Unterwössen. Das Thema der Mobilität im ländlichen Raum und die Mobilität im Alter standen als Punkt 1 auf der Tagesordnung der letzten Gemeinderatssitzung im Rathaus. Der Gemeinderat beriet das Carsharing-Projekt der Ökomodell Gemeinden, das Konzept eines Seniorenfahrdienstes und das Rufbusmodell Traudl. Das Carsharing-Projekt wird kommen, der Seniorenfahrdienst bedarf weiterer Überlegungen.
Unter Federführung des Ökomodells Achental möchten Mitgliedsgemeinden und andere Gemeinden nahe dem Chiemsee das von der Firma Überall aus Prien koordinierte Carsharing Projekt anbieten. Das konzentriert sich auf nachhaltige und umweltfreundliche Mobilität, führte Verwaltungsleiter Thomas Müllinger in das Thema Carsharing ein. Um den Dienst zu nutzen, müssen Benutzer ein Profil in einer Smartphone-App erstellen und erstmalig - dann alle 6 Monate - den Besitz einer Fahrerlaubnis nachweisen. Das kann zum Beispiel durch Vorlage in einem Bürgerbüro geschehen. Über die App reserviert der Benutzer das Fahrzeug und schaltet es für die eigene Benutzung frei.
Die Tarife für den Dienst variieren. Es gibt einen Stundentarif von 2,50 Euro plus 0,20 bis 0,25 Euro pro gefahrenen Kilometer. Es gibt weiter eine Tagespauschale von 25,00 Euro plus 0,25 Euro pro Kilometer und eine Wochenendpauschale von 49,00 Euro plus 0,25 Euro pro Kilometer. Das Unternehmen betreibt die Carsharing Angebote für Kommunen, Unternehmen und Wohnanlagen in Bayern. Würde sich die Gemeinde Unterwössen beteiligen, was bereits in die Wege geleitet wurde, würde das Unternehmen ein privates E-Auto für das Carsharing in Unterwössen zur Verfügung stellen. Die Gemeinde selbst müsste am Rathausplatz einen Stellplatz mit Ladeinfrastruktur zur Verfügung stellen. Dadurch würden ihr voraussichtlich 3000 Euro an Kosten entstehen. Sie selbst könnte das E-Auto für eigene Zwecke kostengünstig nutzen.
Verwaltungsleiter Müllinger empfiehlt, sich an dem Projekt der Achentalgemeinden zu beteiligen. Das Projekt erhöhe das Mobilitätsangebot, bringe nur geringe Kosten und verlange wenig Aufwand. Der Gemeinderat stimmte geschlossen dafür, sich an dem Projekt des Ökomodells zu beteiligen. Das Projekt soll Mitte September bis Anfang Oktober realisiert werden.
Doch was ist mit Personen, die keinen Führerschein besitzen? Die Quartiersmanagerin der Gemeinden Marquartstein und Unterwössen Brigitte Schmitz und Alex Degener, Vorsitzende des Wössner Regenbogens, stellten das Konzept eines Seniorenfahrdienstes vor. Unterstützung für das Projekt gebe es von der Stiftung Lichtblick Seniorenhilfe. Das ist eine Stiftung, die sich gegen die Altersarmut stemmt und bedürftigen Rentnerinnen und Rentnern dauerhaft und lebenslang Hilfe leistet. Die Stiftung, bekannt für ihre unbürokratische und schnelle Unterstützung, würde der Gemeinde Unterwössen für einen Seniorenfahrdienst ein Fahrzeug schenken. Die Gemeinde müsste die laufenden Fahrzeugkosten und den Unterhalt des Fahrzeuges tragen. Ehrenamtliche würden das Fahrzeug führen.
