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Gemeinde Roggenburg - Mitteilungsblatt
Ausgabe 10/2025
Nachrichten anderer Stellen und Behörden
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Landkreis Neu-Ulm

Präsentieren das gemeinsame Veranstaltungsplakat (v. l.): Carolin Gehring, Prof. Dr. Nicolas Rüsch, Marc Löchner und Landrätin Eva Treu.

In Würde zu sich stehen

Uni Ulm, vhs Neu-Ulm und Gesundheitsregionplus Landkreis Neu-Ulm wollen Menschen mit psychischen

Erkrankungen bei der Stigmabewältigung helfen

Soll ich mit anderen Menschen über mein psychisches Problem sprechen? Kann ich meinen Kolleginnen und Kollegen von meiner Depression erzählen? Auch wenn die Anzahl an Menschen mit psychischen Erkrankungen in den letzten Jahren weiter angestiegen ist, so bedeutet das für viele noch ein Tabuthema. Auch Vorurteile und mangelndes Verständnis können die Betroffenen zusätzlich belasten.

Deshalb stehen Menschen mit psychischer Erkrankung häufig vor der schwierigen Entscheidung, ob - und wenn ja, wem und wie - sie von ihrer Erkrankung erzählen. Sowohl Offenlegung als auch Geheimhaltung der eigenen Erkrankung bergen Chancen und Risiken, daher ist die Entscheidung über Offenlegung persönlich und vom Umfeld abhängig.

Das Gruppenprojekt „In Würde zu sich stehen“ (IWS) hilft den Menschen bei diesen Entscheidungen. Geschulte Gruppenleiter mit eigener Erfahrung psychischer Erkrankung (sog. Peers) leiten die IWS-Gruppen anhand eines Arbeitsbuches. Das IWS-Programm besteht aus vier Terminen à zwei Stunden und behandelt folgende Hauptthemen:

Vor- und Nachteile von Offenlegung in verschiedenen Situationen

Stufen der Offenlegung von völliger Geheimhaltung bis hin zu aktiver Verbreitung der eigenen Krankheitserfahrung

Wege, die eigene Geschichte zu erzählen und

eine Auffrischungssitzung, in der die eigene Haltung zum Thema Offenlegung reflektiert wird.

„Es geht bei IWS nie darum, Teilnehmer zur Offenlegung zu bewegen, sondern um eine selbstbewusste und strategische Entscheidung für oder gegen Offenlegung je nach Kontext“, erläutert Prof. Dr. Nicolas Rüsch, Leiter des Projekts an der Universität Ulm.

Die Sektion Public Mental Health der Klinik für Psychiatrie II der Universität Ulm/BKH Günzburg bietet gemeinsam mit der Volkshochschule im Landkreis Neu-Ulm (vhs) das Programm jeweils in Präsenz oder digital an. Die Gesundheitsregionplus Landkreis Neu-Ulm unterstützt das Angebot finanziell. Die Kurse richten sich an Erwachsene. Die Teilnahme ist kostenlos.

Termine

Präsenzkurs in Weißenhorn: 05.11., 12.11., 26.11. und 10.12.2025 jeweils von 18:00 bis 20:00 Uhr

Online-Kurs: 04.12., 11.12., 18.12. 2025 und 08.01.2026, jeweils von 18:00 bis 20:00 Uhr

Teilnahmevoraussetzung ist lediglich, dass Menschen eigene Erfahrung aktueller oder früherer psychischer Erkrankung haben und sich im Rahmen von IWS mit dem Thema Offenlegung beschäftigen möchten.

Eine Anmeldung ist erforderlich bei der vhs Neu-Ulm unter

www.vhs-neu-ulm.de (Suchbegriff IWS) oder telefonisch 07303 -16633 - 0.

