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Gemeindenachrichten Schleching
Ausgabe 20/2023
Neues vom Bergsteigerdorf
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Dorfgeschichten über das Bergsteigerdorf Schleching auf 72 Hoftafeln

links Hartmut Rihl mit seiner aktualisierten Hoftafel am Berggasthof Streichen, rechts Thomas Wilde, einer der Erwerber des Hofes

Heimatpfleger Hartmut Rihl und seine besondere Passion

Schleching – Der Schlechinger Heimatpfleger Hartmut Rihl ist weit über die Grenzen des kleinen Bergsteigerdorfes hinaus bekannt. Meilensteine seines Wirkens waren Gemeinderatsmitglied (1972 – 1978), Vorsitzender des Pfarrgemeinderats (1974-1998), örtlicher Beauftragter der Dorferneuerung, dafür erhielt er die „Staatsmedaille für verdiente Bürger im Ländlichen Raum“. Seit 1994 beschäftigt sich Hartmut Rihl intensiv mit der Archäologie des Achentals, er war Mitglied in der Musikkapelle, aktiv beim Skiclub, 1996 Mitbegründer des Schlechinger Kulturfördervereins, 1998 Mitinitiator und Gründungsmitglied des Heimat- und Geschichtsvereins Achental. Im Jahr 2014 ernannte Bürgermeister Josef Loferer Hartmut Rihl zum Ehrenbürger. Vielen Menschen ist der Heimatpfleger bekannt von seinen historischen und kunstgeschichtlichen Führungen, besonders in der Streichenkirche St. Servatius.

Projekt „Hoftafeln“ wurde 2007 begonnen

Seit den achtziger Jahren wirkte er zunächst gemeinsam mit Heimatpfleger Vinzenz Bachmann, ab 1990 übernahm er das Amt als Ortsheimatpfleger.

Wie Rihl erzählt, war es sein Onkel Vinzenz Bachmann gewesen, der ihn mit der Leidenschaft für die Geschichte des Dorfes „infiziert“ habe und den er bei seinen Recherchen über Jahre habe begleiten dürfen.

Dem Projekt der Hoftafeln nahm sich das „wandelnde Gedächtnis Schlechings“, wie er liebevoll genannt wird, im Jahr 2007 an. „Ich habe im ersten Schritt alle historisch relevanten Gebäude unseres Dorfes definiert und dann rund einhundert Familien und Hausbesitzer angeschrieben und angefragt, ob Interesse an einer Hoftafel besteht“. Die Kosten in Höhe von 100 Euro je Tafel teilten sich die Hausbesitzer und das Amt für ländliche Entwicklung im Rahme der Dorferneuerung; die Dokumentation übernahm Hartmut Rihl ehrenamtlich.

„Aus heutiger Sicht war es eine Sisyphusarbeit – ich habe damals jede Information handschriftlich aus den mir zur Verfügung stehenden Quellen übertragen“ versucht Hartmut Rihl den Aufwand zu beschreiben der hinter der Dokumentation steht. Und das zu einer Zeit, in der dem Heimatforscher weder ein Fotokopierer noch andere technische Hilfsmittel zur Verfügung standen. Doch von Mühe oder gar Qual bei der Recherche will der Ehrenbürger seiner Gemeinde nichts wissen.

Zusammengetragen und individuell aufbereitet wurden die jeweiligen Dokumentationen über Jahrzehnte von Hartmut Rihl. Eine Arbeit, die sich heute nur schwerlich in Stunden erfassen lässt; denn hinter jeder einzelnen Tafel stecken ebenso mühevolle wie aufwendige Recherchen. Ganze Tage hat der Ortsheimatpfleger bereits als junger Lehrer in den staatlichen Archiven des Freistaates in München, in Pfarrämtern, Klöstern und Kirchen- Archiven verbracht, um die Geschichte seines Dorfes aufzuarbeiten. Um aus Urkunden, Kirchenbüchern oder Matrikeln, aus Grundbüchern, historischen Katasteraufzeichnungen und vielen anderen Dokumenten zu ermitteln, welche Geschichte sich in den Wohnhäusern und Höfen und welche Schicksale sich hinter den Fassaden verbergen. Als eine der wichtigen Quellen dienten dem Heimatforscher so unter anderem die Verzeichnisse über Besitzrechte der Grundherrschaft und die Abgaberegister und Steuerlisten über zu erbringende Leistungen.

Es sind 72 Hoftafeln geworden

Die Hoftafeln sind 52 Zentimeter in der Breite und rund 44 Zentimeter in der Höhe. Einheitlich in einem beigen Farbton auf wetterfeste Platten gedruckt und über das gesamte Gebiet der 1.875-Seelen zählenden Gemeinde Schleching im oberbayerischen Chiemgau verstreut. Derzeit sind es 72 mit äußerster Akribie fein säuberlich beschriftete Schilder, die Einblick in die wechselhafte Geschichte des Dorfes im Südosten Bayerns an der Grenze zu Tirol geben. In Schleching, wo auch heute noch viele eingesessenen Familien im Dorf nicht mit dem offiziellen Nachnahmen, sondern oft mit dem Namen ihres Hauses angesprochen werden, erzählen die Tafeln vom Schicksal der historischen Gebäude und der Menschen, die im Laufe der Jahrhunderte dort ein Zuhause gefunden hatten und deren Nachfahren zum Teil auch heute noch dort leben. Es sind Zeugnisse einer bewegten Geschichte, die bis ins Jahr 1135 zurückgeht, als die Ortschaft an der Tiroler Ache erstmals urkundlich erwähnt wurde

Bis heute wurden also 72 Hoftafeln erstellt –jede von ihnen steht für umfangreiche Recherchen, für weitere Besuche in Archiven und nicht zuletzt für zahlreiche Gespräche mit den jeweiligen Besitzern der Höfe und historischen Gebäude. „Es hat in einigen Fällen Monate gedauert, bis wir uns auf die finale Fassung der jeweiligen Hoftafeln mit allen Beteiligten verständigt haben“, berichtet Hartmut Rihl.

Rund fünfzehn Jahre nach Beginn des Projektes ist die Arbeit abgeschlossen. „Es gibt durchaus noch Gebäude im Dorf, die wir gerne mit einer Hoftafel aufgenommen hätten“ so der Ortsheimatpfleger. Aber es gäbe auch immer wieder Hausbesitzer, die keinen Wert darauf legten, die Geschichte ihres Gebäudes öffentlich dokumentieren zu lassen. Auch wenn es zu bedauern ist - er müsse damit leben, dass sein Werk wohl niemals ganz vollständig werde.

Unstrittig dagegen ist, mit seiner Passion, die Geschichte seines Dorfes sichtbar zu machen, hat Hartmut Rihl selbst Geschichte geschrieben und für Generationen Spuren hinterlassen. wun