Foto vom 4.2.15 (Repro Elmar Barth): Stephan Habermann aus Unterpreppach starb mit 56 Jahren. Entnommen aus dem Buch "Geschichte im Kegelspiel" von Günter Lipp.
Foto 1804 vom 16.9.14 (Repro Erna Vogel): Rot-Kreuz-Schwester Ida Dorothea Vogel aus Wasmuthausen wurde 23 Jahre alt. Entnommen aus dem Buch "Geschichte im Kegelspiel" von Günter Lipp.
Gezielte Tieffliegerangriffe auf unsere Gegend gab es etwa seit Mai 1944. Die deutsche Luftwaffe war für die US Air Force praktisch kein Gegner mehr. Manche Piloten suchten sich militärische wie zivile Ziele, einfach um die überreichlich vorhandene Munition zu verschießen!
Am 4. April 1945, einem Mittwoch, machte sich in Unterpreppach Stephan Habermann auf den Weg nach Ebern. Habermann war genau am Weihnachtstag 1888 geboren und hatte Schuster gelernt. Wahrscheinlich wegen seines Buckels war er im 1. Weltkrieg nicht eingezogen worden. Er war ledig geblieben, fertigte im Dorf Schuhe und Körbe, versah ab 1932 das Amt eines Gemeindedieners und war nebenher Sanitäter. Er verließ gegen 8 Uhr morgens das Haus. Er trug Zivil und hatte seinen schwarzen Sanitätskasten in der Hand. Oswald Habermann warnte ihn noch, aber sein Onkel erwiderte wörtlich: „Ich muss das Vaterland verteidigen!“ Dann machte er sich vermutlich direkt auf den Weg zum Streitsgarten, wo bereits sein jüngerer Bruder Georg mit dem Volkssturm im Einsatz war.
Zur gleichen Zeit war bereits die Krankenschwester Ida Vogel im rechten Flügel von Schloss Rentweinsdorf bei der Arbeit. Sie betreute dort kranke Soldaten und Flüchtlinge. Ida stammte aus Wasmuthausen, war 23 Jahre alt und das älteste Mädchen von sieben Geschwistern. Herta Vogel und ihre kürzlich erst verstorbene Schwägerin Sophie Bischoff wussten noch, dass sie zunächst Helferin in zwei Heimen gewesen war und sich dann zur Rot-Kreuz-Schwester hatte ausbilden lassen. An diesem Morgen bekam sie den Auftrag, aus der Stadtapotheke in Ebern Medikamente zu besorgen. Unbekümmert fuhr sie in Schwesterntracht mit dem Fahrrad los, um die Bestellung abzuholen.
Dr. Max Hösl, der die Stadtapotheke 1937 übernommen hatte, mahnte sie zur Vorsicht vor den Tieffliegern, die sich bei klarem Flugwetter schon gezeigt hatten. Auch Otto Einwag, damals 11 Jahre alt, warnte sie. Aber sie hatte keine Angst: „Die haben mir bisher nichts getan, die tun mir nichts!“, sagte sie noch. Das waren ihre letzten Worte. Das Letzte, was Otto Einwag von ihr sah, war ihr rotes Jäckchen auf dem Gepäckträger. Er selbst hörte die Jagdbomber schon herankommen und duckte sich hinter ein niedriges Mäuerchen.
Was dann geschah, hat Karl Hoch später so beschrieben: „Tiefflieger griffen Wagenkolonnen der Wehrmacht an, die vom Neptun bis zum Grauturm (und) in Klein-Nürnberg auf beiden Seiten der Straße standen. Auf dem Marktplatz gingen die meisten Schaufenster in Scherben, die Häuserfassaden waren gespickt mit Löchern und Kratzern, im Pfarrgarten fielen Bomben, im Stadtteil Klein-Nürnberg hagelte es Dachziegel und Fensterscheibentrümmer, ...“
Otto Einwag erinnert sich noch genauer: Es waren drei Flugzeuge mit roten Schnauzen. Sie flogen die Eberner Altstadt von Norden her an. Das erste nahm die deutschen LKW unter Beschuss, deren Soldaten sofort absprangen und in die Hauseingänge flüchteten. So wurden vor allem die Schaufenster zerschossen. Einschüsse gab es auch an der Nordseite des Grauturms. Sie sind heute noch in etwa 30 m Höhe erkennbar.
Einer der Piloten muss die Menschen gesehen haben, die sich an der Einmündung der Gleusdorfer Straße beim Streitsgarten aufhielten. Es waren vor allem Angehörige des Volkssturms, die hier Schützengräben ausgehoben hatten. Das erste Flugzeug überflog sie aus östlicher Richtung, vom Forstamt her, ohne zu schießen, das zweite ebenso. Das dritte aber eröffnete ein verheerendes Feuer auf die Menschen, die dabei waren, in den nahen Keller und in die Hirschenscheune zu fliehen. Dabei wurden Ida Dorothea Vogel und Stephan Habermann von den Bordwaffen tödlich getroffen. Einer jungen Frau, die heute in Gückelhirn lebt, wurde der Arm zerschossen. Habermann muss noch versucht haben Ida Vogel in die Hirschenscheune zu zerren. Dabei wurde er von einer Maschinengewehrgarbe quer durchschossen. „Tod an innerer Verblutung“ schrieb Dr. Stark, der die Toten um 12 Uhr untersuchte, in den Leichenschau-Schein. Ida Vogel war durch einen Steckschuss an der rechten Seite tödlich verletzt worden.
Das ist eine Geschichte, wie sie sich in diesen Wochen wohl hundertfach ereignet hat. Was weh tut an der großen Geschichte ist das Geschehen, nicht die Daten.
Artikel von Günter Lipp aus seinem Buch „Geschichte im Kegelspiel“.
Bürgermeister Jürgen Hennemann wird für die Stadt am 4. April um 11.30 Uhr für die Getöteten an der „Hirschenscheune“, heute von der Polizei genutzt, eine Schale zum Gedenken niederlegen.