„Gerne unterstützen wir diesen wichtigen Kurs“, sagt Carolin Gehring, Leiterin der vhs Neu-Ulm. „Das Interesse an Gesundheitsthemen nimmt innerhalb der vhs immer weiter zu, sodass wir uns freuen, unseren Bürgerinnen und Bürgern ein solches Angebot machen und damit das Portfolio der vhs noch weiter ausbauen zu können.“ Die Gesundheitsregionplus setzt damit die bewährte Zusammenarbeit mit der vhs fort und konnte mit der IWS ein wertvolles Kooperationsprojekt hinzugewinnen. „Seelische Gesundheit und die Förderung der psychischen Gesundheit sind wesentliche Handlungsschwerpunkte der Gesundheitsregion“, informiert Marc Löchner, Geschäftsstellenleiter der Gesundheitsregionplus im Landkreis Neu-Ulm. „Das Projekt ‚In Würde zu sich stehen‘ ist ein echter Gewinn für Betroffene, weshalb wir dies gerne fördern, um zur Verbesserung deren Lebenssituation beizutragen.“

„Menschen mit psychischer Erkrankung stehen vor einer doppelten Herausforderung“, erklärt Prof. Dr. Nicolas Rüsch. „Sie müssen nicht nur die Symptome ihrer Erkrankung überwinden, sondern stoßen in unserer Gesellschaft häufig auf Vorurteile, d. h. auf Stigma und Diskriminierung.“ Arbeitgeber, Kollegen, Nachbarn oder Angehörige können Betroffene ablehnen, nur weil sie als ‚psychisch krank‘ gelten. Viele Betroffene verinnerlichen Vorurteile, was man Selbststigma nennt („Ich bin psychisch krank, daher muss ich faul und schuld an meiner Erkrankung sein“). Stigma und Selbststigma oder Scham sind große Hindernisse auf dem Weg zu Hilfesuche, sozialer Teilhabe und Genesung von Menschen mit psychischer Erkrankung. An dieser Stelle setzt das Programm IWS an. Ziel ist es, den Menschen die Fähigkeit zu geben, ohne Schuld und Scham über sich und die Krankheit zu sprechen - immer vor dem Hintergrund, dass sie selbst entscheiden, ob und was sie erzählen möchten.

Forschungsergebnisse - unter anderem aus einem vom Bundesgesundheitsministerium geförderten Projekt in Ulm, Neu-Ulm und weiteren Städten - zeigen laut Prof. Dr. Nicolas Rüsch, dass bei IWS-Teilnehmenden Selbststigma abnimmt und sich Genesung sowie Lebensqualität verbessern. Das sei wichtig, weil IWS somit ein in seiner Wirksamkeit wissenschaftlich abgesichertes Programm ist, um Menschen mit psychischer Erkrankung bei ihrer Stigma- und Krankheitsbewältigung zu unterstützen. Es gebe viele Angebote für die Therapie der Krankheit selbst, aber bislang kaum gut untersuchte Programme, um Stigma und seine Folgen abzubauen.

IWS-Gruppen für Jugendliche

IWS-Gruppen für Jugendliche und junge Erwachsene (zwischen 14 und 21 Jahren) werden bis Herbst 2026 in einer vom Bundesforschungsministerium geförderten Studie, ebenfalls unter Beteiligung der Sektion Public Mental Health, angeboten. Jugendliche Interessenten mit psychischer Erkrankung können von Jana Hörger weitere Informationen erhalten. Die Gruppen werden durch Fragebögen begleitet, deren Bearbeitung mit bis zu 90 Euro vergütet wird. Die Verantwortlichen bei IWS freuen sich über alle Teilnehmenden, da die Studie das Verständnis der Wirksamkeit von IWS bei Jugendlichen verbessere. Auch hier unterstützt die Gesundheitsregionplus des Landkreises Neu-Ulm bei der Rekrutierung.

Weitere Informationen zur Studie finden sich auf der Website des IWS-Programmes unter www.iwsprogramm.org.

Für weitere Fragen können sich Interessierte gerne an folgende Ansprechpersonen wenden: iws@uni-ulm.de (zu IWS für Erwachsene) oder an Jana Hörger, jana-2.hoerger@uni-ulm.de (zu IWS für Jugendliche und junge Erwachsene). Alle Anfragen werden vertraulich und nur innerhalb der o.g. Sektion für Public Mental Health bearbeitet.