In der Gemeinde Aschau ist ein solches Projekt umgesetzt. Cordula Gronemann vom Wössner Regenbogen und die Quartiersmanagerin Schmitz erhielten dort Einblick und freimütige Antworten auf ihre Fragen. Bei genauerem Hinsehen erkannten Schmitz, Gronemann und Alex Degener doch einige Hürden. In Aschau regelt eine ehrenamtliche Helferin die gesamte Einteilung der Fahrer und die Verwaltung des Projektes. Vor deren Arbeit ziehen die Frauen des Regenbogens ihren Hut. Sie kennen den Aufwand aus Erfahrung, erledigen doch bereits 10 ehrenamtliche Fahrer im Rahmen der Nachbarschaftshilfe des Regenbogens die Besorgungsfahrten für Senioren. Sollte das Projekt umgesetzt werden, müsste der Regenbogen aber auf insgesamt 20 ehrenamtliche Fahrer aufstocken, 10 für die Nachbarschaftshilfe, 10 für den Fahrdienst. Die zweite große Herausforderung ist die Koordinierung der Fahrdienste. Aus ihren Erfahrungen urteilen die Frauen, dass das im Ehrenamt nicht zu stemmen ist.
Auch Bürgermeister Ludwig Entfellner warnt, das Ehrenamt zu überstrapazieren. Er scheut, die Stiftung Lichtblick um das Fahrzeug zu bitten, weil Nachfrage und Hürden des Seniorenfahrdienstes aktuell schwer abzuschätzen sind. Er schlägt vor, die Idee des Seniorenfahrdienstes erst einmal auf das Carsharing Modell aufzusetzen und erste Erfahrungen zu sammeln. Ehrenamtliche Fahrer können die Senioren bei Bedarf mit dem Carsharing-Fahrzeug transportieren. In diese Richtung würden sie die Idee gern weiterverfolgen, bieten Alex Degener und Brigitte Schmitz an.
Gemeinderätin Claudia Schweinöster begrüßt die bedachte Herangehensweise. „Es hört sich für mich vernünftig an, erste Erfahrungen zu sammeln und Freiwillige Fahrer zu suchen, um dann erst später zu entscheiden, wie ein Seniorenfahrdienst Fuß fassen soll.“ Gabi Neubert rät die Senioren mit dem Carsharing System in Informationsveranstaltungen oder auf andere Weise vertraut zu machen. Gemeinsame Fahrten zum Beispiel zu kulturellen Veranstaltungen würden deren Lebensqualität deutlich verbessern. Bernd Katzbichler rät zusätzlich bekannt zu machen, dass die ehrenamtlichen Fahrer kein Risiko tragen. Der eigene Wagen wird nicht eingesetzt, der Fahrer ist versichert. Philipp Weißenbacher und Barthl Irlinger sehen als Knackpunkt für den Seniorenfahrdienst die Organisation im Ehrenamt zu stemmen.
Als dritte Variante, die Mobilität im ländlichen Raum zu verbessern, sehen Verwaltung und Gemeinderat das Modell eines Rufbusses, wie er unter dem Begriff Traudl gerade im Bereich des Chiemsees Fuß fasst. Dazu gab es am Mittwochabend eine große Informationsveranstaltung in Chieming. Eine ganze Reihe an Gemeinderäten und die Verwaltung nahmen an dieser Veranstaltung teil. Das Thema Rufbus möchten sie erst nach dieser Veranstaltung beraten.
Verwaltungsleiter Müllinger verweist darauf, dass dieses Konzept eine weit größere finanzielle Herausforderung darstellt, als das Carsharing und der Seniorenfahrdienst. Für die Gemeinde Unterwössen betrage der Eigenanteil der ersten sechs Jahre auch unter Berücksichtigung der Förderungen durchschnittlich 55.000 € im Jahr. Später, ohne Förderung wachse das bis auf 120.000 € im Jahr an.
fg
Öffentlicher Personennahverkehr und Mobilität sind im ländlichen Raum ein schwieriges Thema. Vor dem Hintergrund moderner Konzepte widmete sich der Unterwössner Gemeinderat dem Thema ausführlich.