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Untermeitinger Gemeindeblatt Klosterlechfelder Nachrichten
Ausgabe 5/2025
Untermeitingen
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Sonstige Mitteilungen

Fotos: Jürgen Schmidt

Archive gelten oft als staubige, trockene Orte voller uninteressanter Dokumente. Doch wer so denkt, hat sich noch nie mit den verborgenen Schätzen auseinandergesetzt, die in den tiefen Regalen solcher Sammlungen schlummern. Dies zeigte sich eindrucksvoll bei einer aktuellen Entdeckung im Rathauskeller von Untermeitingen.

Im Rahmen einer Sicherheitsuntersuchung zur aktuellen Weltlage wurde der Keller des Rathauses, der als Luftschutzbunker für bis zu 300 Personen dient, inspiziert. Dabei stieß man auf bislang unbekannte Akten aus den Jahren 1810 bis in die 1960er Jahre. Der Fund versetzte selbst Bürgermeister Simon Schropp in Erstaunen. „Seit 25 Jahren bin ich in der Verwaltung tätig, aber so etwas habe ich noch nie erlebt“, kommentierte er die unerwartete Entdeckung. Die Vermutung liegt nahe, dass die Dokumente bei dem Umzug der Gemeindeverwaltung aus dem alten Rathaus vor vierzig Jahren provisorisch eingelagert wurden. Anstatt einer systematischen Erfassung landeten sie schlicht in einer dunklen Ecke des 1988 errichteten neuen Rathauses.

Heimatforscher Anton Zott und Reinhard Körber nahmen sich die wertvollen Unterlagen an. Sie wurden in den Gemeindesaal gebracht, wo sie gesichtet, bewertet und grob kategorisiert wurden. Insgesamt konnten 79 Themenbereiche ermittelt werden, die sich auf 219 Bücher, 240 Mappen und 136 Hefte verteilen. Darunter befinden sich Steuer- und Abgabelisten, Urkunden, Krankenversicherungsdokumente, polizeiliche Ermittlungsakten und Dokumente aus den Kriegsjahren. Viele Schriftstücke sind auf Altdeutsch verfasst und könnten neue Erkenntnisse über das Leben vergangener Generationen liefern. Sie machen Entwicklungen greifbar und helfen, im Laufe der Zeit den wirtschaftlichen, sozialen und politischen Wandel einer Gemeinde wie Untermeitingen zu verstehen.

Ein besonders anschauliches Beispiel liefert die Viehzählung aus dem Jahr 1912. Damals wurden in Untermeitingen 121 Pferde, 796 Rinder und 200 Schweine gezählt. Rechnet man Schafe, Ziegen, Kaninchen, Gänse, Enten und Hühner hinzu, ergibt sich eine Gesamtzahl von 3.428 Nutztieren, die sich auf 124 landwirtschaftliche Betriebe verteilten. Diese Zahlen verdeutlichen den bäuerlichen Charakter des Ortes zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Wie sehr sich die Struktur des Ortes im Laufe der Zeit verändert hat, zeigt ein Blick auf die Gegenwart: Seit September 2022 gibt es keinen landwirtschaftlichen Viehhalter mehr in Untermeitingen – mit Ausnahme von zwei bis drei Hühnerhaltern, die ihre Tiere lediglich zur Selbstversorgung halten. Diese Entwicklung markiert einen tiefgreifenden Wandel vom agrarisch geprägten Dorf hin zu einer modernen Wohn- und Pendlergemeinde.

Auch politisch-historische Einblicke lassen sich gewinnen: Eine Liste der stimmberechtigten Wähler aus dem Jahr 1881 gibt Aufschluss über die politische Teilhabe in jener Zeit und ermöglicht Rückschlüsse auf gesellschaftliche Strukturen, etwa zur Anzahl und Stellung der männlichen Bürger mit Wahlrecht. Von besonderem Wert sind die Rechnungsbücher der Gemeinde, die für den Zeitraum von 1812 bis 1930 erhalten sind. Sie geben detaillierten Aufschluss über Einnahmen, Ausgaben, Investitionen und wirtschaftliche Prioritäten der Gemeinde über mehr als ein Jahrhundert hinweg.

Ein bemerkenswertes Dokument aus dem Jahr 1931 gewährt Einblicke in die Lebensrealität sowie in das alltägliche Miteinander und den Umgang mit Konflikten in der Gemeinde. Es handelt sich um die Niederschrift eines Sühneversuchs, der am 27. Juli 1931 im Rathaus stattfand. Auf behördliche Ladung erschienen beide Parteien: Herr Ludwig Schropp – Urgroßvater des heutigen Bürgermeisters Simon – sowie Herr Josef Lauter. Anlass war eine zwischen ihnen entstandene Beleidigung, die einer Klärung bedurfte. Herr Schropp trug vor, von Herrn Lauter in öffentlicher Weise beleidigt worden zu sein – ein Vorfall, den er als tiefgreifend ehrverletzend empfand. Nach gegenseitiger Anhörung und einem vermittelnden Gespräch unter Leitung der Gemeinde konnte schließlich ein Vergleich erzielt werden: Herr Josef Lauter erklärte sich bereit, die getätigte Äußerung zurückzunehmen und aufrichtig zu bedauern.

Desweiteren wurden in den Unterlagen ein verloren gegangenes Foto und ein Bauplan der alten Friedhofskapelle entdeckt, die im Jahr 1880 erbaut und ca. 1930 abgerissen wurde.

Welche Geheimnisse die alten Aufzeichnungen noch bergen, wird die weitere Untersuchung zeigen. Noch ist eine große Kiste nicht ausgepackt und gesichtet worden. Der nächste Schritt besteht darin, den Fund vom Staub der Jahrhunderte zu befreien und Dr. Claudia Ried, die Kreisheimatpflegerin, hinzuzuziehen, um die Bedeutung und Inhalte fachgerecht einzuordnen. Die Unterlagen werden anschließend archiviert, sodass die Gemeinde jederzeit darauf zugreifen kann.

Text: Jürgen Schmidt