Unterwössen. Unerwartet großen Zuspruch erfuhr Referent Peter Dufter für seinen Vortrag „Die Kuh – Klimakiller oder enkeltauglich“.
Das Ökomodell Achental mit dem Vorstandsvorsitzenden Stefan Schneider und Geschäftsführer Christoph Bauhofer luden zu dem Abend in der Achentalhalle ein, deren Mitarbeiter Christian Maier hatte ihn mit privater Hilfe von Gaby Schnaiter (Landwirtin) organisiert.
Referent Peter Dufter verbrachte seine Jugend in den benachbarten Ställen der Bauernhöfe und studierte später Agrarwissenschaften. Inzwischen ist er pensionierter Landwirtschaftsdirektor und war zuletzt 24 Jahre Lehrer mit Schwerpunkt Tierhaltung an der Landwirtschaftsschule Traunstein. „Ein Leben mit der Kuh“, so beschreibt er sein Dasein im Rückblick und lässt so keinen Zweifel, in welchem Diskussionslager er steht.
Und eines legt er zu Beginn seines Vortrages fest. Seine Ausführungen beziehen sich auf das Graslandvieh vor unserer Haustür, nicht auf die weltweite Massentierhaltung mit 1000 Kühen, die auf extreme Leistung gezüchtet und im Ausland sogar mit Wachstumshormonen behandelt werden.
Und die heimische Kuh, in ihrer Haltungsform eine Grünlandkuh, sei etwas ganz Besonderes, klingt schon sehr früh in Dufters Vortrag an.
Was die mit dem Klimawandel macht, ob die Kuh ein Klimakiller oder enkeltauglich auch noch für die nächsten Generationen ist, das ergebe erst der Gesamtblick auf die Rahmenbedingungen.
Und damit startet Dufter in einen einstündigen, sauber strukturierten Vortrag, der in seiner
Informationsvielfalt dennoch eine Herausforderung für das Publikum war. Die Achentalhalle war voll, alle hörten über die lange Zeit hoch konzentriert und aufmerksam zu.
Die Kuh im Kohlendioxid-Kreislauf
Natürlich sieht Referent Dufter die Mikroben, die im Pansen des Wiederkäuers die Rohfasern aufschließen, und dass dabei Methan entsteht. Doch er unterscheidet zwischen Methan mit der chemischen Summenformel CH4 und dem Kohlendioxid CO2. Methan werde in der Atmosphäre mit einer Halbwertszeit von 12 Jahren zu CO2 abgebaut. Hinzu kommt, dass der Methanausstoß von Nutztieren in Deutschland, der von 1873 mit 860 Kilotonnen (kt) bis 1990 zwar auf 1313 kt anstieg, seitdem aber bis 2019 auf 946 kt sank und 2030 mit 853 kt voraussichtlich niedriger als vor der Industrialisierung (1873) sein wird. Die Rinderzahlen reduzierten sich deutschlandweit massiv. Das CO2 aus fossilen Brennstoffen, sieht Dufter - ausführlich von ihm begründet - reichert sich in der Atmosphäre in Mengen an, die auch noch nach 1000 Jahren klimawirksam sind. Die Methanmengen aus der Rinderhaltung unterliegen schon immer einem Kohlenstoffkreislauf, setzt er dagegen. Das
Methan aus dem Magen der Wiederkäuer wird in die Atmosphäre freigesetzt und spaltet sich mit einer Halbwertszeit von 12 Jahren in CO2 und Wasserstoff. Beides nimmt das Grasland – aber auch die Wälder – im Rahmen der Fotosynthese auf und binden es. Die Kuh nimmt das mit der Nahrungsaufnahme wieder auf und schließt den Kreislauf. Dabei speichert der Boden des Dauergrünlandes mit 181 Tonnen (t) organischem Kohlenstoff je Hektar (ha) deutlich mehr als der Waldboden (100 t) und der Ackerboden (95 t). Erst wenn man den Pflanzenbewuchs mit berücksichtigt, schließt der Wald zum Grasland auf. Deshalb kommt dem Humus im Grünland als Kohlenstoffspeicher (Stichwort: Kohlenstoffsenke) besondere Bedeutung zu. Die Nutzung durch das
Vieh bringt Dung in das Grasland ein, setzt Wuchsanreize und verstärkt unter anderem durch Tritte die Wurzel- und Humusbildung. „Das System Grünland und Wiederkäuer ist extrem wertvoll“, zieht Referent Dufter ein Fazit. „Die Grünlandkuh ist der Idealfall.“
Bioökonomie und nicht essbare Biomasse
Die weltweit in Massentierhaltung gehaltene Extremleistungskuh, im Ausland sogar mit Wachstumshormon behandelt, sei oftmals ein Nahrungskonkurrent, wechselt Dufter das Thema. Bei der Grünlandkuh ist das anders, das belegt auch der neue Wissenschaftszweig der Bioökonomie nachdrücklich.
