühlschrankfabrik in Baunach mit 32 Beschäftigten, die Yucca-Faserverwertung in Ebern mit 13 Arbeitern u.v.m.
Hatte der Landkreis Ebern 1933 noch 19.899 Einwohner, so stieg deren Zahl aufgrund der im Krieg Evakuierten und Flüchtlinge auf 27.989 im Jahr 1948. Manche Dörfer im Zuständigkeitsbereich der Eberner Polizei hatten problematische soziale Verhältnisse, die sich „in einer starken Häufung von Elendswohnungen äußern“. Beschrieben werden die wichtigsten der 69 Gemeinden im Zuständigkeitsbereich samt Einwohnerzahlen, wichtigen Geschichtsdaten und ihren Denkmälern. Selbst die touristischen Highlights kommen nicht zu kurz: erwähnt wird das „hochromantische Wandergebiet“ zwischen Daschendorf und Maroldsweisach mit den Diebskellern bei Rabelsdorf, die Burg Lichtenstein, die sog. Gereuther Tannen, die Burg Raueneck und viele mehr.
Großen Raum der Chronik nimmt der Aufbau der damaligen Landpolizei in Anspruch. Nach dem vorangegangenen Krieg war die Lage sehr schwierig, musste doch mit dem noch vorhandenen Rest der aktiven Beamten und mit kurzfristig ausgebildeten Polizei-Reservisten versucht werden, Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Polizei im Landkreis Ebern bestand vor dem Kriegsende aus der Gendarmerie-Hauptstation in Ebern aus weiteren sieben Gendarmeriestationen auf dem Land, die sich in Reckendorf, Baunach, Kirchlauter, Jesserndorf, Pfarrweisach, Maroldsweisach und Untermerzbach befanden. Die Soll-Stärke bestand insgesamt aus 22 Kräften in der Friedenszeit, während des Krieges wurde aber eine gewisse Anzahl für den Kriegsdienst herangezogen. Nach dem Einmarsch der Amerikaner wurde die gesamte Gendarmerie ihres Dienstes enthoben, „und nun war, auf gut Deutsch gesagt, der Teufel los“. Die während einer Woche begangenen Sittlichkeitsverbrechen, Mord und Plünderungen, so die Chronik, hatte sonst der Landkreis nicht an mehreren Jahren aufzuweisen. Die Amerikaner bestellten nun acht „achtbare Männer“, die als Ordnungspersonal im gesamten Landkreis ihren Dienst tun sollten. Diese waren aber ebenfalls an die Ausgangssperre gebunden und durften in bestimmten Fällen gar nicht eingreifen. Aufgrund der geringen Effizienz dieser Truppe wurde diese nach vier Wochen wieder aufgelöst und 13 ehemalige, gut beleumundete, Polizeibeamte wieder in Dienst gestellt.
Für den Aufbau einer funktionierenden Polizeitruppe war es notwendig, neu eingestellte Kräfte in einer provisorischen Polizeischule in Mainbernheim zu unterrichten. Während dieser Zeit wurde im Rahmen der politischen Säuberung eine Anzahl an Beamten, die während der nationalsozialistischen Regierungszeit der NSDAP angehörten, entlassen. Erst gegen Ende 1945 erhielt die Polizei Uniformen, und danach erhielten die Polizisten als Bewaffnung italienische Karabiner – „kaum mehr als einen Pfifferling wert“. Erst ab 1946 hieß die Polizei „Landpolizei“ und wurde fortan dem Innenminister unterstellt.
Die Chronik beschreibt den landesweiten organisatorischen Aufbau der Polizei in Bayern, in dessen Folge die einstigen Gendarmerie-Stationen in „Landpolizei-Posten“ und „-Hauptposten“ umbenannt wurden. Der erste Dienstwagen war ein „Opel P 4“, ein „halb zu Schanden gefahrener Wagen“.
Die weitere Schilderung in der Chronik thematisiert weiterhin die schwierige Anfangszeit im Polizeialltag. Sie behandelt u.a. die Ausstattung der Dienststelle, die Ausbildung der Polizisten, die weitere Bewaffnung und die Schaffung von rechtlichen Regelwerken für den Polizeidienst. Die Kriminalitätsbekämpfung nahm ebenfalls großen Raum ein: beschrieben wird der Kampf gegen Schwarz- und Tauschhandel sowie Schmuggel an der innerdeutschen Grenze und sonstige Rechtsverstöße wie Meineid, Urkundenfälschungen, Viehdiebstähle, Unterschlagungen u.v.m.
Die Polizei-Chronik wird künftig im Eberner Stadtarchiv ihren Platz finden und für interessierte Heimatforscher zur Verfügung stehen.
Text: Edgar Maier, Kreisarchivpfleger