Unterwössen – Musik ist mehr als Unterricht. Sie ist Begegnung, Gemeinschaft und Persönlichkeitsbildung – gerade im ländlichen Raum. Dies wurde in der jüngsten Gemeinderatssitzung deutlich, als Musikschulleiter Otto Dufter den jährlichen Sachstandsbericht zur Musikschule Grassau abgab. Im Mittelpunkt stand die Zweigstelle Unterwössen. Sie spielt mit stabilen Schülerzahlen, engagierten Lehrkräften und viel Eigeninitiative eine tragende Rolle im Gesamtkonzept. Bürgermeister Ludwig Entfellner (CSU) und Dufter spannten in ihren Ausführungen den Bogen von der Gründung in den 1980er-Jahren bis zu den heutigen Herausforderungen rund um Räume, Finanzen und Zukunftsaussichten.
„Die erste Musikschule im Achental war die Musikschule Oberes Achental – gegründet in Unterwössen“, erinnerte Entfellner in seinem Rückblick. Pfarrer Monsignore Franz Niegel, Bürgermeister Sepp Kurz-Hörterer und Jochen Langer, der erste Leiter, engagierten sich damals. Aus bescheidenen Anfängen entstand eine echte Erfolgsgeschichte. Später, 2016, ging die Schule in der heutigen Musikschule Grassau auf. „Das war eine richtige und wichtige Entscheidung“, sagte Entfellner. Unterwössen allein hätte die Qualität und Kontinuität nicht mehr garantieren können. Heute profitieren alle Seiten vom Zusammenschluss: geringere Kosten, ein besseres Angebot und größere musikalische Breite.
Musikschulleiter Otto Dufter führte durch die Zahlen und Fakten: Die Musikschule Grassau umfasst sieben Zweigstellen in Grassau, Bernau, Marquartstein, Schleching, Reit im Winkl, Staudach-Egerndach und Unterwössen. Insgesamt werden 1.129 Schüler unterrichtet – 111 davon in Unterwössen. Die Jahreswochenstundenzahl der Musikschule liegt bei rund 510 Unterrichtseinheiten zu je 45 Minuten – von der musikalischen Früherziehung bis zum Seniorenunterricht. In den letzten Jahren haben sich die Schülerzahlen in Unterwössen konstant bei über 100 gehalten – ein gutes Zeichen für die nachhaltige Verankerung im Ort.
Allerdings bleibt ein Wermutstropfen: Die Raumsituation in Unterwössen ist angespannt, gab Dufter die Ansicht des Unterwössner Zweigstellenleiters Benedikt Paul wieder. Aktuell stehen drei Unterrichtsräume zur Verfügung, alle im Unterwössner Schulgebäude. Einer davon, der Trachtenraum, kann im Winter nur eingeschränkt genutzt werden. Zwei Räume in der Schule, die früher mitbelegt wurden, stehen wegen Eigenbedarfs der Schule nicht mehr zur Verfügung. Sieben Lehrkräfte der Musikschule unterrichten regelmäßig in Unterwössen, zwei weitere in Oberwössen und zwei weitere von zu Hause aus. „Der Bedarf an mindestens zwei zusätzlichen Räumen ist gegeben“, erklärte Dufter. Gemeinsam mit dem Seeräuberverein wird an einer Lösung gearbeitet – beispielsweise durch einen Umbau des Lagerraums.
Dufter machte deutlich, dass Musikunterricht weit über das Erlernen eines Instruments hinausgeht: „Musik fördert soziale und emotionale Kompetenzen – und wirkt Einsamkeit entgegen.“ Deshalb legt die Schule großen Wert auf Gruppenangebote wie Ensembles, Kinderorchester, Bläserklassen oder Jugendkapellen. Gerade diese Angebote sind in der Finanzierung schwierig, denn Gruppenunterricht ist zwar pädagogisch sinnvoll, bringt aber keine vollen Gebühreneinnahmen. Auf Nachfrage schilderte Otto Dufter, dass der Unterricht für das eigene Instrument die Grundlage für die Schüler ist. Würde der gleiche Gebührenbetrag zusätzlich für den Gruppenunterricht erhoben, würde der doppelte Gebührensatz die Eltern überfordern, erst recht, wenn Schüler in weiteren Gruppenunterricht erhalten.
Hier kommen die zwei Förderstiftungen ins Spiel, die die Musikschule seit Jahren entscheidend unterstützen: die Sawallisch-Stiftung in Grassau sowie die Karl-und-Erna-Eigner-Stiftung, die vor allem in Unterwössen aktiv ist. Beide Stiftungen helfen, einen Teil der Unterrichtsgebühren, Ensemble-Angebote und gemeinsame Auftritte zu ermöglichen – vom Jugendkapellentreffen bis hin zum Musikauftritt bei Taufen oder Dorfveranstaltungen. „Ohne diese Unterstützung wäre vieles schlicht nicht finanzierbar“, sagte Dufter.
Die Finanzierung der Musikschule erfolgt aus mehreren Quellen: 37 % der Kosten tragen die Eltern über Unterrichtsgebühren, 39 % die Mitgliedsgemeinden, 13 % das Land Bayern und 7 % der Landkreis. Diese Anteile haben sich in den letzten Jahren verschoben – vor allem der staatliche Beitrag sinkt. „Wenn Land und Kreis sich zurückziehen, landen die Kosten bei den Gemeinden und Eltern“, warnte Dufter. Für Unterwössen bedeutet dies aktuell einen kommunalen Zuschussbedarf von 77.000 Euro im Jahr. Die Abrechnung erfolgt nach der Zahl der tatsächlich erteilten Unterrichtsstunden in der Zweigstelle – für Dufter ein „gerechtes System“.
In Unterwössen ist die Instrumentenverteilung vielfältig. Gitarre und Klavier sind besonders gefragt. Der Bereich Blasmusik ist stark ausgebaut, was nicht zuletzt an Zweigstellenleiter Benedikt Paul liegt. Er organisiert Bläserklassen, leitet die Jugendkapelle Wössen und betreut die „JungBöhmischen“, eine ambitionierte Nachwuchsformation. Chorarbeit, Schlaginstrumente und Streicherunterricht gehören ebenfalls zum Angebot, wobei letzterer derzeit weniger stark gefragt ist.
Die Musikschule erhebt ihre Gebühren mit Augenmaß. Ein Unterwössner Kind zahlt jährlich 696 Euro für 30 Minuten Einzelunterricht, ein externer Schüler 1.240 Euro. Chöre und Jugendkapelle kosten jährlich 48 Euro. Zusätzlich gibt es Familien- und Mehrfachermäßigungen. Dufter mahnt dennoch zur Wachsamkeit: „Oft melden diejenigen, die es sich am wenigsten leisten können, ihre Kinder gar nicht erst zum Musikunterricht an.“ Daher ist die soziale Abfederung durch Gebührenmodelle und Förderungen über die Stiftungen umso wichtiger.