Die richtet ihr Augenmerk darauf, dass vom gesamten pflanzlichen Aufwuchs auf allen landwirtschaftlichen Flächen mindestens 80 bis 90 Prozent nicht essbar sind. Je Kilogramm pflanzliches Lebensmittel, wie dem Brot, fallen gleichzeitig mindestens 4 kg für Menschen nicht essbare Pflanzenmasse an (Stroh, Blätter, Stängel, Gras, Zwischenfrüchte, Rübenschnitzel).
Misslungene Ernten taugen noch als Viehfutter, bleiben für den Menschen ungenießbar. Nutztiere erzeugen aus solch, für Menschen nicht genießbarer Biomasse hochwertige Nahrungsmittel. Deren Produktionswert entspricht in etwa dem Nährwert der pflanzlichen Lebensmittel. Dufter spricht Klartext: „Werden die Pflanzenreste nicht an Tiere verfüttert, entsteht für Deutschland ein Nettoverlust, der etwa so groß ist wie die vegane Produktion selbst.“ Und weiter: „Nicht essbare Biomasse erzeugt keine Nahrungskonkurrenz. Ihre Verfütterung ist die effizienteste Form der Verwertung. Deshalb werden künftig Nutztiersysteme mit hohem Potenzial zur Verwertung von nicht essbarer Biomasse gefordert, die Weltbevölkerung zu ernähren.“
Am Rande lässt Dufter noch anklingen, welche Bedeutung die heimische Grünlandkuh für die Artenvielfalt, die Landschaftspflege, den Erholungswert und auch für die Sicherheit der Landschaft vor Schlamm, Geröll und Erosion hat.
Die Rolle der Konsumenten
„Die Grünlandkuh ist unschlagbar“, wiederholt der Referent mehrfach, hebt aber auch den Finger. Dufter ruft alle Konsumenten auf, nicht nur unsere heimischen Milchprodukte und Milch, sondern auch heimisches Rindfleisch zu kaufen: je kg Milch fallen gleichzeitig 25 g Rindfleisch an. Damit die Bauern mit ihrer Viehhaltung die aufgezeigten Herausforderungen bewältigen können, ruft er zugleich auf, heimische Milchprodukte, Milch und heimisches Rindfleisch zu kaufen, in guter Qualität zu einem fairen, dann auch höheren Preis.
Diskussion
In der Fragestunde nach der Pause, sah Dufter zwar die Möglichkeit, mit der weltweiten Abschaffung aller Wiederkäuer die Temperatur im Klimawandel um ein Zwanzigstel Grad zu vermindern, hält die Idee aber insgesamt für absurd, weil das den beschriebenen Stoffkreislauf unterbreche und zudem große Probleme in der Welternährung entstehen würden. Auf den Vorschlag, die CO2-Abgabe der Moore zu stoppen, indem trocken gelegte wieder vernässt würden, wusste er keine einfache Antwort. Aus eigener beruflicher Erfahrung kenne er die Problematik im Donaumoos und wie schwierig und komplex hier Lösungsansätze seien. Auf den Vorschlag, mehr Grünland in Ackerland zu wandeln, sieht Dufter große Probleme. Zum einen gelte das Grünland zu Recht nicht als anderweitig nutzbar. Gerade in den ersten Jahren der Umwandlung setze das Unmengen an CO2 frei, weil der Acker weniger Humusanteil habe. Ein Zuhörer berichtete, wie schwierig es für ihn sei, heimische Erzeuger
zu finden. Darauf meldete sich ein Rottauer Landwirt mit dem Vorschlag zu Wort, einfach den Landwirt im Dorf zu fragen. Der wisse, wer welche Produkte wo veräußert. Hans Maier aus Übersee rief ebenfalls zum Kauf vor Ort auf. Es tue ihm in der Seele weh, wenn er lese, dass der mit viel Engagement errichtete und betriebene Schlechinger Dorfladen vor dem Aus stehe, weil die Dorfbewohner sein Angebot nicht nutzen.
Die Zuhörer waren durch die Bank begeistert, ergaben die Gespräche nach dem Vortrag. Sie lobten den umfassenden Blick, den der Referent auf das komplexe Thema gab. Einiges sei ihnen neu gewesen. Und Peter Dufter lobte sein Publikum am Ende des Abends von der Bühne. Noch nie habe er abends vor so einem großen Publikum gesprochen, das so „aufmerksam und mucksmäuschenstill“ zugehört habe.